• Eight •

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Tess

Ich blieb nahe der Tür stehen und lehnte mich an die Wand. Emily bot mir zwar einen Platz an, aber ich wollte mich nicht zu ihnen setzen. Mein Puls war inzwischen zwar wieder etwas heruntergekommen und auch meine Angst war abgeklungen, doch ich fühlte mich immer noch nicht sicher. Jared, der Bella hergebracht hatte und Embry alberten herum und Bella schien sich sogar zu amüsieren. Sie schien es gar nicht zu stören, was gerade passiert war, zumindest schien sie keine Angst zu haben.
Ich verschränkte die Arme, während ich die beiden Jungs beobachtete, die anfingen Muffins zu essen. Bella saß bei ihnen und auch sie nahm sich einen.
„Nimm dir gerne." Emily lächelte warmherzig. Ob sie sich auch in einen Wolf verwandeln konnte? Auf jeden Fall war sie einem begegnet. Ihr Gesicht zierten drei Narben, die eindeutig Krallenspuren waren. Ich biss die Zähne zusammen, also waren sie gefährlich. In meinem Kopf spielten sich Szenarien ab, wie es passiert war.
Ich schüttelte den Kopf und bohrte meine Nägel in meine Oberarme.
Immer wieder spürte ich die flüchtigen Blicke von Embry und Jared, die anscheinend davon ausgingen, dass gleich zusammen brach oder sonst irgendwas Seltsames tat.
Draußen höre ich Gelächter. Jake, Paul und der andere, der mit bei der kleinen Gruppe gewesen war, kamen ins Haus. Alle drei sahen mich mit demselben Blick an, wie bereits Jared und Embry. Ich merkte, dass meine Angst fast ganz verflogen war, stattdessen fühlte ich Wut. Eigentlich war ich selten wütend, aber ich fühlte mich dumm und verraten. Denn anscheinend wussten alle was los was, inklusive Bella. Sie schien nicht wirklich überrascht über all das hier und da war auch noch das, was Embry gesagt hatte „Dass es bei Bella vorherzusehen war."
Als sie Jake zu lächelte, reichte es mir. Ich fühlte mich von ihr verraten und das stach tief in mein Herz.
Ich stieß mich von der Wand ab und floh nach draußen. Das Gefühl der Wut mochte ich nicht und eigentlich wollte ich es auch nicht herauslassen, da mir bewusst war, dass ich nicht klar denken konnte.
Doch Bella kam mir nach: „Tess, bleib stehen, es ist alles gut, sie tun dir nichts." Sie sprach mit mir, als wäre ich ein Kleinkind. Vor allem war das schon längst nicht mehr mein Problem, zu meiner Überraschung fühlte ich mich sogar einigermaßen sicher.
„Lass das!", zischte ich und drehte mich zu ihr. Sie schien überrascht über meinen Ton.
„Was?" Hinter Bella kamen die Jungs aus dem Haus.
„Sprich nicht so mit mir, vor allem, da du anscheinend genau weißt, was hier läuft." Ich fühlte mich vor dem kleinen Publikum unwohl, doch die Wut war größer.
„Ich weiß genau so viel wie du." Sie schaute mir jedoch, als sie das sagte, nicht in die Augen.
„Oh Bitte, Bella. Schau mir ins Gesicht und sag, dass du rein gar nichts dazu weißt." Sie schwieg, sah weg und fühlte sich nun sichtlich unwohl.
Wenn es möglich war, fühlte ich mich noch dümmer.
„Ich hätte nie herkommen sollen."
„Was, warum?" Jetzt sah meine Schwester wieder auf.
„Warum? Weil du mich anlügst und mir Sachen verschweigst. Erst versinkst du in Depressionen, dann steigst du zu fremden aufs Motorrad ohne Erklärung, dann baust du solche Dinger auch noch zusammen und dann das hier. Und bei allem erwartest du auch noch, dass ich es ohne Erklärung hinnehme."
Ich versuchte meine Stimme zu regulieren, doch es gelang mir nicht. Ich spürte bereits, dass ich kurz vom Heulen stand, doch ich schaffte es, die Tränen zurückzuhalten.
Bella wurde rot und sah wieder auf dem Boden. Sie schwieg jedoch. Das reichte, nach allem, was heute passiert war, hielt sie es immer noch nicht für nötig, es zu erklären.
„Fick dich!", flüsterte ich. Ihr Kopf schoss wieder nach oben.
„Was?"
„Ich sagte: Fick dich." Diesmal sagte ich es lauter und sie sah sprachlos an. Ich wusste, dass sie mich so noch nie gesehen hatte. Ihr gegenüber war ich nie wütend gewesen, aber sie hatte mir auch noch nie etwas verschwiegen.
„Tess!" Jake stand nun hinter Bella. Doch ich war auch auf ihn wütend, auf ihn und auf alle die, die auf der Veranda hinter ihm standen, selbst auf Emily, die mir nichts getan hatte.
Kurz musterte ich Jake, doch ich merkte, dass wenn ich weiter stehen blieb, meine Tränen fließen würden und ich wollte nicht vor allen anfangen zu weinen, also drehte ich mich um und lief den Weg, den ich vorhin mit Embry gekommen war, zurück. Ich hoffte, dass mir keiner folgte.
Der Weg fühlte sich jetzt viel länger an und wie ich vermutet hatte, flossen die erste Träne als ich außer Sichtweite des Hauses war.
Immer noch versuchte ich es zu unterdrücken, doch immer wieder wurde ich von einem Schluchzer geschüttelt. Ich hasste es, ich hatte mir immer gewünscht mehr wie Bella zu sein, sie weinte selten, fast nie und sie hatte ihre Gefühle meistens unter Kontrolle.
Weit entfernt donnerte es, später würde es regnen. Als ich im Auto saß, konnte ich mich nicht mehr kontrollieren und die Tränen rollten über mein Gesicht.
Ich fuhr trotz, dass meine Sicht immer wieder verschleierte, los. Sonst war ich vernünftiger und, wäre vielleicht nicht losgefahren, doch ich wollte so schnell wie möglich weg.
Eigentlich wollte ich nach Hause, doch als ich bei der kleinen Straße ankam, die zu Quil führte, bog ich ab.
Ich wollte einerseits Dad nicht begegnen und ihm erklären müssen, warum ich heulte, andererseits wäre später Bella zu Hause und ich wollte sie noch weniger sehen.
Auf mein Klopfen öffnete glücklicherweise Quil. Erst als die Tür aufging, machte ich mir Gedanken darüber, was wohl seine Eltern gedacht hätte, hätte ich so vor ihnen gestanden.
„Tess, was machst du ...?" er brach ab, als er mein Tränenüberströmtes Gesicht sah.
Er trat zu Seite und ich ging an ihm vorbei in das kleine gemütliche Haus.
„Was ist passiert?" Sein Blick glitt über mich, wahrscheinlich hatte er Angst, dass ich verletzt war.
Als Antwort schüttelte ich jedoch nur den Kopf. Ich wollte nicht darüber sprechen, noch nicht, zumal, was hätte ich sagen sollen?
Er reichte mir ein Tuch und ich trocknete mein Gesicht. Ich fühlte mich etwas besser, Quil hatte eine beruhigende Art.
„Kann ich bei dir schlafen?" kurz herrschte Stille, dann fügte ich hinzu „und vielleicht duschen?" Irgendwie fühlte ich mich danach, zwar hatte ich gestern Abend geduscht, aber nach dem ganzen Stress würde es vielleicht helfen.
„Klar.", er schien zwar etwas überrascht über die Fragen, dennoch gab er mir ein Handtuch und ließ mich dann im Bad alleine.
Bevor ich unter die Dusche stieg, schrieb ich meinem Dad, dass ich bei Quil schlafen würde. Ich erfand, irgendeinen Film der heute spät im Fernsehen laufen würde und, dass es dann zu spät sein würde um noch nach Hause zu fahren.
Es tat wirklich gut, das Wasser wusch die letzte Wut weg und ich hatte das Gefühl, wieder her über meine Gedanken zu sein. Als ich meine Haare in das Handtuch wickelte und mir meine Klamotten wieder überzog, fühlte ich mich müde und fertig, so wie man sich nach einem lagen Tag und vielen Tränen eben fühlte, obwohl es noch gar nicht so spät war. Im Gegenteil, es war sogar relativ früh, dennoch wirkte der Tag bereits länger als alle Tag der letzten Wochen.
Quil saß in seinem Zimmer und zockte. Ich setzte mich auf sein Bett und seufzte.
„Also?", er pausiert und drehte sich auf seinem Stuhl zu mir.
„Seit wann reden wir über Gefühle?", wich ich aus. Quil und ich hatten zwar in letzter Zeit, viel zusammen unternommen, aber über Gefühle, Wünsche oder ähnliches hatten wir nie gesprochen. Mir fiel auf, dass ich tatsächlich sogar wenig über Quil wusste.
„Seit du verheult vor meiner Tür standest.", er schmunzelte und ich lächelte auch etwas.
„So würde ich das nicht nennen."
„Ach echt, wie denn dann?" er lachte.
„Vielleicht habe ich ein paar Tränen in den Augen.", ich grinste über die kleine Untertreibung und auch er schmunzelte.
„Ich habe mich mit Bella gestritten", sagte ich nach ein paar Sekunden der Ruhe.
„Ist das nicht normal? Ich meine, streitet man nicht oft mit seinen Geschwistern?" Ich schüttelte den Kopf.
„Andere vielleicht, Bella und ich nie, bis jetzt. Sie hat sich verändert. Ich meine, seit ich hier bin, hat sie Geheimnisse. Sie tickt ganz anders als früher."
„Ihr seit beide älter geworden." Ich warf Quil ein Kissen, das auf seinem Bett lag, an den Kopf.
„Wusste gar nicht, dass du so therapeutisch sein kannst." Quil grinste. Doch schnell wurden wir beide wieder ernst.
„Ich mein ja nur, du und Bella habt eine lange Zeit getrennt gelebt, du bist bestimmt auch anders als früher."
„Ich bin nur sauer, dass sie denkt, dass sie mir nicht vertrauen kann oder dass ich die Wahrheit nicht aushalte."
Ich war froh, dass Quil es erstmal dabei beließ und ich nicht in die Verlegenheit kam, das heutige Geschehen zu erklären. Quil machte einen Film an und als er sich zu mir setzte, fiel mir etwas ein.
„Du verwandeltest dich nicht in eine Wolf, oder?" Quil sah mich seltsam an, als wäre ich nicht ganz dicht.
„Nicht, dass ich wüsste." Ich war tatsächlich beruhigt und froh über seien Antwort.

Teresa Swan • Paul LahoteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt