David Haagen x Marco Wörgötter

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P.O.V. Marco
Mit Kopfhörern in den Ohren und im Bett liegend, schaute ich aus dem Fenster. Seit David die Schule mit der Matura abgeschlossen hatte und demnach nicht mehr in Stams war, sah ich ihn überhaupt nicht mehr. Das letzte Mal war es im Dezember. Jetzt hatten wir April. Aber wie sollte das auch funktionieren? Er war hauptsächlich im Continental Cup und im Fis Cup unterwegs,ich nur im Alpen Cup. Unter der Woche hatte ich Schule, war in Stams, wo ich für die Matura lernte und er war zu Hause in der Steiermark. Wir telefonierten zwar viel und schrieben jeden Tag miteinander, jedoch hatte ich auch nicht mehr so viel Zeit zum telefonieren und so war auch das schon einige Zeit her. Ich vermisste David. Ihn als Person. Seine Nähe, seine sanfte und tiefe Stimme. Sein Lächeln, seine Umarmungen und ganz besonders einen Kuss von ihm. Das alles war schon so lange her, dass ich es das letzte Mal gesehen oder gespürt hatte. Ich hatte noch eine Woche, bis die Prüfungen anfingen und dann war ich fertig mit der Schule und hatte mehr Zeit für David. Ich wurde von André aus meinen Gedanken gerissen, der mich zum Essen holte. Unmotiviert stand ich auf und folgte meinem Zimmerkollegen. Vielleicht war es besser mit zu gehen. So konnte ich gegebenenfalls auf andere Gedanken kommen. Viel bekam ich allerdings nicht hinunter. Obwohl ich schon nach einem Bissen nicht mehr konnte, quälte ich mich dazu, wenigstens den halben Teller zu essen, um nicht zu auffällig zu sein. Während die anderen gelassen miteinander redeten und ihr Essen aßen, hielt ich mich zurück. Mein Plan, dass ich vielleicht auf andere Gedanken kommen würde, ging nicht so auf, wie ich eigentlich gewollt hatte. Ich wollte nicht zu auffällig sein und so versuchte ich ab und zu zuzuhören und anwesend zu sein. Als alle fertig waren, holten wir alle unsere Schulsachen und lernten noch etwas. Ich konzentrierte mich dabei voll auf Mathe, da ich davor am meisten Angst hatte. Während dem Lernen konnte ich mich recht gut ablenken und so funktionierte das alles recht gut. Ich kam mit dem Stoff voran und musste nicht an David denken. Um 21:30 Uhr machte ich mich mit André und Jonas wieder auf den Weg in unser Zimmer. Dort machte ich mich bettfertig und um 22 Uhr war das Licht aus. So wie ich meine beiden Freunde kannte, schliefen sie wahrscheinlich eh in den ersten 2 Minuten ein. Ich behielt recht und keine 3 Minuten später hörte ich von beiden ein gleichmäßiges Atmen. Ich hingegen konnte nicht schlafen. Ich war mit meinen Gedanken schon wieder voll bei David. Nachdem ich nicht schlafen konnte, nahm ich mein Handy und in dem Moment bekam ich eine Nachricht von David. Ich antwortete noch schnell darauf und versuchte dann auch zu schlafen. Das fiel mir aber doch deutlich schwerer als erwartet und so lag ich eine Stunde später immer noch hellwach im Bett und ließ meinen Tränen freien Lauf - aber leise, um die anderen zwei nicht zu wecken. Langsam weinte ich mich in den Schlaf und war nach ein paar Minuten komplett weg. Aufgewacht war ich um fünf Uhr. Wir hatten Samstag und logischerweise waren die anderen zwei noch am Schlafen. Da ich sie aber auch nicht wecken wollte, nahm ich mir mein Buch zur Hand und las eine Weile. Um halb sieben entschied ich mich dann dazu, alleine wandern zu gehen. Heute hatten wir sowieso einen komplett freien Tag und hatten keine Vorgaben. Leise zog ich mich an, schnappte meine Sachen und verschwand dann. Draußen lief ich einfach los, ohne darauf zu achten, wohin. Am Ende war mein erster Stop die Schanze, wo ich mich auf den Balken setzte und dem Sonnenaufgang zuschaute. Nach einiger Zeit entschied ich mich dazu, weiter zu gehen, und auch dieses Mal achtete ich nicht darauf, wohin es ging, sondern ließ mein Hirn alles steuern. Bis zu meinem Ziel, einer Bank, wo man einen so schönen Ausblick hatte, machte ich keinen Stopp mehr. In letzter Zeit verbrachte ich ziemlich oft meine Tage dort, da der Platz für mich schon ziemlich viel bedeutete, weil ich mich dort immer ungestört aufhalten konnte, wenn ich mal Zeit für mich brauchte. Der Platz war abgegrenzt durch Bäume und Büsche und war nicht leicht zu finden. Mit fünfzehn hatte ich den Fleck hier rein zufällig entdeckt, als ich Heimweh hatte und alleine sein wollte. Ich ließ mich auf die Bank fallen und schaute auf die Häuser. Und da waren sie wieder. Die Gedanken an David. Wie schön wäre es doch gewesen, mit ihm hier zu sitzen und seine Nähe genießen zu können. Langsam füllten sich meine Augen mit Tränen und ich ließ ihnen freien Lauf. Ich wusste, dass mich hier niemand sehen konnte. Lange saß ich da und dachte eine Zeit lang nach. Liebte David mich überhaupt noch? Was, wenn nicht? Hatte er inzwischen wen anderen? War ich überhaupt gut genug für ihn? Diese Fragen schwirrten mir durch den Kopf. Ich verbrachte tatsächlich den halben Tag auf dem Berg und entschied mich am Nachmittag dazu, wieder zurück zu gehen.

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