Kapitel 30

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Die komplette Bahnfahrt über hatte ich ein mulmiges Gefühl. Ich war kein Schisser, aber Paul hatte leider recht. Das wenige und unregelmäßige essen, hatte mich tatsächlich abbauen lassen und Bewegung hatte ich die letzten Tage auch nicht sonderlich viel abbekommen. Bevor wir uns auf den Weg vom Bahnhof, zu Archers Wohnung machten, hielten wir bei einem Kebapstand. Paul zwang mich förmlich was zu essen, damit ich wenigstens nicht umkippen würde. Für einen Moment dachte ich an Ellie's Essen, verbot es mir jedoch sofort wieder. Wenn ich mich bei ihm entschuldigen wollte, müsste ich vorher alles wieder gerade rücken und das erreichte ich ganz bestimmt nicht mit weinerlichem Rumgejammer. Nachdem wir voll waren gingen wir den letzten Kilometer zu dem Block in welchem Archer lebte.

Ich atmete ein Mal tief durch, ehe ich die Klingel drückte. „Ja?" Na dann mal rein, in die Höhle des Löwen... „Hey, ich bin's." Sofort hörte ich das Surren, ohne eine Antwort zu erhalten. Als wir oben ankamen, stand bereits ein wütender Archer vor der Tür und wartete auf uns. „Bist ja echt mutig hier her zu kommen und dann auch noch diese Fotze mitzubringen, weil du dich alleine nicht her traust! Siehst echt scheiße aus, Dima. Hast du die letzten Tage schlecht geschlafen? Kann ich verstehen, würde ich auch, wenn ich so eine miese Ratte wäre wie du." Sofort verengten meine Augen sich zu schmalen Schlitzen. „Pass auf, wie du über Paul sprichst, ich warne dich." Doch dieser hob bloß beschwichtigend die Hände. „Jungs, das beruhigt euch wieder. Archer, wir sind nicht hier um Stress zu machen." Dieser beachtete ihn garnicht und starrte mich weiterhin an. „Wo ist mein Geld, Dima." Ich begann in meiner Geldbörse zu kramen und zog ein paar Scheine hervor. „Ich habs hier, ok? Komm runter." Er riss sie mir förmlich aus der Hand. „Komm ja nie wieder her und frag mich nach meiner Hilfe, das nächste Mal hast du ein Messer in der Brust." „Ist gut." Meinte ich bloß, drehte mich um und wir stiegen die Stufen wieder hinab.

„Ach, Dima?" Ich drehte mich auf halber Höhe der Treppe um. „Pass in Zukunft besser auf, wem du blöd kommst. Sonst könnte das noch hässlich ausgehen. Ach ja, wo wir gerade dabei sind, wie geht's eigentlich deinem Lover, du Schwuchtel?" Ich wollte wieder zurück hoch stürmen und ihm an die Gurgel gehen, doch Paul hielt mich mit aller Kraft zurück. „Lass es, das bringt doch nichts. In deinem Zustand hast du eh keine Chance." Ich entspannte meine Muskeln wieder, doch die Wut blieb. „Noch ein Wort über Ellie und du kannst deine Zähne vom Boden aufsammeln." Zischte ich gefährlich leise, doch er grinste bloß hässlich und schlug die Wohnungstür hinter sich zu.

„Was ein Arschloch!" Fluchte ich, als wir das Gebäude verließen. „Komm runter und vergiss es. Der Typ ist es doch nicht wert." Meinte Paul entspannt, während er eine Zigarette aus der Schachtel fingerte und sie mir auch hinhielt. Dankbar nahm ich an. „Ich glaub ich habe gerade meine einzige Chance, die nächsten Monatsmieten zu zahlen, vertan." Stellte ich fest, während ich Rauch aus meinen Lungen blies und ihn dabei beobachtete, wie er sich im Nachthimmel verflüchtigte. „So ein Blödsinn. Wir suchen dir morgen Früh einen neuen Job." Welchen Wochentag hatten wir noch gleich? Ich warf einen Blick auf mein Handydisplay. Es war bereits Samstag. „Pennst du heute Nacht bei mir?" Fragte ich und erhielt ein Nicken als Antwort. „Wenn das okay für dich ist schon. Ist schon spät und ich würde das gerne morgen gleich nach dem Aufstehen erledigen. Ich lachte leise. „Wann bist du eigentlich so pflichtbewusst geworden? Fragte ich und grinste schief. Auch er gab einen amüsierten Laut von sich. „Weiß nicht, ich glaube ich werde langsam alt."

Wieder in meiner Wohnung angekommen fielen wir hundemüde ins Bett, beziehungsweiße ich fiel in mein Bett und er auf mein Sofa. Obwohl ich jetzt wieder Geldsorgen haben musste, fühlte ich mich unendlich befreit. Am nächsten Morgen wachten wir gegen zehn Uhr auf, tranken eine Tasse Kaffee und rauchten eine Zigarette, ehe wir uns auf die Suche nach Stellenausschreibungen begaben. Zehn Absagen später, als ich bereits kurz davor war die Hoffnung aufzugeben, hielt mir Paul die Anzeige, von einem kleinen Laden am anderen Ende der Stadt hin. Ich musterte die Adresse und stockte. Das war doch der kleine Musikladen, in dem ich Ellie's CD gekauft hatte. Es war zwar ziemlich weit von hier, aber mit der Bahn war es gut zu erreichen und nach der Schule, würde ich auch nicht so lange hin brauchen, wie von mir zuhause aus. Einen Versuch war es wert, das einzige Problem war, dass es Elias Stammladen war. Dennoch beschloss ich morgen nach der Schule dort vorbei zu schauen und mich mal mit dem Inhaber zu unterhalten.

Morgen kam schneller, als mir lieb war. Mein Wecker riss mich unsanft aus meine Träumen und ich zog mich, noch im Halbschlaf, an und putzte mir die Zähne. Am liebsten wäre ich liegen geblieben, aber ich konnte nicht noch eine Woche schwänzen. In der Schule wurde ich von Miriam und Ronny begrüßt. „Alter, schaust du scheiße aus!" Ich verdrehte die Augen. „Vielen Dank für die Blumen, kann ich nur zurückgeben." Meinte ich und drehte mich zu Miri, welche ebenfalls müde und erschöpft aussah, als hätte sie viel geweint. „Tut mir leid, es ist nur wegen..." „Jaja, ist mir schon klar." Unterbrach ich sie. „Aber meinst du nicht, dass es langsam Zeit ist das Thema ruhen zu lassen? Ihr seit seid vier Monaten getrennt." Sie blickte zu Boden. „Ich liebe ihn halt." Ich auch... Ich konnte gut verstehen, warum sie so an ihm hing, aber langsam nervte es mich. Ellie sollte schließlich mir gehören. „Warum hast du letztens einfach aufgelegt?" „Verbindung war schlecht und ich hatte keinen Empfang." Flunkerte ich. „Was haben wir überhaupt in der Ersten?" Fragte ich, um das Thema zu wechseln. „Physik" Antwortete Ronny und gähnte. Scheiße... Das bedeutete ich würde ihn wieder sehen.

In der Klasse nahm ich auf meinem Stuhl platz und rutschte nervös hin und her, während ich meine Hefte und Stifte raus kramte. Eine Traube von Schülern betrat den Raum. Darunter auch er. Als er mich auf meinem Platz sah, blieb er stehen. Unsere Blicke trafen sich und mein Herz begann zu rasen. Ich blickte einmal an ihm hoch und runter. Auch er was mager geworden. Ober er auch richtig aß? Ich sah wieder zurück in seine wunderschönen Augen und noch immer bewegte er sich nicht. „Elias, komm her!" Hörte ich einen seiner Kumpels am anderen Ende des Raumes rufen. Sofort löste er sich aus seiner Starre und ging, ohne mich noch einmal zu beachten zu seinen Freunden. Meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen und ich hätte am liebsten das Klassenzimmer zusammen getreten. Er war noch immer so schön und die Erkenntnis, wie gerne ich ihn in diesem Moment auf die Toilette gezerrt und gevögelt hätte, traf mich mit voller Wucht. Ich war doch wirklich das letzte, selbst unter diesen Umständen, so sehr mit ihm schlafen zu wollen. Doch ich wusste, dass seine Nähe das einzige war, dass den brennenden Schmerz in meiner Seele lindern würde.

Den ganzen Unterricht, war ich mit den Gedanken wo anders, bis die Lehrerin mich zurück in die Realität holte. „Elias, kommst du bitte vor an die Tafel und zeigst uns, wie das Beispiel geht?" Er stand auf und schlenderte entspannt nach vorne. Als er an meinem Tisch vorbeiging, richtete er seinen Hemdkragen und gab die Sicht auf seinen Hals frei. Mit einem Mal sank mir das Herz in die Hose. Zwei dunkle, lila Flecken, welche definitiv nicht von mir kamen, zierten seinen Hals. Miriam hatte recht. Er hatte tatsächlich eine Neue.

Ich stand auf und stürmte aus der Klasse. „Dima? Dima, wo willst du hin?" Ich ignorierte die Lehrerin. So schnell ich konnte, rannte ich auf die Toilette und beugte mich in letzter Sekunde über die Schüssel, wo ich erbrach.

I'm addicted to you | Boy X BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt