• Twenty-nine •

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Tess

Ich kam gerade mit etwas zu Trinken wieder zurück zu Bella, als ich sie stürzen hörte. Ich sah sie nicht, aber ich hörte ihre Knochen brechen und den Knall, mit dem sie auf den Boden aufkam. Ganz plötzlich wurde mir speiübel und ich ließ zitternd das Glas fallen, dass ich in den Händen hielt.
Ich drückte die Tür auf, obwohl ich nicht sehen wollte, was dahinter war. Wie erwartet, lag Bella am Boden, die Extremitäten seltsam verdreht, während Edward ihren Kopf stützte.
„Wir bringen sie in Carlisles Arbeitszimmer." Ich hielt die Tür auf und folgte Edward, der Bella behutsam auf den Armen hielt.
Er legte sie auf die Liege, auf der ich das Blut gespendet hatte. Bella keuchte nur und ihre Augen huschten wirr im Raum herum. Alice rief Carlisle an, während die anderen diskutierten, was getan werden sollte.
Ich nahm Bellas Hand vorsichtig in meine und flüsterte: „Ich bin bei dir, große Schwester." Edward gab ihr Morphium, während Rosalie sagte, dass wir das Baby holen müssten.
„Wir müssen warten bis das Morphium wirkt.", Edward „Dann stirbt es." sagte Rosalie, das schien Bella wach zu rütteln. Denn sie drücke meine Hand fest und schrie beinahe: „Holt es raus, sofort." Ich versuchte krampfhaft nicht in die Richtung von Bellas Bauch zu sehen, während Edward anfing meine Schwester aufzuschneiden. Sie schrie und drückte meine Hand, während ich irgendwelchen beruhigenden Sachen sagte, die wahrscheinlich keinen Sinn ergaben. Nur halb bekam ich mit, dass Alice Rosalie aus dem Zimmer zog. Immer wieder kippte Bellas Kopf zur Seite, dann schrie sie und krallte sich in meinen Arm und Hand.
„Ich bin bei dir Bella.", flüsterte ich, während Jake und Edward versuchten das Baby herauszuholen. Dann war es vorbei, ganz plötzlich, Bella schrie nicht mehr, stattdessen hörte ich ein Baby weinen.
Ich sah zu Bella und dann zu dem kleinen Wurm, der seine ersten Atemzüge machte.
„Du hast es geschafft." Ich sah wieder zu Bella, der eine Träne über die Wange lief und dann lächelt.
„Du bist wunderschön.", flüsterte sie und Edward hielt das Kind Bella entgegen. Ich lächele ebenfalls, solange zumindest bis Bellas Blick ins Leere ging und ihre Hand in meiner schlaff wurde.
„Bella?" Panik durchzog meine Stimme und auch Jake und Edward sahen entsetzt zu ihr.
Jacob begann augenblicklich, sie wiederzubeleben, doch sie verlor zu viel Blut. Ich ließ Bellas Hand los und versuchte den Schnitt an ihrem Bauch zuzuhalten, doch es war eine unmögliche Aufgabe. Das Blut sickerte unaufhaltsam über meine Hände, doch zuerst bemerkte ich es gar nicht richtig.
Edward begann sie zu beißen, damit sie sich verwandelte, statt zu sterben.
Als Jake auf Bellas Brustkorb drückte, hörte ich ihre Rippen brechen und wieder wurde mir bei dem Geräusch übel. Plötzlich sah ich auch das Blut, das aus Bella über meine Arme und Hände lief.
„Es funktioniert nicht." Jake sah zu Edward, der wie besessen weiter versuchte Bella zu verwandeln, doch noch immer bewegte sie sich nicht.
Ganz langsam, wie Gift schlich sich die Gewissheit in meinen Verstand, dass meine Schwester gestorben war.
„Bella.", meine Lippen zitterten, als ich ihren Namen sagte und dennoch wusste, dass sie nicht antworten würde.
Ich sah zu Edward, dann zu meinen Händen, auf denen das Blut immer noch nass glitzerte.
Langsam stolperte ich rückwärts und sah nun das ganze Horrorbild vor mir. Bella blass, leblos und mager in ihrem eigenen Blut und mit aufgeschnittenem Bauch und Edward, der immer noch verzweifelt über ihr stand. Ich wünschte mir Haare aus dem Gesicht und merkte erst als es nass wurde, dass ich mir ihr Blut auf die Wange geschmiert hatte. Erneut überkam mich eine Welle von Übelkeit. Immer weiter stolperte ich rückwerts, schließlich drehte ich mich um und rannte aus dem Zimmer und schließlich aus dem Haus.
Jake saß auf der Erde vor der Treppe, die zur Veranda führte. Er hatte die Beine angezogen und wippte vor und zurück, leise hörte ich sein schluchzten. „Warum weinte ich nicht?" Schoss es mir plötzlich durch den Kopf, doch irgendwie fühlte ich nur Leere, Leere und Ekel.
„Jake.", brachte ich mit bebender Stimme hervor, doch er reagiert nicht.
„Jake.", plötzlich fühlte ich mich doch so, als würde ich gleich zusammen brechen. Ich wollte nicht alleine sein. Ich wollte bei jemanden sein, der meinen Schmerz verstand, der auch litt und Jake war der einzige, der gerade so fühlte. Doch er erhob sich und lief die Treppen hoch zu mir.
„Ich bringe es um."
„Nein, Jake, sie hätte es nicht gewollt." Ich trat ihm in den Weg, vor die Tür, doch mit Leichtigkeit schubste er mich zur Seite.
Unsanft landete ich auf dem Boden und plötzlich war es mir egal, vielleicht war es auch die ganze Zeit egal gewesen und nur der Anstand sagte, dass man Kinder nicht tötete. Doch war dieses Ding -dieser Mörder- ein Kind? Es rasten andere Sachen in meine Gedanken. Wie sollte ich es Charlie sagen? Was würde Mum machen? Und plötzlich war die Trauer da und auch die Tränen begannen über mein Gesicht zu laufen.
Weit entfernt hörte ich meinen Namen, doch ich reagiert nicht. Ich wollte alleine sein, nein eigentlich wollte ich bei Paul sein, einfach nur in seinen Armen liegen und traurig sein, doch er war nicht hier.
Ich starrte auf meine blutigen Hände, die immer wieder durch Tränen verschwammen.
„Tess." Seth kniete sich vor mich, doch ich reagiert nicht. Warum konnte er nicht einfach gehen? Als er mich berührte, schlug ich seine Hand weg. Sein Blick war mitleidig, nicht sauer. Mitleid? Ich brauchte sein Mitglied nicht, ich brauchte meine Schwester ... und Paul.
Er wollte gerade etwas sagen, als hinter ihm aus dem Wald Sams Rudel kam. Sie wollten auch das Ding töten, was Bella getötet hatte, dann kamen sie zu spät, Jake würde es schon getan haben.
Auch die Vampire versammelten sich vor der Tür, um dieses Ding zu beschützen, auch wenn Bella es geliebt hatte, ich konnte es nicht. Ich erhob mich und wand mich ab. Weg von dem Haus, in dem die Leiche meiner Schwester lag und weg von dem Kampf, der gleich ausbrechen würde. Meine Finger bohrten sich in meine Arme, während ich den Weg weg vom Haus lief.
Eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Rudel und den Vampiren überkam mich und ließ der Trauer Raum, die ich wegen Bella empfand.
Sie wurde immer schlimmer, mein Magen fühlte sich leer an, meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen und meine Kehle fühlte sich an, als hätte jemand eine Schnur darum gebunden und würde diese langsam enger ziehen.
Ich wusste nicht, wie lange ich lief. Zuerst lief ich die Straße lang, doch irgendwann musste ich wohl in den Wald gelaufen sein, richtig mitbekommen hatte ich es nicht. Mein Körper wurde immer wieder von Wellen aus Tränen geschüttelt, während sich meine Kehle immer mehr zusammen zog und die Leere in meinem Magen unerträglich wurde.
Ich fühlte mich unendlich einsam.
Irgendwann, vielleicht nach einer halben Stunde, vielleicht nach mehreren Stunden -das Zeitgefühl hatte ich verloren- ließ ich mich auf den Boden sinken und lehnte mich an einem Baum. Wieder betrachtete ich meine Hände, sie klebten inzwischen von dem leicht getrockneten Blut.
Meine Augen brannten, doch Tränen kamen keine mehr. Für einen Augenblick stand ich wieder neben Bella und sah das Blut über meine Hände laufen, erneute Übelkeit. Panisch begann ich die klebrige und zu teilen bereits getrocknete Flüssigkeit von meinen Händen zu bekommen.
Wie zu erwarten gelang es nicht, doch aufhören konnte ich nicht, die Alternative wäre, dass ich über meine Schwester nachdenken müsste.
Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Finger, die eben noch über meine Arme gerieben hatten.
Die Hand war warm und anscheinend bildete ich sie mir ein, denn als ich aufsah, kniete Paul vor mir. Sein Blick war sanft und mitfühlend und unwirklich. Warum sollte er hier sein, er kämpfte gegen die Vampire und tötete das kleine Ding, das Bella auf dem Gewissen hatte.
Dennoch war es tröstlich, die Vorstellung, dass ich nicht alleine war, den einzigen Menschen bei mir hatte, den ich gerade dulden konnte.
Nicht mal meine Familie hätte ich um mich haben können. Ich würde ihre traurigen Gesichter nicht sehen wollen.
Paul oder das Abbild von ihm zog mich zu sich und ich ließ mich gegen ihn fallen. Seine warmen Arme legten sich um mich und ich zweifelte daran, dass ich mir sowas einbilden könnte. Wieder schossen mir Tränen in die Augen und eine ganze Weile, vielleicht so lange wie ich gelaufen war (eine gefühlte Ewigkeit) blieb ich so an ihn gelehnt, in einer merkwürdig verrenkten Haltung, doch ich wollte mich nicht bewegen, hatte Angst, dass er dann wieder verschwand oder klar wurde, dass er nie da gewesen war.
Doch dann lösten sich seine Arme von mir und verzweifelt versuchte ich sie festzuhalten.
Aber sie verschwanden nicht, sie hoben mich hoch und trugen mich, weg von dem großen Baum und irgendwann auch raus aus dem Wald.
Ich lehnte mich an Paul, der doch echt sein musste, während ich versuchte die große Leere in meinem Magen zu unterdrücken.
Dann waren wir in einem Haus ... in Pauls Haus. Er ließ mich langsam runter und ich fühlte mich sofort verloren. Seine Hände legten sich an meine Wangen und ich sah ihn das erste Mal, seit vor hin im Wald wieder richtig an.
Er sagte etwas, doch ich verstand ihn nicht, sah nur, dass seine Lippen sich bewegten.
Ich ließ zu, dass er mir mein Shirt über den Kopf zog und auch die restlichen Klamotten folgten ohne, dass ich mich groß bewegte. Dann führte er mich unter die Dusche. Es dauerte nicht lange, bis das Blut abgewaschen war, die letzten Reste meiner Schwester. Den Gedanken schob ich schnell zur Seite.
Ich schaffte es mich zu überwinden und mir selber die Sachen, die Paul mir gab, überzuziehen. Er brachte mich zu seinem Bett, küsste mich auf den Kopf und sagte wieder irgendetwas. Dann war ich alleine mit mir und der Dunkelheit.

Teresa Swan • Paul LahoteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt