"if you could see me now, you'd be proud"------------------------------------------------------------------
Die Nacht war kalt, eisig kalt. Dennoch stand er nur mit Jogginghose und Pullover auf der Dachterrasse des Hotels in Courchevel. Seit einer Stunde stand er hier und hing seinen Gedanken hinterher, war hin und her gerissen von diesen. Er wusste nicht genau, wie er sich fühlen sollte, denn einerseits war er vor nicht einmal zehn Stunden Olympiasieger geworden, was ihn unglaublich freute, wobei 'sich freuen' immer noch untertrieben war, doch andererseits fehlte ihm eine bestimmte Person, eine Wichtige, eine sehr Wichtige. Eine, die ihm damals, als er gedacht hatte, die ganze Welt sei gegen ihn, geholfen hatte, aus diesem Loch zu kommen.
Er schaute zum Himmel hinauf. Die Sterne glänzten auf dem tiefen Schwarz und keine einzige Wolke war zu sehen. Er atmete tief ein, spürte die kalte Luft, die durch seine Lunge strömte, und ließ den Atem langsam wieder entweichen, während seine Augen weiter über den sternenklaren Himmel wanderten. Seine Hände, schon längst taub vor Kälte, schoben sich tiefer in die Taschen seiner Jogginghose, als könnte er darin ein wenig Wärme finden. Doch es war nicht die Kälte, die ihn frösteln ließ; es war das Gefühl der Leere, das sich trotz des Triumphs in ihm breitgemacht hatte.
Er dachte zurück an den Moment, als er die Goldmedaille um den Hals gelegt bekommen hatte, die ganzen Glückwünsche angenommen hatte und die Hymne nur für ihn gespielt geworden war und vor allem an den Moment, an dem er erfahren hatte, dass er Olympiasieger geworden war.
*Throwback: ein paar Stunden*
Er hörte nur lautes Jubeln, das von den Zuschauerrängen kam. War es genug? War er weit genug gekommen? Während dem Sprung hatte er nichts mitbekommen, war wie ihn Trance. Er konnte nicht sagen, wie der Sprung war, wie er sich angefühlt hatte, ob er über die grüne Linie gekommen war, denn die hatte er auch komplett ausgeblendet, alles war weiß, und was der Stadionsprecher direkt nach seinem Sprung gesagt hatte, ging auch an ihm vorbei.Am Ausgang sah er seine Teamkollegen, Jonas, Louis und Stephan, die auf ihn warteten. Während die anderen beiden nur über das ganze Gesicht grinsten, sprang Jonas ihm in die Arme. Das kam so unerwartet, dass sie beide umfielen und am Boden liegen blieben. Daniel schaute ihn verwirrt an, wusste ja noch gar nichts. Jonas guckte etwas amüsiert, kam dann näher an sein Ohr und flüsterte ihm etwas zu, das ihm einen Schauer über den Rücken laufen ließ: »Du bist Olympiasieger.«
Mit Tränen in den Augen stand er am obersten Treppchen, mit einem Blumenstrauß in der Hand und einer Goldmedaille um den Hals. Er schloss die Augen, lauschte der Melodie der Hymne und den Stimmen aller Österreicher, die anwesend waren, wie sie den Text dazu sangen. Er selbst konnte gerade nicht, wollte diesen Moment einfach nur genießen. Als er die Augen wieder öffnete, blinzelte er einmal und die ersten Tränen rannen seine Wange hinunter. Der Titel 'Olympiasieger' war etwas, auf das er schon lange gewartet hatte. Als er das erste Mal bei Olympischen Spielen dabei war, war er 19 Jahre alt und nur Ersatzspringer. Das zweite Mal, in Italien, hatte es mit einem fünften Platz nicht gereicht. Jetzt, das dritte Mal an dem er dabei war, hatte er es endlich geschafft. Geschafft die Konkurrenz schon nach dem ersten Durchgang auf Abstand zu setzen. Geschafft zu zeigen, wozu er fähig war - das war seit Jahren ein Problem, die fehlende Konstanz.
Nur verschwommen konnte er die Konturen seiner Teamkollegen, seiner Trainer und allen anderen des Teams zehn Meter vor sich stehen sehen. Trotz dem, dass er es nicht erkennen konnte, wusste er, dass sie alle ein überglückliches und stolzes Lächeln im Gesicht hatten. Ja, überglücklich und stolz, das war auch Daniel selbst. Er schaute lächelnd in den Himmel. Und er war ganz bestimmt auch ganz doll stolz auf ihn.
*Throwback Ende*