• Twenty-three •

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Tess

Obwohl ich mir mehrere Decken eingepackt hatte und drei Pullis trug, war mir in dem Zelt in den Bergen wahnsinnig kalt.
Der erste Schnee war gefallen, das hieß, die neugeborenen Vampire würden angreifen. Da ich auf Krücken unterwegs war, hatte Jacob mich den ewig langen Weg zu dem Platz, auf dem wir zelteten, getragen. Er würde später von Seth abgelöst werden, so wurden Bella und ich von Edward und einem Wolf beschützt.
Es war bereits dunkel und immer wieder fiel ich in einen kurzen Schlaf, nur um durch die Kälte wieder wach zu werden.
Warum mussten wir nochmal so hoch oben zelten? Ging es Bella gerade auch wie mir? Sie schlief bei Edward. Sie hatte zwar gefragt, ob ich bei ihr im Zelt sein wolle, doch ich lehnte dankend ab, zwischen Bella und ihrem Freund zu liegen, war nicht mein Traumszenario.
Doch so lag ich jetzt alleine auf einer kalten Matratze, ohne die Möglichkeit mich zu wärmen. Den Tee, den ich mitgenommen hatte, war bereits leer und auch die Mütze, die ich trug, half reichlich wenig.
Das einzig gute, was die Kälte brachte, war, dass ich keine Angst hatte, da ich zu sehr mit nicht erfrieren beschäftigt war.
Schließlich gab ich es auf zu schlafen und schaute eine Serie über mein Handy. Danke an mein früheres Ich, das eine Serie heruntergeladen hatte, denn Netz gab es natürlich keins.
Ich konnte nicht genau sagen, wann doch irgendwann gegen morgen, fielen mir die Augen zu. Mein Schlaf war unruhig und ich träumte wirre Dinge. Doch als ich wach wurde, konnte ich mich nur schemenhaft an Fledermäuse in Anzügen erinnern. Draußen hörte ich Vögel zwitschern und durch die Zeltplane konnte ich bereits Licht erkennen. So beschloss ich aufzustehen, auch wenn mir jeder Muskel schmerzte. Camping war noch nie meins gewesen. Zwar war ich gerne in der Natur, doch so nah musste es nun auch nicht sein.
In meinen Schlafklamotten, die aus Jogginghose und dicken Pullis bestanden, verließ ich das Zelt und ließ mich draußen auf einen Campingstuhl fallen, der extra für mich mitgenommen wurde, damit ich mein Bein schonen konnte.
In Bellas Zelt war noch alles ruhig, sie hatte anscheinend besser geschlafen als ich.
Ich musste zugebe, dass ich an diesem Morgen einen der schönsten Sonnenaufgänge beobachtete, die ich je gesehen hatte.
Hinter einigen Bergen war der Horizont in lila, rosa und orange getaucht. Es war ein klarer, wenn auch kalter Morgen, doch so konnte ich bis weit runter ins Tal sehen. Dort waren die Bäume weiß gepudert und wenn ich mich nicht irrte, war weit in der Ferne auch ein See zu sehen.
Plötzlich wurde mir klar, dass irgendwo hunderte Meter von mir entfernt, Paul vielleicht in diesem Moment gegen Vampire kämpfte. Mir stiegen Tränen in die Augen. Ich wusste, dass er nicht alleine war und ganz sicher ist er auch nicht hilflos und dennoch, was, wenn ihm doch etwas zustoßen würde? Was sollte ich ohne ihn machen? Irgendwie kam ich mir lächerlich vor, die erste große Liebe... Trotzdem war Paul etwas Besonderes. Wie ich mich bei ihm fühlte, so sicher und vollkommen und trotzdem so ich selber. Es war schwer in Worte zufasse, es war mehr das Gefühl, was er mir gab.
Ich dachte daran, was wäre, wenn ich das nie wieder haben könnte. Doch als ich merkte, wie schmerzhaft, dieser Gedanke war, drängte ich ihn zur Seite. Sollte ich den ganzen Tag damit verbringen, mir sogen zu machen und an etwas zu denken, dass ich nicht ändern konnte.
Es würde alles gut gehen, die Cullens waren da und die Jungs. Paul war nicht alleine, es würde alles gut gehen.
Ein Knacken hinter mir riss mich aus den Gedanken.
„Hi Seth.", ich lächelte den großen Wolf an. Er nickte mir zu und ich kicherte leicht.
„Geht es ihnen gut?", diesmal nickte er und mir fiel ein kleiner Stein vom Herz.
Seth trat neben mich und gemeinsam schauten wir schweigend ins Tal und der Sonne beim Aufgehen zu.
Eine halbe Stunde später kam Bella aus ihrem Zelt. Sie kam auf uns zu und Edward kam zwischen den Bäumen zu ihr. Er musste schon weit vor mir ausgestanden sein, vielleicht um die Umgebung zu sichern. War das nötig? Waren wir nicht hier, um sicher zu sein. Ich versuchte nicht darüber nachzudenken.
Seth, der sich neben mich gelegt hatte, erhob sich und verschwand. Vielleicht wollte er uns Privatsphäre lassen.
Mit halbem Ohr hörte ich Edwards und Bellas Gespräch mit. Ich versuchte freundlicherweise wegzuhören, doch das gelang nur so lange, bis Edward fallenließ, dass Bella zu einem Heiratsantrag ja gesagt hatte. Meine Augen wurde groß und mein Kopf schoss zu ihnen herum.
Bella sah zu mir und sie lächelte verlegen.
Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, stand Jake neben mir.
„Du willst ihn heiraten, Bella?" Jake, anders als gedacht, war er wohl doch noch nicht weg gewesen.
Ich erspare mal das folgende Drama. Zumindest die Details.
Jake hatte offensichtlich, genau wie ich von Hochzeitsplänen keinen Plan gehabt und Edward hatte absichtlich darüber gesprochen, als er in der Nähe war.
Erst jetzt wurde mir wirklich bewusste, was er für Bella empfand, beziehungsweise wie viel. Dass er es mehr als nur als Freundin mochte, war mir schon lange klar gewesen. Doch ich konnte in seinen Augen erkennen, wie es ihn quälte.
Bella war ihm nachgegangen, als er wegging. Ich machte mich in meinem Sitz so klein wie möglich. So unwohl hatte ich mich selten gefühlt, als würden sich die Eltern deines Freundes streiten, während man zu Besuch war.
Ich wusste, wie wichtig Bella Jake war, auch wenn nicht auf einer Ebene, wie er es gerne gehabt hätte.
Als Jake und Bella weg waren, sah ich kurz zu Edward, der ein wenig Reue im Blick hatte.
Ich verkniff mir einen Kommentar, es war nichts worüber ich urteilen sollte. Es war schwierig und ich konnte irgendwie alle Seiten nachvollziehen.
„Wann hast du sie gefragt?" Er sah mich etwas überrascht an. Vielleicht hatte er doch mit Kritik gerechnet.
„Vor ein paar Tagen."
„Glückwunsch. Auch wenn Charlie vorerst vielleicht nichts davon wissen sollte." Edward lächelte und trat zu mir.
„Keine Worte darüber, dass ich es nicht hätte tun sollen?" Ich hob die Schultern.
„Weißt du, es ist nicht meine Sache und ich sollte dich auch nicht dafür kritisieren. Auch wenn es vielleicht nicht strategisch klug war." Edwards Mundwinkel hoben sich leicht.
„Ich werde ihr nachgehen, Jacob hat sich vielleicht nicht unter Kontrolle." ich nickte, es war vielleicht besser. Von Paul wusste ich, dass alle Wölfe in starken emotionalen Momenten immer noch ab und an zum Verwandeln tendierten.
Und so saß ich kurz darauf alleine, doch nicht lange. Bella und Edward kamen zusammen mit Seth wieder.
„Es geht los.", sofort stand mein Körper unter Strom. Der Kampf hatte begonnen. Die nächsten Minuten stieg die Spannung. Edward las Seth Gedanken, der mit den Wölfen im Tal verbunden war. Immer wieder gab er mir und Bella kleine Updates, dass alles soweit gut war und es alles ohne Probleme lief. Doch plötzlich spannte er sich an.
„Victoria ist in der Nähe. Ich kann ihre Gedanken hören." Ich sah erschrocken zu Seth. Eigentlich war er hier bei uns, damit er nicht kämpfen musste. Bella stellte sich dicht an Edward und ich verfluchte in weiteres Mal mein noch unbewegliches Bein. Auch wenn ich gegen einen Vampir wahrscheinlich selbst mit gesundem Bein nichts entgegenzusetzen hatte.
„Seth! Geh!" Edward sah zu dem Wolf, der auf seinen Befehl verschwand.
Dann trat zwischen den Bäumen hinter den Zelten der Vampir hervor. Es war nicht Victoria, es war der Vampir, der mich in meinen Träumen immer noch ab und an verfolgte.
Kurz nach dem Unfall hatte ich ihn immer wieder gesehen. Weder Paul noch Bella hatte ich davon erzählt, ich wollte, nicht dass sie sich Sorgen machten. Nach ein paar Tagen war es besser geworden, vor allem in Pauls Nähe hatte ich weniger Angst.
Doch plötzlich kam die Panik wieder. Ich sah mich selber wieder im Auto und vor mir die roten Augen. Ich konnte fast spüren, wie ich auf das Lenkrad prallte, immer wieder diese roten Augen und das Gesicht, das mir nun wieder so nah war.
Ich versuchte mein Atem zu beruhigen, doch die Angst ließ mich nicht los. Riley hieß er, glaube ich, grinste mich an. Er wusste, was er mir mit seiner bloßen Anwesenheit antat. Ich konnte es in seinen Augen sehen, dass es ihn freute. Mein Blick klebte an ihm, immer wieder sah ich die dunkle Straße und dann wieder ihn, wie er nur wenige Meter vor mir im Schnee stand.
Weit entfernt hörte ich sie diskutieren. Edward sprach mit ihm und mit Victoria, die soeben auch aufgetaucht war, doch ich konnte meine Augen nicht von dem Mann lösen.
„Ich werde zuerst sie töten und dann bist du dran.", er sah zu Edward und dann zu mir. Ich starrte ihnen an und wartete darauf, dass ich sterben würde. Doch bevor Riley mich erreichte, war Seth wieder da. Er riss ihn zu Boden und beide kämpften.
Alles ging wahnsinnig schnell und hilflos sah ich dem Kampf zu.
Victoria wollte verschwinden, doch Edward provozierte sie. Er wollte es zu Ende bringen. Sie ließ sich darauf ein und jetzt kämpfe Edward mit ihr. Bella half mir auf und gemeinsam liefen wir weg. Zumindest so weit, dass Edward und Seth Platz hatten zu kämpfen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie uns verletzten.
Als wir weit genug weg waren, drehten wir uns um und plötzlich sah es gar nicht mehr so gut für uns aus.
Riley hatte Seth erwischt und jetzt waren beide Vampire dran Edward zu töten. Wie versteinert sah ich zu. Ich fühlte mich so unendlich hilflos und so winzig wie noch nie.
Doch Bella schien nicht so erstarrt wie ich, sie griff sich einen Stein und schnitt sich den Arm auf.
Das lenkte Victoria und Riley ab und so konnten Edward und Seth gewinnen.
Seth schleppte Riley hinter ein paar Bäume, um ihn zu erledigen.
„Gib mir die Küken", murmelte ich. Edward gab sie mir und wand sich dann zu seiner Freundin. Sie sprachen, doch ich achtete nicht auf sie.
Mein Herz raste immer noch, auch wenn ich wusste, dass es vorbei war. Doch ich wusste, wenn ich nicht für immer auf dieser dunklen Straße gefangen sein wollte, musste ich Seth hinterher.
Langsam humpelte ich dort hin, wo Seth verschwunden war.
Der Wolf stand mit dem Rücken zu mir, drehte sich jedoch um als ich hinter ihm stand. Doch mein Blick galt nicht ihm. Ich starrte den leblosen Körper auf dem Boden an.
Genugtuung erfüllte mich. Auch wenn ich mich dafür schämte, jemanden den Tod zu wünschen war nie nett, doch er verkörperte für mich das pure Grauen. Diese roten Augen, seine Augen, die ich immer wieder in ruhigen Momenten gesehen hatte und vor denen ich Angst hatte. Es war Erleichterung, sie nun leblos zu sehen. Ich betrachtete Riley eine ganze Zeit lang.
Wie konnte jemand nur so böse werden, so gewissenlos? Ich spürte, wie meine Angst weniger wurde und sich Ruhe in mir ausbreitet.
„Es ist vorbei", dachte ich. Schließlich sah ich zu Seth, der mich anschaute.
„Danke.", ich meinte es ehrlich. Er hatte mir vorhin das Leben gerettet und mir jetzt auch noch Frieden geschenkt, in dem er Riley getötet hatte.
„Ist der Kampf vorbei?" Seth nickte, was in Wolfsform etwas lustig aus sah.
„Geht es allen gut?", wieder nickte er, auch wenn nicht so überzeugend wie beim ersten Mal.
„Kannst du mich wieder nach unten bringen? Ich komme sonst nie wieder von diesem Berg runter." Ich lächelte, auch wenn mir nicht danach zumute war.
Seth legte sich hin, damit ich auf seinen Rücken kam.
Der Weg ins Tal und zurück zum Reservat dauerte eine halbe Stunde. Wäre Seth ohne mich unterwegs, wäre es sicherlich nur ein paar Minuten, doch er war sehr umsichtig. Ich spürte, dass er vorsichtiger sprang und nicht so schnell lief, damit ich mich gut festhalten konnte.
Den ersten Schrei hörte ich gut hundert Meter entfernt vom Haus der Blacks, zu dem Seth mich brachte. Ich krallte mich sofort in das Fell des Wolfes, auf dem ich saß. Es war also doch jemand verletzt worden.
Lebten alle? Mein Herz begann schneller zu schlagen und ich konnte die letzten Meter kaum noch aushalten.
Wir kamen auf eine kleine Gruppe zu. Ich scannte alle Menschen davor.
Sam stand neben dem Haus, angelehnten die Fassade, standen Embry, Quil und Jared. Leah stand neben Emily und Billy. Paul stand auf und kam auf mich und Seth zu.
Jacob. Mein Blick glitt zum Haus, aus dem wieder ein Schrei ertönte. Es musste Jacob sein.
Paul hob mich mehr oder weniger von Seth herunter und ich lehnte mich an ihn.
Einen winzigen Moment konnte ich alles Erlebte ausblenden und nur die Wärme und seine Arme um mich genießen. Doch der nächste Schrei ließ mich zusammenzucken.
„Was ist passiert?" Paul erzählte mir, dass Jake Leah mehr oder weniger gerettet hatte.
Seth trat neben uns und sah, wie wir zum Haus.
„Danke nochmal.", ich versuchte ihn anzulächeln. Doch er wank ab.
„Ach kein Problem." Doch auch Paul legte kurz eine Hand auf seine Schulter und sagte: „Danke man.", es war nur eine kleine Geste, doch ich sah in Pauls Augen, die Dankbarkeit. Seth lächelte und ich sah einen roten Schimmer auf seiner Wange.
„War selbstverständlich."

Teresa Swan • Paul LahoteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt