8 - Theodore

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Ich hebe den Kopf und blinzle gen Himmel. Zwischen dicken, weißen Wolken entdecke ich tatsächlich stellenweise etwas Blau. Gerade lässt sich sogar kurz die Sonne blicken und sendet ihre wärmenden Strahlen auf die Erde. Endlich habe ich mal Glück mit dem Wetter. Bisher hat es immer geregnet oder gestürmt, wenn ich zu Fuß nach Hause gegangen bin.

Heute ist es erstmals trocken und zumindest ansatzweise sonnig. Ich spüre einen ziehenden Muskelkater in meinen Beinen, weil ich es nicht gewohnt bin, jeden Tag so weit zu laufen. Körperliche Betätigung ist eigentlich etwas, das ich bisher so gut es ging vermieden habe. Aktuell bleibt mir jedoch nichts anderes übrig, denn aus irgendeinem Grund bringe ich es nicht mehr fertig, in den Bus einzusteigen.

Erst dachte ich, es läge an den ekelhaften Gerüchen, die an den Sitzpolstern haften wie ein zäher Kaugummi. Doch inzwischen ist es so, dass ich bereits bei der bloßen Vorstellung, mit dem Bus zu fahren, eine Gänsehaut bekomme. Keine Ahnung, was das soll. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wieso ich nach all den Jahren plötzlich ein Problem damit habe.

Hoffentlich erledigt sich diese Sache bald von selbst. Bis es soweit ist, gehe ich eben weiterhin zu Fuß und tue nebenbei etwas für meine Gesundheit. Bewegung und frische Luft haben schließlich noch niemandem geschadet. Mein Sportlehrer, Mr. Vince, würde mir da vorbehaltlos zustimmen, so viel ist sicher.

Um mir die Zeit zu vertreiben, höre ich mir eine Sprachnachricht von Adrien an, in der er sich minutenlang darüber aufregt, wie unnötig unsere gestrige Nachhilfestunde war. Im Grunde hat er Recht, aber ich persönlich fand es auch ein bisschen lustig. Grace scheint wirklich geglaubt zu haben, wir beide zusammen hätten einen IQ von Sechzig. Ihr entsetztes Gesicht, als sie unsere fertigen Aufgaben gesehen hat, war einfach zu geil.

Eventuell hatte es auch etwas mit dem netten kleinen Spruch zu tun, den Adrien auf sein Blatt geschmiert hat. In diesem Moment hat sie mir fast ein wenig leidgetan. Mein Kumpel macht absolut kein Geheimnis daraus, wenn er jemanden nicht mag. Für Diejenigen, die Opfer seiner Antipathie werden, kann das bisweilen etwas schmerzhaft sein.

Schmunzelnd schreibe ich ihm, dass er sich lieber schnell abregen sollte, sonst bekommt er noch frühzeitig Falten. So eitel wie er ist, dürfte ihm das wohl kaum gefallen. Sekunden später vermeldet mein Handy den Empfang einer neuen Nachricht, doch sie ist nicht von Adrien. Als ich sehe, wer mir geschrieben hat, verspüre ich plötzlich das dringende Bedürfnis, mein Handy auf der Stelle mit einem Vorschlaghammer zu zertrümmern.

Elsie, meine Ex-Freundin, ist bislang der einzige Mensch auf der Welt, der es schafft, solche aggressiven Gefühle in mir wachzurütteln. Vor ein paar Monaten habe ich mich von ihr getrennt, nachdem ich herausgefunden habe, was sie hinter meinem Rücken für ein perverses Spiel mit mir gespielt hat. Dass dieses verlogene Biest es überhaupt wagt, mich zu kontaktieren.

Lil Bitch (15:01 Uhr): Hey, können wir bitte nochmal reden? Mir tut es wirklich leid, was ich getan habe :(

Ich weiß nicht, ob ich lachen, weinen oder einfach ausrasten soll. Wie kann ein Mensch so verdammt dreist sein? Erst verarscht sie mich von vorne bis hinten und jetzt kommt sie wieder angekrochen, um mir so etwas wie Reue vorzuheucheln? Glaubt sie im Ernst, dass ich darauf reinfalle? Dann ist sie noch viel bescheuerter, als ich dachte.

Theodore (15:03 Uhr): Am Arsch tut es dir leid. Lass mich gefälligst in Ruhe, sonst vergesse ich, dass du ein Mädchen bist!

Am liebsten würde ich noch dazu schreiben, dass sie sich bitte im River Avon versenken und nie wieder auftauchen soll, aber ich glaube, das wäre etwas zu hart. Stattdessen blockiere ich Elsie einfach, damit sie mich nicht weiter belästigen kann. Das hätte ich schon längst tun sollen. Wie schön, dass sie mich endlich dazu gebracht hat, diesen letzten, entscheidenden Schritt zu gehen.

3 sind 2 zu vielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt