15.Die Nacht im Krankenflügel

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Severus

Ich schrie mehrmals die Namen der zwei Vermissten und hoffte, dass jemand von ihnen antworten würde.
Doch auch nach weiteren Minuten hörte ich nur das Rascheln der Blätter und das Heulen des Windes.
Ich entfernte mich vom Pfad, da es doch unwahrscheinlich war, dass wenn sie wirklich gerannt waren, auf ihren Weg überhaupt geachtet hätten.
Plötzlich stach mir ein Zauberstab in mein Sichtfeld, wahrscheinlich weil er mir bereits bekannt war.
Es war Allisons, den sie verloren haben musste.

Ich hob ihn sachte auf und steckte ihn in meine Manteltasche.
Dazu fand ich noch vereinzelte Fußabdrücke, die durch die Größe eher einem Jungen gehörten, vermutlich Blaises.
Vielleicht waren sie noch zusammen, wenn sie den gleichen Weg gelaufen waren.
Eifrig folgte ich der Spur und fragte erneut in die Stille hinein.

Zuerst antwortete wieder niemand, doch dann vernahm ich eine verzweifelte Stimme.
„Wir sind hier.", rief sie.
Zugegeben war ich ziemlich erleichtert, dass die beiden nicht mehr alleine im Wald herumirrten.
„Geht es euch gut?", fragte ich, da Allison wohl keine Anstalten machte, auf mich zuzukommen.
„Nein, er ist bewusstlos."
Warum?
Was ist passiert?

Nach schnellen weiteren Schritten war ich bei ihnen angekommen.
Es war wohl schlimmer als ich befürchtet hatte.
Dieses Szenario würde wohl nicht so schnell wieder aus meinem Kopf verschwinden.
Allison Malfoy, wie sie versuchte, Blaise Zabini vor dem Verbluten zu retten.
Ich schritt sofort ein.

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Allison

Ich schritt ungläubig weg.
Weg von dem blassen Körper, der bald aufzugeben drohte.
Er war meine Rettung gewesen. Länger hätte ich es vermutlich nicht mehr ausgehalten.
Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich da war.
Natürlich gab das Konsequenzen. Könnten sie uns deswegen aus der Schule werfen?
Darüber wollte ich jedoch jetzt nicht nachdenken. Viel froher war ich, dass ich nicht immer noch verzweifelt auf Blaises blutenden Körper schauen musste.

Mein Hauslehrer schaffte es, ihn transportfähig zu machen, nachdem er viele Zauber ausgesprochen und ihm einige Tränke, die er in seinen Manteltaschen mit sich trug, verabreicht hatte. Ohne ein weiteres Wort, machten wir uns auf den Weg zurück zum Schloss.
Er redete nicht mit mir und konzentrierte sich allein auf Blaise.
Er war nicht einmal unbedingt wütend. Die Enttäuschung stand ihm viel eher ins Gesicht geschrieben.

***

„Severus, wie schlimm ist es?", fragte sofort Madam Pomfrey, als wir den Krankenflügel erreichten.
Sie untersuchte ihn umgehend.
„Wäre ich später gekommen, hätte er es wahrscheinlich nicht geschafft.", antwortete Snape und blickte zu Draco und Pansy, die in den zwei Betten gegenüber saßen.
Ich würdigte sie nicht eines Blickes und fixierte meine Augen auf den Boden.
Das tat ich schon immer, wenn ich irgendetwas falsch gemacht hatte.
Es war zur Angewohnheit geworden.

Ich konnte den Personen einfach nicht mehr ins Gesicht blicken.
Wir waren so leichtsinnig gewesen.
Eigentlich dachte ich immer zuerst nach, bevor ich etwas so Dummes, wie dieses tat und malte mir die Folgen schon vorher in meinem Kopf aus.
Doch heute war es anders.
Mein Kopf war nicht ganz da gewesen.
Sonst hätte ich mich nie dazu überreden lassen.
Das dachte ich zumindest im Nachhinein.
Idiotin.

Ich war so in meine Gedanken verfallen, dass ich nicht bemerkt hatte, wie der Mann mit den schulterlangen schwarzen Haaren plötzlich verschwunden war.
Genauso wenig, wie Draco und Pansy bereits auf dem Rücken liegend kurz vorm Einschlafen waren.

Nur ich saß stumm auf einem Stuhl neben dem Eingang und beobachtete einfach nur aufmerksam das Geschehen.
Ich konnte überhaupt nicht an Schlaf denken.
Zumindest jetzt nicht.
Mein Puls lag bestimmt noch bei gefühlt 130.
Ich war zu aufgewühlt um jetzt noch einen klaren Gedanken zu fassen.

Ich hatte Angst, was jetzt passieren würde.Doch mehr war ich wütend auf mich selbst.
Ich hätte Draco umstimmen sollen, kam mir der Gedanke.
Verdammt. Ich hätte ihm davon abraten müssen.
Ich hätte mit ihm reden sollen.
Ich schaute zu ihm und sah nur seinen hellblonden Haarschopf, da sein Körper komplett in der Decke eingewickelt war.
Schläft er schon? Wie kann er jetzt nur schlafen?
Hatte eigentlich Snape schon mit ihnen geredet?

„Ms. Malfoy?"
Madam Pomfrey wendete sich nun mir zu.
„Was? Nein. Mir geht es gut. Ich bin nicht verletzt. Alles in Ordnung.", murmelte ich hastig, als sie mich näher beäugte.
„Darf ich gehen?", fragte ich gleich danach.
Sie legte ihre Hand auf mein Handgelenk.
„Sie sind zu aufgewühlt, um jetzt gehen zu können. Mir ist bewusst, dass Ihre Kleidung reichlich mit dem Blut Ihres Mitschülers getränkt ist, doch sie müssen noch sitzen bleiben. Es tut mir leid.", sagte sie und schenkte mir ein schwaches Lächeln.

Momente später stand sie wieder bei Blaise am Bett und schrieb vermutlich gerade ein Protokoll, so wie es aussah.
Und ich saß immer noch hier.
Das Blut war mir gar nicht wirklich aufgefallen. Doch als ich zu mir herunter blickte, konnte man denken, dass ich gerade Jemanden ermordet hatte.
Selbst meine Schuhe waren rot gefärbt.

Die Tür öffnete sich und herein kamen mein Hauslehrer und Dumbledore.
„Albus", grüßte Madam Pomfrey ihn.
„Poppy, wie sieht es aus?", fragte er nach und lief auf sie zu.
Sie legte ihr Protokollblatt weg und schilderte die Zustände jedes Einzelnen.
„Blaise Zabini ist stabil. Er wird durchkommen. Draco Malfoy hat eine Platzwunde, die jedoch nur oberflächlich ist. Pansy Parkinson hat einige tiefere Kratzer und einen verstauchten Arm. Beide sind bis morgen zur Überwachung hier. Allison Malfoy ist unverletzt, hat jedoch wahrscheinlich einen leichten Schock erlitten und ist immer noch ziemlich aufgewühlt.", erzählte sie ernst.
Ich spürte ihre Blicke auf mir. Ich hatte meinen Kopf wieder gesenkt. Ich wusste nicht, was ich sagen oder sonst tun sollte. Dumbledore konnte ich unter keinen Umständen in die Augen blicken.

„Wann kann Allison wieder auf ihr Zimmer?", fragte Dumbledore nach.
Er klang ebenfalls enttäuscht und hatte nicht seinen sonst üblichen, sarkastischen Unterton in der Stimme liegen.
„Sobald ihr Puls wieder niedriger und gleichmäßiger ist.", sagte sie mit bemitleidender Stimme.
Und endlich traute ich mich aufzuschauen.
„Mir geht es gut. Ich habe mich beruhigt.", entgegnete ich und wollte damit bezwecken, dass sie mich gehen lassen.

Ein Augenblick herrschte Stille.
Mein Schulleiter und Snape schauten sich zustimmend in die Augen.
„Ich begleite sie zu ihrem Haus. Sie sollte sich umziehen.", sagte Snape zu Madam Pomfrey gerichtet.
Als wäre ich gar nicht hier im Raum.
Als wäre ich nicht ansprechbar.
Als wäre ich nichts.

„In Ordnung.", stimmte sie zu und ließ mich mit ihm in Richtung Ausgang laufen.
Nachdem ich aufgestanden war, fühlte ich mich für den Bruchteil einer Sekunde gelähmt. Doch ich riss mich zusammen.
Ich war nicht verletzt wie die anderen, doch ich fühlte mich trotzdem unglaublich schlecht und leer.
Lieber wäre ich momentan an Blaises Stelle. So dumm wie sich es anhören mag.

Gerade liefen wir die Treppen zum Kerker nach unten, als sich mein Professor zu mir wandte.
„Was wolltet ihr dort, Allison?", er versuchte eindeutig nicht wütend zu klingen.
„Die Zentauren. Wir wollten sie aufsuchen.", gab ich ehrlich zu, da es nun sowieso keine Rolle mehr spielte.
Es hörte sich aus meinem Mund noch dümmer an, als es war.

Er nickte nur und ging nicht weiter darauf ein.
„Und dir geht es wirklich gut?", fragte er nach.
Es klang nicht mitfühlend oder so, als würde er es wirklich wissen wollen.
Er fragte aus Höflichkeit oder weil er dazu verpflichtet war.
Nicht, weil es ihn interessierte, hatte ich das Gefühl.
Aber es war mir relativ egal.
„Ja.", antwortete ich ohne ihn anzusehen.
Mein Blick ruhte auf dem dunklen Gang vor uns.

Severus Snape&Allison Malfoy- Die kalten HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt