37.Komische Nacht

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Allison

Mit einem Ruck saß ich kerzengerade auf dem Bett.
Nur ein Albtraum.
Ich stehe auf, weil ich weiß, dass ich jetzt erstmal nicht wieder einschlafen kann.
Immer wieder werde ich im Schlaf von dem gleichen Szenario verfolgt: ich renne nachts durch einen dichten Wald und immer, wenn ich denke, dass ich meinen Feind abgehängt habe, taucht er vor mir auf und ersticht mich. Ich erkenne nie, wer es ist, aber diese Gestalt ist mir immer einen Schritt voraus. Als würde sie meine Schritte kennen. Sie steuern.

Auch wenn es nur ein Traum ist, besorgt mich der Gedanke. Vielleicht soll es mich vorwarnen?
Unmöglich. Wahrscheinlich spielt mir mein Kopf nur einen Streich.
Ich laufe zum Fenster. Ich brauche frische Luft.
Eigentlich würde ich jetzt einen Spaziergang durch Hogwarts machen, doch im Gemeinschaftsraum wird gefeiert.
Ich habe echt keine Ahnung, was der Grund dafür sein soll, aber ich höre das Lachen noch immer.

Vielleicht hätte ich mitfeiern können, aber mal ehrlich..wer würde schon mit mir reden?
Draco ist soweit ich weiß auch nicht im Gemeinschaftsraum. Es würde also keinen Sinn machen, nach unten zu gehen. Obwohl ich vielleicht ein bisschen Alkohol vertragen könnte.
Ich muss ja nicht so viel wie beim letzten Mal trinken..
Es ist erst 23:58 Uhr. Da werden so viele Schüler sein, ich würde gar nicht auffallen, wenn ich mir einen Becher Whiskey nehme.

Also ziehe ich mich um und geselle mich unauffällig zur Menge. Ich habe gerade schon fast 3 Stunden Schlaf hinter mir, aber im Moment fühlt es sich so an, als wäre ich die ganze Zeit wach gewesen.
Ich fülle mir ausgiebig Whiskey ein und laufe zurück in Richtung Treppe.
Doch jemand erkennt mich. Und ich kenne sie auch irgendwo her.
Obwohl es schon solange her ist, weiß ich, dass sie mit ihren Eltern im Manor bei meiner Feier da war. Aber warum spricht sie mich an?

„Hey, Allison.", sie lächelt mich nervös an.
„Du erinnerst dich höchstwahrscheinlich nicht mehr..Oder hast mich gar nicht erst gesehen- Aber ich war bei deiner Willkommensfeier. Naja, meine Eltern sind Todesser, also..
Was ich sagen, besser gesagt fragen wollte-", sie machte eine kurze Pause, da ihr diese Frage anscheinend Überwindung kostete.
„Du hast Dumbledore getötet. Warte- Bevor du gehst, es ist keine Frage dazu. Es ist nur..Der dunkle Lord muss dich sehr schätzen seitdem. Du bist du ja bestimmt deshalb schon lange eine Todesserin- Ich werde es demnächst auch.
Es ist nur..Tut es sehr weh? Wie ist es so?", flüsterte sie und räusperte sich verlegen.
„Ich weiß, dass es unüberlegt klingen muss, dass zu fragen, aber man redet in diesem Kreis über so etwas nicht. Du bist erst seit Anfang des Jahres dabei, deshalb dachte ich-"

Ich unterbrach sie.
„Das ich es verstehe."
Sie nickte energisch.
„Ehrlich gesagt, bin ich keine Todesserin. Tut mir echt leid, dass ich dir da nicht weiterhelfen kann. Wenn du mich entschuldigst..", ich deutete an zu gehen und ließ sie etwas verdutzt stehen.
Mein Kopf selbst in Hochtouren ratternd.
Warum war ich keine Todesserin?
Nicht, dass ich es wollen würde, aber..
Ich habe für ihn gemordet.
Warum hat er nicht darauf bestanden?

Ich habe in den Ferien mit ihm geredet.
Doch da war ich noch emotional so fertig, dass ich mich nur bruchstückhaft an das Gespräch erinnere.
Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass er dort kein einziges Wort darüber verloren hat..
Ich meine, wie kann das sein?
Draco ist schon längst ein Todesser, also warum bin ich davon ausgeschlossen?
Und warum ist mir das nie in den Sinn gekommen?

Als ich in meinem Zimmer ankomme, kippe ich den Alkohol mit einem Mal herunter und überlege, gleich noch einmal nach unten zu gehen. Ich muss meine Gedanken verlangsamen.
Wie in Trance laufe ich durch den Raum und suche nach einer plausiblen Erklärung.
Warum? Warum? Warum?
Vielleicht sollte ich Severus fragen? Er muss es wissen.
Doch gleichzeitig fürchte ich mich vor der Antwort.

Mich packt plötzlich eine unheimliche Wut. Ich werfe den Plastikbecher auf den Boden und trete so lange drauf, bis er platt ist.
Warum bin ich bei allem so unwissend? Mein ganzes Leben besteht aus Ungewissheit.
Ich weiß fast nichts über meine eigene Familie.
Ich weiß nicht, wie die nächsten Monate laufen werden.
Ich weiß nicht, was Voldemort mit mir vorhat.
Ich weiß rein gar nichts.
Nichts ist sicher.

Doch mein Innerstes sagt mir, dass ich vollkommen überreagiere.
Keiner weiß alles über seine Familie.
Niemand kann wissen, was die nächsten Monate auf uns zukommt.
Die meisten Todesser sind über Voldemorts Pläne unwissend.
Wir haben doch alle keine Ahnung.

Ich schließe das Fenster wieder und überlege, mich wieder hinzulegen. Bringt doch alles nichts.
Ich kann ihn morgen fragen.
Doch gleichzeitig kann ich kaum ruhig sitzen.
Oh man.
Ich brauche mehr Whiskey.
Ich stürze ohne einen weiteren Gedanken erneut nach unten um mir welchen zu holen.
Doch dieses Mal bleibe ich gleich dort stehen um mir einen nach den anderen runterzukippen.
Soll mir doch egal sein, was die anderen von mir denken. Die meisten hassen mich doch sowieso.

Ich sehe das Mädchen von gerade eben, welches mich irritiert anschaut.
Warum musste sie mir den Abend noch weiter ruinieren?
Irgendwann setze ich mich auf den Boden und beobachte lustlos irgendwelche meiner Mitschüler. Meine Gedanken werden wirklich langsamer.
Ich sehe, wie Pansy und irgendein Typ aus unserem Jahrgang sich die Zungen gegenseitig in die Münder stecken, als wäre das ihr letzter Tag auf Erden.
Ich bin im Moment nicht mal mehr sauer auf sie. Soll sie doch rummachen mit wem sie will.
Als ich ein weiteres Paar in der Ecke entdecke, schaue ich weg, weil es da doch ein bisschen heftiger zugeht.

***

Irgendwann muss ich wohl im Sitzen eingeschlafen sein, denn als ich erneut in die Ecke sehe, ist sie leer.
Auch Pansy ist weg. So wie auch viele andere Schüler.
Nur noch vereinzelt stehen Schülergruppen herum, die sich noch immer betrinken.
Ich selbst fühle mich schon ziemlich beschwipst. Dabei bin ich noch gar nicht so lange hier. Glaube ich zumindest.

Was mache ich nochmal hier?
Ach ja. Ich muss zu Severus.
Ich stehe mit wackligen Beinen auf und mache mich in Richtung Ausgang.
Ruhig laufe ich durch die Gänge, ohne Angst erwischt zu werden.
Und dann stehe ich auch schon vor seinem Büro.
Jetzt brauche ich nur noch das Passwort, denke ich mir.
Aber wie war das nochmal?
Ich bin so oft hier. Als ob ich es jetzt wirklich vergessen habe.
Plötzlich kommt die Wendeltreppe von allein nach oben. Komisch.
Ich stelle mich trotzdem auf die Stufe.

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Severus

Ich blicke mit müden Augen zur offenen Tür.
Was macht Allison hier?
Ich weiß nicht, ob ich langsam ein Gespür dafür entwickelt habe, zu merken, wenn sie in meiner Nähe ist, aber hier stehe ich. Und habe ihr Eintritt gewährt.
Erst dachte ich, es wäre irgendetwas Schlimmes passiert, doch anscheinend ist das nicht der Fall.

„Was machst du hier, Allison? Es ist mitten in der N-"
Sie kommt plötzlich direkt auf mich zu.
Ich rieche eindeutig Whiskey. Ist sie etwa betrunken?
Sie beugt sich vor und plötzlich weiß ich sofort auf was das hinausläuft. Doch ich stoppe sie rechtzeitig und schiebe sie liebevoll zurück.
Ihr Gesichtsausdruck ändert sich abrupt.
„Liebst du mich nicht?", sie sah mich vorwurfsvoll an.
Ich zog sie zu meinem Schreibtischstuhl und drückte sie behutsam nach unten.

„Allison..Du bist betrunken. Und eindeutig nicht bei klarem Verstand-", sie unterbrach mich erneut.
„Ich bin höchstens angetrunken. Oder ist es so schlimm mich zu küssen?"
Niemals ist sie nur angetrunken. Sie würde dann nicht um halb 4 in meinem Büro stehen.
„Natürlich nicht, doch es ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Aber bist du deswegen gekommen? Um mich zu küssen?", das konnte ich mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich hatte sie den Grund einfach vergessen.

Und sie sah wirklich so aus, als würde sie überlegen, warum sie wirklich hierher gekommen war.
Erst nach einer ganzen Weile konnte sie sich an die eigentliche Frage erinnern.
Ich wartete gespannt.

„Warum bin ich keine Todesserin?"

Severus Snape&Allison Malfoy- Die kalten HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt