uno - 01

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I L I A N A

Mit hochrotem Kopf und verschwitzen Körper ließ ich mich in den weichen Sitz der Business Class fallen. Wäre ich fünf Minuten später gekommen, würde ich jetzt nicht hier sitzen, sondern wie ein Opfer vor dem Gate stehen und mich über Papà aufregen, denn er brauchte erstmal eine Stunde um sich für ein Auto zu entscheiden. Ich schloss kurz die Augen und wischte mir über meine verschwitze Stirn, ehe ich mich aufrichtete und meinen MacBook aus der Tasche kramte. Meinen Koffer hatte ich sauber und strukturiert gepackt, aber mein Handgepäck sah aus, wie der größte Müll. Ich würde keinen Unterschied zwischen meinem Handgepäck und meiner Schwester Felina sehen, denn sie bombardierte mich mit Nachrichten, dass ich aufpassen solle und so ein Scheiß. Ich verstehe, dass sie sich Sorgen macht, genauso wie der Rest der Familie, aber ein wenig Vertrauen müssten sie doch in mich haben. Oder nicht?

Aber jetzt will ich mich entspannen und mir nicht den Kopf über Felina und meiner Familie zerbrechen, da ich dieses Flugzeug sonst mit meinen Aggressionsproblemen auseinander nehmen würde. Ich klappte den Laptop auf und sah die Email von Emilio, dem Sohn von Onkel Eliano. Ich weiß, dass ich gleich noch einen Anruf von Damian, dem Sohn von Tante Paola, bekommen würde. Denn das waren meine zwei Komplizen, die diese Rache mit mir geplant hatten. Ich las mir nochmal den Plan durch, während eine Stewardess zu mir kam und mir etwas zu trinken anbot. Natürlich lehnte ich nicht ab, sondern bat sie um eine Flasche Wasser, die sie mir auch direkt reichte. Gierig trank ich einen Schluck und war glücklich darüber, das es gekühltes Wasser war. Auch wenn es erst Anfang Mai war, war es genauso warm wie im Hochsommer.

Ich wandte mich von ihr ab und starrte auf den Bildschirm meines MacBooks, doch dann fing an mein Handy zu klingeln. Der Refrain von „Дым кальяна" von „Oleg Kezov" ertönte, ehe ich dran ging und das aggressive Atmen von Damian hörte. „Er weiß es." knurrte er, weshalb ich anfing zu lachen und es ihnen vorher schon gesagt hatte, sie mir aber nicht geglaubt hatten. „Was hab ich euch gesagt?" fragte ich ihn provokant und hörte Emilio im Hintergrund. „Er hat dem Piloten 20 Millionen geboten, damit er dieses Flugzeug abstürzen lässt, in dem du sitzt, Iliana." sprach Damian weiter und diesmal deutlich entspannter und besorgter. „Bin ich echt nur 20 Millionen wert? Ich hätte mehr erwartet." erwiderte ich und lauschte dem Gebrülle von den beiden, während ich völlig daneben lag, dass Damian sich beruhigt hatte. „Übertreibt es nicht, es war ein Spaß. Bewacht er die Flughäfen?" fragte ich. „Soweit wir wissen, weiß er nicht mal, dass es eine Frau ist, die ihn zerstören wird."

Ich knurrte auf, da ich wusste, dass Graciano ein Arschloch war und sowas denken würde. Es war zwar ein Vorteil für mich, nichtsdestotrotz sind es nicht immer Männer, die in der Mafia tätig sind. „Gut zu wissen, danke. Ich melde mich später." verabschiedete ich mich und legte auf, sodass ich mir meine Kopfhörer aufsetzte und die Musik spielen ließ. Währenddessen las ich mir weiter den Plan durch und schrieb danach ein paar Mails an meine Firma, da ich an den nächsten Meetings nicht teilnehmen konnte - auch nicht online. Ich erledigte alles und entspannte mich den restlichen Flug, da ich deutlich viel zutun hatte später und meine Energie nicht unnötig verbrauchen wollte. Doch meine Gedanken ließen mich nicht entspannen, da sich immer wieder die leise Stimme meldete, wenn sich meine Augen schlossen. Ich wirkte wahrscheinlich auf die meisten als selbstbewusst und tapfer, doch genau diese Seiten fielen, wenn man für sich alleine war und die Gedanken einen in die Enge trieben.

Ich wollte nie Schwäche zeigen, denn wenn man Schwäche zeigte, fickte einen das Leben von allen möglichen Seiten. Ich musste Kontrolle über mein Umfeld haben und auch langsam lernen, diese Kontrolle über mich selber zu beherrschen. Das war einer der Punkte, denn ich wohl nie richtig erfüllen würde, da mein Gewissen mit sich selber kämpfte. Aber ich würde versuchen diesen Kampf endlich ein Ende zu bereiten, in dem ich mich die kurze Zeit von meiner Familie löste. Denn auch dieser war ein Teil für diesen Krieg in meinem Kopf.

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Barcelona war eine wunderschöne Stadt. Aber der Gedanken daran, dass Graciano hier wohnte, machte die Stadt wieder hässlich. Mit dem Aufzug fuhr ich in die zwanzigste Etage, ehe sich die Fahrstuhltüren öffneten und ich meinen Koffer raus schob. Mit dem Schlüssel in der Hand lief ich den Gang entlang und schwitzte schon wieder. Tatsächlich gab es keinen Unterschied zwischen Palermo und Barcelona, es war an beiden Orten sehr warm. Als ich mein Apartment endlich gefunden hatte, schloss ich auf und öffnete die Tür. Nachdem ich meinen Koffer rein schob und selber rein ging, schloss ich Hinter mir die Tür ab und lief zu den übergroßen Fenstern, die Barcelonas Straßen zeigten. Man konnte die Menschen gut genug erkennen, genauso wie die Autos. Was mir auch aufgefallen war, dass die Spanier Auto fahren, als hätten sie mehrere Leben. Nichtsdestotrotz war es eine schöne Aussicht, doch ich hatte keine Zeit mehr, die hetzenden Menschen zu beobachten.

Ich schrieb Damian und Emilio an, dass ich lebend auf dem spanischen Boden stehe, worauf sie mir nichts antworteten, da sie mir wohl zeigen wollten, dass es nicht witzig war. Ich lachte kurz darüber, ehe ich mein Handy wieder weg packte und mich an mein Gepäck machte. Ich nahm nicht viel Gepäck mit, aber genug bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, an dem ich nicht mehr in dieses Apartment kommen würde. Der Plan war clever und simpel, aber darauf müsste man erstmal kommen. Mir kam die Idee, als wir uns darüber unterhalten hatten, wie es doch weitergehen solle. Und ich war dann auch diejenige, die diesen Plan in die Tat umsetzen sollte.

Meine Hände falteten die Kleider ordentlich in den Schrank, während leise Musik über den Fernseher lief. Ich musste mich selber in Stimmung bringen und das ohne Alkohol, da ich in den Club gehen würde, nicht um zu feiern, sondern ein Vorstellungsgespräch abzusolvieren. Ich war gespannt, was mich erwarten würde, aber ich müsste diesen Part durchziehen, da ich anders nicht an Graciano kommen würde. Ich wusste, dass er ein perverses Schwein war, dass er aber mit Stripperinen fickt, wusste ich bis zu diesem Augenblick auch nicht. Ich trat in den Club und betrachtete die tanzende Menschenmenge rechts und die Treppe links, die mich zu meinem Ziel führte. Nachdem ich mich geschminkt und angezogen hatte, ging ich aus dem Apartment und informierte meine Komplizen, die sich diesmal auch zurück meldeten und mir viel Erfolg wünschte. Ich war überwältig von der Atmosphäre in Spanien, da die Straßen von dem herrlichen Sonnenuntergang überzogen waren, während kleine Gruppen in Bars oder Restaurants verschwanden. Mein Weg war nicht weit und ich sah die Schlange vor dem Club schon, aber ich hatte einen Termin und war nicht zum feiern da, weshalb ich meinen Namen nannte und durchging. Das Lied „Ay Vamos" von „J Balvin" dröhnte durch die Boxen, weshalb ich kurz davor war, mich in eine Ecke zu stellen und zu tanzen. Doch ich lief strikt auf die Treppe zu, wo mir ein Security zu nickte und mich durchließ. Ich lief hoch und nahm jede einzelne Bewegung mit bedacht. Vorbei an den halbnackten Mädels, bis ich das Büro erreichte und anklopfte. Ich hörte ein „Herein!", weshalb ich die Tür öffnete und eintritt. Warm lächelte sie mich an, was ich direkt erwiderte und mich auf den Stuhl, vor den Schreibtisch, setzte. „Iliana Románo." stellte ich mich vor. „Martina Ruiz." machte sie mir nach und fing direkt an zu reden. Wir besprachen die Regeln, Kurse, Bezahlung und die Codeworts, falls was passieren sollte. Ich weiß, ich müsste sie nicht wissen, nichtsdestotrotz hörte ich zu und notierte mir die Kurszeiten.

Ich weiß, dass ich nur eine Woche Zeit hatte, da Graciano in einer Woche hier sein würde, aber das würde kein Problem sein, da ich sonst nichts zutun hätte. Morgens, Nachmittags ein Kurs und Abends die Eingewöhnung. Das verdiente Geld, würde ich Spenden und es somit waschen, da ich zur dieser Zeit keine andere Möglichkeit hätte. Klingt nicht schwer oder kompliziert. Daher hatte ich auch keine Fragen und unterschrieb den Vertrag, von - erstmal - einem Monat. Wir verabschiedeten uns und ich kämpfte mich durch die Männer, die auf den Boden sabberten, und die nackten Mädchen, die der Grund dafür waren. Ich betrachtete die Gegend nochmal genauer und notierte mir, wo genau Kameras waren und wo nicht.

Die frische Luft kam mir entgegen und ich atmete das erste Mal richtig durch. Ich fing an zu laufen, ohne Ziel, ehe ich an einer Pizzeria vorbei kam und mir dort was mitnahm. Nachdem ich mich an den Strand gesetzt hatte und aß, rief ich meine Cousins an und informierte sie über den Club, die Securitys und Kameras. Sie dokumentierten es und verabschiedeten sich, was ich ihnen nach tat. So ließ ich den Abend laufen und landete spät Abends im Bett, wo ich mein letztes Gebet sprach und schlafen ging.
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Der Hass, der uns verbindet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt