P.O.V. Peter
Schon lange waren David und ich befreundet. Gut befreundet. Doch seit einiger Zeit fühlte ich für David mehr. Mehr als ich eigentlich sollte. Eingestehen, dass ich mich in einen meiner besten Freunde verliebt hatte und nichts dagegen tun konnte, wollte ich nicht. Ich konnte es auch nicht. Ich war immer davon ausgegangen, nicht schwul zu sein. Naja, anscheinend war ich es doch. Aber wieso genau in meinen besten Freund? Das stand in den Sternen. Den Mut ihm es zu sagen hatte ich noch nicht. Die Freundschaft zwischen uns zu zerstören wäre das schlimmste, was ich machen könnte. Deswegen lieber nicht. Jedoch zog mich dieser Drang mit ihm reden zu müssen so weit runter, dass ich stetig schlechte Laune hatte. Keine schlechte Laune in dem Sinne, sondern schlichte Motivationslosigkeit für alles und jeden. Und das seit guten zwei bis drei Wochen. Da ich in der Zeit viel zu Hause war, war meinem Bruder meine Laune sicher nicht entgangen. Allerdings sprach er mich nicht darauf an. Dankbar war ich ihm in jedem Fall, auch wenn er die perfekte Person zum ausheulen gewesen wäre. Auf diesen Moment sollte ich dennoch nicht mehr lange warten müssen.Nach dem Frühstück verschwand ich in mein Zimmer. Wie jeden Tag. Unsere Eltern waren Arbeiten und nun saß mein Bruder, dessen besorgten und planlosen Blick ich in meinem Rücken spürte, alleine am Tisch. In meinem Zimmer stellte ich mich an mein Fenster und schaute hinaus. Meine Lieblingsbeschäftigung zur Zeit. Ich wusste nicht wie lang, aber eine Zeit stand ich einfach nur da und starrte in die Ferne, bis ich irgendwann eine hand auf meinem Rücken spürte. Kurz zuckte ich zusammen, schaute dann aber neben mich. Mein vier Jahre jüngerer Bruder stand neben mir und schaute mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte an. „Was ist los?" Die sanfte Stimme meines Bruders drang zu meinen Ohren. Als ich nicht antwortete, redete er mit der gleichen sanften Stimme weiter. „Ich merk doch, dass mit meinem großen Bruder etwas nicht stimmt. Vor allem wenn er seit geschlagenen drei Wochen so dreinschaut wie sieben Tage Regenwetter. Peter, red bitte was los ist. Ich mach mir langsam echt Sorgen." Ein seufzer verließ meinen Mund. Vielleicht war es wirklich an der Zeit darüber zu reden, nachdem ich Versuche immer wieder abgeblockt hatte. „Es - Es ist wegen David..." ich sortierte mir die Wörter, wie sie meinen Mund verlassen sollten und Felix wartete geduldig. „Wir sind ja schon länger Freunde. Gute Freunde. Jetzt fühl ich halt mehr für ihn und weiß nicht, wie ich es ihm beibringen soll, ohne dass unsere Freundschaft daran zerbricht. Weil Schwul ist er wahrscheinlich eh nicht." Niedergeschlagen schaue ich auf den Boden. „Hey, du kannst erst feststellen, ob er Schwul ist, wenn du mit ihm darüber redest." - „Aber normal erzählen wir uns immer sofort alles. Und davon hat er mir nichts erzählt." - „Vielleicht hat er es auch erst in den letzten Wochen gemerkt und dir deswegen noch nichts davon erzählt. So wie du. Du kannst es erst richtig heraus finden wenn du mit ihm redest, Peter und wenn er anderst fühlt, findet man schon einen Weg." Das ließ ich mir durch den Kopf gehen. Er hatte ja schon recht. Aber wann sollte ich es ihm sagen? Am besten beim nächsten Training das ist eh schon nächste Woche. Trotzdem zuckte ich erstmal nur mit den Schultern. Einerseits musste ich mir noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen. Andererseits konnte ich davon ausgehen, dass mein Bruder wusste, wovon er sprach, denn er war nämlich ebenfalls schwul und schon seit längerer Zeit mit Lu Haagen, Davids kleinem Bruder, zusammen. Wie die beiden aneinander geraten waren, war allen Beteiligten immer noch ein Rätsel. Jedoch waren sie glücklich zusammen und kamen gut zurecht. „Du hast schon recht. Vielleicht sag ich es ihm nächste Woche beim Training. Aber ist das nicht komisch, wenn ich mit David zusammen bin und du mit Lu?" - „Hä nein wieso? Ist doch nicht schlimm. Man kann ja nichts dagegen machen, wenn die Gefühle halt die Person aussuchen. Und du sagst es ihm nicht „vielleicht" sondern ganz sicher. Sonst wird das noch länger nichts. Außerdem, Lu und seine Familie wollen übermorgen vorbei kommen, damit seine Eltern euch auch endlich mal kennenlernen. Da kannst du die Chance gleich nutzen." Nach dem letzten Satz zwinkerte er mir noch zu und ging dann wieder. Völlig überrumpelt stand ich nun da. Wie sie wollten übermorgen kommen? Wieso wusste ich das noch nicht? Ach, egal. Dann halt früher.