• Nine •

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Paul

Es war gegen Abend, als Bella Jake anrief. Wir saßen noch gemeinsam bei Sam und aßen. Eigentlich wollten wir bald los, den es lief immer noch ein Vampir frei herum. Nachdem wir Bella vor ein paar Tagen vor diesem Typen mit Rastalocken gerettet hatten, fehlte noch die rothaarige Frau. Bella hatte Jake vorhin erzählt, dass sie hinter ihr her war und ich hatte Angst, dass auch Tess in Gefahr war.
Ich war nicht ganz beim Essen, nicht wie sonst zumindest. Meine Gedanken hingen bei Teresa. Wie es ihr wohl ging, ob sie immer noch sauer war? War sie in Sicherheit?
Sie hatte mich überrascht mit ihrem kleinen Wutausbruch, sie sah nicht danach aus, solche Gefühle zu äußern. Doch ein klein wenig stolz hatte es mich gemacht, sie so zu sehen, auch wenn ich nicht ganz erklären konnte, warum ich so fühlte.
Ich horchte auf als Bella am Telefon ihren Namen erwähnte.
„Tess ist nicht zu Hause, wisst ihr wo sie ist? Charlie ist nicht da und ich möchte nicht, dass sie in Schwierigkeiten gerät ...das wäre meine Schuld. Sie antwortet auch auf keinen meiner Anrufe" Jacobs Blick glitt kurz zu mir.
„Wir dachten, sie sei nach Hause gefahren. Wir halten die Augen auf." Bella bedankte sich. Auch wenn ich es versuchte zu unterdrücken, spielten sich Horrorszenarien in meinem Kopf ab. Sie hatte einen Unfall und lag seit Stunden in einem Straßengraben. Dieser Vampir hatte sie gefunden und getötet oder ... meine Gedanken wurden von Emily unterbrochen.
„Es geht ihr bestimmt gut. Sie will sicher nur ihre Ruhe. Es war ein anstrengender Tag für sie." Sie lächelte ich an. Es wunderte mich, dass die anderen keine Scherze machten, wie sonst immer.
Ein paar Minuten schaffte ich es noch stillzusitzen, dann stand ich auf. Sam sagte nichts, doch als ich ihn ansah, wusste ich, dass ihm klar war, dass ich keine Wahl hatte, als sie zu suchen. Ich hätte mir nie verzeihen können, wenn ihr etwas zugestoßen war.
„Komm später nach.", ich nickte, später wollte Sam nordöstlich noch weiter nach der rothaarigen Frau suchen. Letztes Mal hatten wir sie fast bis nach Kanada verfolgt, aber doch nicht bekommen.
Ich lief ein paar Minuten, dann verwandelte ich mich, zwar war mein Geruchssinn auch so, stärker als bei normalen Menschen, aber es war leichter, wenn ich ein Wolf war.
Es war einfach, ihren Geruch zu finden und ihm zu folgen. Es überraschte mich als ich ihre Spur weiter ins Reservat verfolgte und nicht wie erwartet nach Forks.
Von etwas weiter weg sah ich ihr Auto vor dem Haus der Atearas stehen. Quil ... ich hatte nie viel mit ihm zutun gehabt, allerdings ging Sam davon aus, dass er sich bald verwandeln würde. Noch zeigte er keine Anzeichen.
Früher hatte er viel mit Embry und Jake gemacht und von Embry wusste ich auch, dass Tess, seit er sich verwandelt hatte, viel mit ihm unternahm.
Es gefiel mir nicht, dass sie hier war. Es war ein dummes Gefühl, wo hätte sie sonst sein sollen, bei mir? Sie kannte mich nicht und ich sie auch nicht, obwohl ich für sie so etwas wie Liebe empfand. Dennoch wäre es mir lieber, wenn sie nicht bei einem anderen Jungen wäre, doch als ich leise ihr Lachen vernahm, änderte sich mein Gefühl. Es ging ihr gut. Eine Wärme breitete sich in mir aus und die Wut, die in mir gekeimt hatte, zog sich wieder zurück.
Wenn sie glücklich war, konnte Quil nicht schlecht sein.
Ich verwandelte mich im Schutz der Bäume zurück und zog mir eine Hose an. Überall im Wald hatten wir Kleidung versteckt, sodass wir nicht nackt durchs Reservat laufen mussten.
Ein paar Sekunden Standlicht unschlüssig vor dem Haus, dann klopfte ich. Als die Tür aufging, wurde mir klar, was ich tat. Wie unglaublich dumm es aussah, dass ich hier stand. Sie kannte mich nicht und wahrscheinlich hatte sie angst vor mir.
Quil öffnete.
„Was willst du hier?", er klang überrascht und verwirrt. Zurecht, ich hatte noch nie hier geklopft.
„Ich muss mit Tess sprechen.", ich verschränkte die Arme und hinter Quil tauchte sie auf, bevor er antworten konnte.
„Was machst du hier?" Ihre Miene war nicht lesbar, ich wusste nicht, ob sie Angst vor mir hatte.
„Ihr kennt euch?" Quil blickte verwirrt, zwischen uns hin und her. Wir antworteten beide gleichzeitig, sie sagte „Nein!" und ich „Ja!". Wir schwiegen kurz.
„Bella hatte Jake angerufen, sie macht sich Sorgen."
„Sie kann mir gestohlen bleiben.", sie rümpfte ihre Nase, was unglaublich süß aus sah. Solche Gedanken hatte ich noch nie gehabt. Innerlich verdrehte ich die Augen über mich selber.
„Ich kann es dir erklären, ich meine teilweise zumindest, über Bella weiß ich nicht alles." Ich sprach schnell und unüberlegt. Vielleicht war es zu früh ihr alles zu erklären, vielleicht brauchte sie Ruhe, wie Emily gesagt hatte. Doch zu meiner Überraschung nickte sie.
„Quil, ich ... es tut mir leid, es ist wichtig." Er zuckte mit den Schultern, er schien keine Sorge zu haben, dass ich ihr etwas antun würde. Dann grinste er und sagte: „Wenn ich in einer Stunde nichts von dir gehört habe, rufe ich aber die Polizei." Tess grinste ebenfalls.
„Abgemacht."

Tess

Ich konnte nicht genau erklären, warum ich nach Einbruch der Dunkelheit mit jemandem mitging, vor dem ich eigentlich Angst haben sollte.
Vielleicht verdrängte mein Gehirn die Tatsache, dass er sich in einen riesigen Wolf verwandelt hatte. Denn ich hatte nicht nur keine Angst vor ihm, sondern ich fühlte mich nach ein paar Minuten neben ihm sogar relativ sicher.
„Ist dir nicht kalt?", fragte ich nach ein paar Minuten stillen Laufens. Ich mochte diese Ruhe zwischen uns nicht, zumal war ich unendlich neugierig.
Er lachte, „Nein, mir ist nie kalt." und das, obwohl es wirklich kühl war und er kein Shirt trug.
„Hat das was mit ... na ja du weißt schon." er nickte auf meine Frage hin.
„Ja, es heißt Gestaltwandler. Wir können uns in Wölfe verwandeln. Es ist in unserer DNA. Ein paar Familien im Reservat tragen es in sich und irgendwann, na ja, wenn ..." er schwieg, schien zu überlegen.
„Warum tötet ihr Menschen?", ich wechselte das Thema, da mir die Frage viel wichtiger vorkam, als die Frage über das, warum sie sich verwandelten. Die Antwort entschied darüber, ob ich weiter Angst haben musste.
„Was?" Im Licht des Mondes sah ich seine Verwirrung.
„Naja mein Dad sagt Menschen werden in der Gegend von Tieren angegriffen und auch Freunde von mir haben große Tiere, also euch gesehen."
„Das sind wir nicht. Wir tun Menschen nichts, wir beschützen sie."
„Das habe ich gesehen.", ich murmelte es, doch ich merkte wie Paul sich neben mir anspannte.
„Es tut mir leid, ich meine, was passiert ist. Ich kann mich manchmal schlecht kontrollieren." Wieder herrschte Stille.
„Wovor beschützt ihr uns?" Was sollte es geben, dass man nur als riesiger Wolf besiegen konnte?
„Weißt du, es gibt nicht nur Wölfe. Wir beschützen Menschen und den Stamm vor Vampiren." Ich sah zu ihm, versuchte in seinem Gesicht etwas zu finden, dass verraten hätte, dass er sich lustig über mich machte. Doch alles, was ich in dem wenigen Licht der Nacht und des Mondes sehen konnte, war ein ernster Blick.
„Ist das dein Erst?", keuchte ich. Vampire?
„Das ist auch der Grund, warum wir uns verwandeln, wenn Vampire in der Nähe sind, verwandeln wir uns das erste Mal. Danach können wir es immer wieder."
Wir kamen am Strand an, stillschweigend setzten wir uns auf ein Baumstamm, der nahe dem Wasser wohl an den Strand gespült worden war.
„Und Bella weiß das alles?", flüsterte ich.
„Sie weiß von den Vampiren, von den Werwölfen hat sie heute direkt das erste Mal erfahren. Jake hatte es aber bereits angedeutet." Ich wusste es! Bella hatte mir etwas verschwiegen und es stach in mein Herz, dass sie mir nicht vertraut hatte.
Paul erzählte mir noch mehr, was genau Vampire konnten und dass sie fast wie normale Menschen aussahen.
„Gibt es viele? Ich meine, in meiner Schule sind da alle welche?" Paul lachte.
„Nein, es gab welche an deiner Schule, aber sie haben die Stadt vor ein paar Monaten verlassen." Ich war etwas beruhigt, der Gedanke, dass alle um mich herum auf Blut aus war, wäre unerträglich gewesen.
„Und wie erkenne ich diese ... Vampire?" Mir fiel es schwer, es auszusprechen. Das Ganze war immer noch nicht richtig Wirklichkeit für mich. Es war absurd und trotzdem hatte ich einen Teil mit eigenen Augen gesehen. Paul sah aufs Meer und schwieg ein paar Sekunden.
„Das kannst du nicht, nicht wirklich, wenn sie es dir nicht zeigen. Im Sonnenlicht würdest du es sehen, aber meistens zeigen sie sich dann nicht." Ich begann auf meiner Wange herumzukauen, wie sollte ich mich dann schützen? Obwohl Paul erzählt hatte, dass ich, wenn sie es auf mich abgesehen hätten, ich mich sowieso nicht wehren könnte. Ich merkte, dass ich tatsächlich etwas Panik bekam, wenn ich daran dachte, wie wehrlos ich war, doch ich wollte es vor Paul nicht zeigen.
Weit entfernt hörte ich ganz leise einen Wolf heulen.
„Ich muss los", sagte Paul plötzlich und erst ein paar Sekunden später verknüpfte ich das Heulen damit.
„Ich bringe dich zurück." Ich wollte protestieren, da ich noch viele Fragen hatte, tat es jedoch nicht. Ich wollte Paul nicht aufhalten und für Antworten wäre morgen auch noch Zeit. Außerdem, wäre es vielleicht besser darüber zu schlafen und morgen meine Fragen geordnet zu stellen.
Wir liefen wieder still nebeneinander her, doch nun war es angenehmer. Die Stille war nicht so seltsam.
Als Quils Haus in Sicht kam, verabschiedete sich Paul.
„Paul!", rief ich ihm hinterher, als er bereits losgejoggt war.
„Danke. Ich meine, dass du so ehrlich warst." Ich wurde etwas rot und hoffte, dass er es in der Dunkelheit nicht sah.
„Kein Problem."
„Kann ich ... kann ich deine Nummer haben? Ich meine, wenn ich noch Fragen habe und Bella immer noch nicht mit mir spricht." Mein Herz klopfte schnell bei der Frage. Ich wollte nicht, dass er etwas Falsches von mir dachte, aber ich wollte immer noch Antworten haben.
„Klar. Es kann nur sein, dass ich nicht dran gehe ... Ich rufe zurück." Ich lächelte erleichtert. Er erklärte, dass sie einen Vampir jagten, der in der Gegend gesehen worden war und auch die vielen Menschen auf dem Gewissen hatte. Ich unterdrückte das Gefühl, dass ich Angst hatte, Angst um ihn. Ich kannte ihn nicht, warum sollte ich Angst haben ... Ich speicherte die Nummer, die er mir gab ein und sah ihm hinterher, bis er zwischen den Bäumen verschwunden war.

Teresa Swan • Paul LahoteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt