20 - Theodore

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Kalte Luft strömt durch das offene Fenster in mein Zimmer. Ich fröstele, aber es geht nicht anders. Soll ja schließlich keiner mitbekommen, dass ich verbotenerweise hier drinnen rauche. Am allerwenigsten mein Vater. Vielleicht hätte ich sicherheitshalber meine Tür abschließen sollen. Theoretisch könnte er jeden Augenblick reinplatzen, doch die Wahrscheinlichkeit, dass er es täte, ist schwindend gering.

Seitdem ich neulich spätabends abgehauen bin, redet er nur noch mit mir, wenn es unbedingt notwendig ist. Als wäre ich Derjenige, der sich daneben benommen hat. Selbstverständlich fällt es ihm nicht ein, sich bei mir zu entschuldigen. Für mich bedeutet das eigentlich nur, dass mein Dad hinter seinen Worten steht und sie vollkommen ernst gemeint hat. Das macht die Gesamtsituation umso schlimmer.

Ich atme einen Mund voll Qualm aus und denke an Hailey, die Blauhaarige von der Bushaltestelle. Noch am selben Abend hat sie mir ihre Handynummer gegeben, mit dem Kommentar, ich solle mich doch gerne melden, falls ich etwas bräuchte. Auf dieses Angebot bin ich gestern nach der Nachhilfe zurückgekommen, obwohl ich das ursprünglich nicht vorhatte.

Mir ist jedoch klar geworden, dass Hailey die ideale Connection ist, um an Kippen und Gras ranzukommen – kostenlos, wohlgemerkt. Nachdem sie bei unserer ersten Begegnung kein Geheimnis daraus gemacht hat, dass sie scharf auf mich ist, habe ich ihren Avancen gestern nachgegeben. Besonders geil war's nicht, aber das spielt in meinen Augen nur eine untergeordnete Rolle. Die Hauptsache ist, dass ich als Gegenleistung meinen Stoff bekommen habe.

Ich finde, die Sache hat sich gelohnt, auch wenn ich mir zwischenzeitlich so vorkam, als hätte ich mich prostituiert. Dieses Gefühl habe ich aber schnell wieder überwunden. Abgesehen davon wäre ich ohne meine speziellen Beruhigungsmittel wohl aufgeschmissen, denn ich bin heute in der Schule unfreiwillig Zeuge von etwas geworden, das mich ziemlich mitgenommen hat.

Als ich in der Pause kurz aufs Klo gegangen bin, habe ich schon beim Reinkommen eindeutige Geräusche aus einer der Kabinen gehört. An sich wäre das nicht schlimm gewesen, aber leider war eine der Personen, die sich da drinnen vergnügt haben, niemand Geringeres als Elsie, meine Ex-Freundin. Sie und ihr neustes Spielzeug, ein reicher Loser namens Marcus, haben es nicht einmal für nötig gehalten, die Kabinentür zu schließen.

Ich würde Geld darauf wetten, dass sie mit ihm das gleiche falsche Spiel spielt wie mit mir. Allerdings ist dieser Marcus nach meiner Einschätzung dumm genug, um es niemals zu durchschauen. Wahrscheinlich hat sie sich ihn genau deswegen ausgesucht. Obwohl ich immer noch ungeheuer wütend auf Elsie bin und ihr diese Sache definitiv nicht verzeihen werde, hat es mir dennoch wehgetan, sie zusammen mit diesem Vollidioten zu sehen.

Tatsächlich war ich nach dieser Begegnung so fertig, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, mich erneut mit Hailey zu treffen, um bei ihr etwas Druck abzulassen. Letztendlich habe ich mich jedoch dagegen entschieden, weil ich nicht möchte, dass sie sich falsche Hoffnungen macht. Das wäre ihr gegenüber nicht fair. Es reicht schon, dass ich sie als Kippen-und Graslieferantin benutze. Sie soll nicht auch noch als mein Trostpflaster herhalten.

Unten im Erdgeschoss brüllt mein Vater meinen Namen. Zunächst ignoriere ich ihn, doch als er mich ein zweites Mal ruft, drücke ich die Zigarette im Blumenkasten vor meinem Fenster aus. Dort bewahre ich auch meinen restlichen Vorrat auf, weil ich genau weiß, dass dieses Versteck niemals jemand entdecken wird. Gemächlich verlasse ich mein Wohnzimmer und schlendere die Treppe runter ins Erdgeschoss.

Mein Dad steht breitbeinig mitten in der Eingangshalle, die Hände in die Hüften gestemmt, flankiert von zwei gepackten Koffern. „Da bist du ja endlich!", sagt er gereizt und schaut auf seine Uhr. „Ich habe dir noch etwas mitzuteilen, bevor mein Taxi kommt."

„Ach ja?", frage ich misstrauisch und beäuge seine Koffer, die so aussehen, als hätte er sie für mehrere Tage gepackt. Womöglich nimmt er an einem längeren Seminar im Ausland teil. Elternsein für Anfänger oder so etwas. Könnte ihm jedenfalls nicht schaden.

3 sind 2 zu vielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt