19.Vergrabene Feindschaft

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Allison

„Sie verstehen es nicht! Ich habe Montag bis Freitag keinen freien Abend. Und dazu kommt bald das Lernen für die Prüfungen.", drückte ich mich deutlich bei meinem Hauslehrer nach dem Unterricht aus. Es war meine letzte Stunde gewesen, weshalb ich jetzt Zeit hatte, mich darüber zu beklagen.
Bevor ich in die Bibliothek ging.
Bevor ich wieder zu Lupin musste.
„Wenn ich wenigstens irgendetwas Sinnvolles bei Lupin machen würde.. Oder es gar ausfällt und ich Dienstag Abend mich meinen Hausaufgaben widmen könnte-", ergänzte ich, er erhob jedoch seine Hand, sodass ich verstummte.

„Ich kann deine Situation nachvollziehen, Allison, doch du darfst nicht vergessen, dass du 5 Jahre Stoff aufholen musst. Das Erlernen von Okklumentik ist ebenso wichtig für dich. Und Lupin ist fest davon überzeugt, dass du nicht ganz ehrlich in den Sitzungen bei ihm bist.", sagte er in einem weicheren Ton, als noch vorhin im Unterricht.
Lässig lehnte er an seinem Schreibtisch und kritzelte gerade etwas auf einem Blatt Papier.
„Ich rede mit ihm.", er blickte wieder zu mir hoch.
Ich nickte.
„Okay, danke."

Gerade wollte ich das Klassenzimmer verlassen, als er sich nochmal an mich wendete.
„Ich bin überzeugt, dass du es trotzdem schaffen wirst.", er hatte den Zettel in ein Buch gelegt.
Sagte er das einfach so? Oder dachte er das wirklich?
Ich bin mir sicher, dass er so etwas nie zu einem anderen Schüler gesagt hätte, aber wir hatten ein vertrauteres Verhältnis durch die vielen gemeinsamen Stunden, die wir fast täglich miteinander verbrachten, aufgebaut.
Ich verabschiedete mich und lief in Richtung Eingang, wo ich Ron auffand.
Er sah verärgert aus und wollte wohl gerade am liebsten Jemanden umbringen.

„Ist alles in Ordnung?", fragte ich ihn also.
„Dein Bruder-", er knirschte mit den Zähnen.
„Was hat er gemacht?", sofort wich meine zufriedene Miene.
Ron schaute mich an.
„Er hat sich über Ginny und Dean hergemacht."
Er äffte ihm übertrieben nach.
„Deine kleine süße Schwester muss wohl ganz traurig über die Trennung mit ihrem Ex-Freund sein. Sicher hat er Schluss gemacht, weil sie zu arm war."
Er hatte eine verkrampfte Haltung und mir fiel erst jetzt seine blutende Hand auf.

„Hast du ihn etwa-", ich musste gar nicht weiterreden, denn er nickte stumm, als er verstand, was ich meinte.
Draco war eindeutig Schuld gewesen, doch ich wusste auch, dass es ihm im Moment gar nicht gut ging. Seine Essstörung wurde schlimmer, er wirkte immer gestresster und die Ermordung Dumbledores sollte immer näher rücken.
Trotzdem hätte er das nicht sagen dürfen, denn Ron verstand seine Situation nicht. Niemand tat das, außer ich, weil ich auch daran beteiligt war.

„Es war seine Schuld, er hätte das niemals sagen dürfen. Du wolltest nur deine Schwester verteidigen.", sagte ich schnell und er schien erleichtert, weil er nicht wusste, wie ich es auffassen würde.
Trotzdem wollte ich mit Draco sprechen.
„In welche Richtung ist er?", fragte ich also.
Er zeigte mit seiner rechten Hand nach links und meinte, er müsse jetzt weiter.
Wir verabschiedeten uns und ich lief hastig in die besagte Richtung.
Er würde sicher in den Kerker verschwunden sein.

Wenige Minuten später wurde ich bereits fündig. Er stand an dieser bestimmten Fensterbank, wo er oft aufzufinden war.
Er bemerkte mich erst nicht, doch als ich näher kam, schreckte er etwas zurück.
„Allison, was machst du hier? Bist du nicht in der Bibliothek?", fragte er mich und schaute weiter aus dem Fenster. Sicher darauf bedacht, dass ich seine blutige Nase nicht sah.
„Ich habe noch mit Snape geredet. Und dann traf ich Ron.", mehr brauchte ich nicht zu sagen, denn er wendete sich sofort zu mir um.
„Du darfst das-"
„Niemandem erzählen. Schon klar.", beendete ich seinen Satz. Er war viel zu stolz, um zuzugeben, dass er gerade Ron Weasley's Faust gespürt bekommen hatte.

„Es wird alles gut gehen.", versuchte ich ihn aufzumuntern, doch er schüttelte nur verzweifelt den Kopf.
„Das weißt du nicht. Außerdem bist du genauso involviert, Allison. Vergiss das nicht.", in seiner Stimme war eindeutig Verbitterung zu hören.
Ich wollte etwas erwidern, aber eigentlich hatte er Recht.
Ich schaute nach links und rechts, wendete mich dann komplett zu meinem Bruder und zog ihn in eine Umarmung.
Nicht das es peinlich für mich wäre, aber für ihn, denn Draco Malfoy brauchte keine Umarmungen.

Er bekam wenig Liebe.
Zumindest von der Familie.
Pansy war wohl die Einzige, die ihm etwas Liebe schenkte.
Nein, sie war Hals über Kopf in ihn verliebt.
Sie gab ihm all ihre Liebe, die sie aufbringen konnte.
Doch jeder Blinde würde sehen, dass er sie nicht wirklich erwiderte.
Pansy Parkinson war nicht die Richtige, doch dazu geäußert, hatte ich mich nie. Es war nicht meine Angelegenheit.
Außerdem glaube ich, dass er es bald selbst erkennen wird.

Er löste sich wieder von mir und murmelte so etwas wie ein danke.
„Ich muss jetzt leider wieder los. Bibliothek. Lass deine Nase bitte bei Madam Pomfrey richten. Wir sehen uns beim Abendessen.", ich lächelte ihn an, bevor ich mich umdrehte und ihn etwas verwirrt stehen ließ.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich nur noch 2 Stunden bis zum Abendessen hatte.
Ich beeilte mich um noch wenigstens meinen Aufsatz fertig zu schreiben und für einen Test zu lernen.

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Severus

Ich trank gerade aus meinem Glas am Lehrertisch, als Lupin sich neben mich setzte.
Er grüßte mich knapp, während er sich seinem Essen widmete.
Ich hatte bereits gegessen und wollte schon aufstehen, doch er hielt mich plötzlich zurück.
„Severus? Morgen ist-"
Ich unterbrach ihn, da ich wusste, dass morgen Vollmond war.
„Ja, ich bringe ihn dir heute noch ins Büro.", sagte ich und war über meine heutige Freundlichkeit selbst etwas überrascht.
„Danke, ich muss jetzt selbst los.", er trank ebenfalls seinen letzten Schluck Saft und stand, wie ich, ebenfalls auf.

Da kam mir ein Gedanke.
„Sitzung mit Allison?", fragte ich knapp. Deshalb musste er sich heute beeilen.
Er nickte und wir liefen aus der Großen Halle um Niemanden mit unserem Gespräch zu stören.

„Sie kam heute auf mich zu und meinte, dass sie die Gespräche Dienstags nicht mehr möchte, da es sie mit dem privaten Unterricht zu sehr stresst.", sprach ich ihre Bitte aus.
Lupin stoppte, als er das hörte.
„Sie findet es sinnlos."
Jetzt zog er seine Augenbrauen ganz zusammen.
„Ich möchte Allison nicht dazu zwingen, auch wenn wir die Entscheidung für sie getroffen haben. Wenn sie das möchte, ist es so. Aber ich halte das trotzdem für keine gute Idee. Ich werde gleich mit ihr darüber sprechen.", sagte er und stieg dann die ersten Treppenstufen empor.
Ich verabschiedete mich und holte den benötigten Trank, der schon vorbereitet in meinem Büro stand.

Er hatte Recht. Man konnte es nicht erzwingen und wenn doch, würde es definitiv in die falsche Richtung gehen.
Auch wenn ich Lupin's Art oft nicht nachvollziehen konnte, waren wir an dem Punkt angelangt, wo wir die Vergangenheit einfach hinter uns ließen. Es war kindisch, nach über 20 Jahren immer noch zu streiten, vor allem weil er bereits vieles verloren hatte.
Der Unterschied zwischen uns war lediglich, dass ich nie etwas verlieren konnte und schon im Kindesalter das Gefühl pflegte, nichts zu haben.

Er verlor alles nach und nach.
Seine ruhige Kindheit.
Einen seiner besten Freunde.
Einen Freund, der sich als lausiger Verräter entpuppte.
Seine beste Freundin.
Ich schluckte, als ich an Lily dachte. Jeder wusste damals, dass er und sie sehr gute Freunde waren. Sie haben sich immer verstanden und ich war neidisch, weil ich das auch wieder haben wollte. Diese Freundschaft, die ich früher zerstört habe.

Black war alles, was ihm geblieben war, er musste jedoch für 12 Jahre nach Azkaban.
Und letztes Jahr starb selbst er.
Und Lupin verlor somit alles.
Seine wichtigste Bezugsperson.
Die meisten denken, dass sie nur sehr gute Freunde waren, doch selbst ich wusste schon immer, dass da mehr war.
Von da an hatte er sich geändert. In seinem Inneren war etwas erloschen.
Allison kannte ihn jedoch nur so und konnte somit nicht schlussfolgern, dass selbst er nur versuchte, zu überleben.
Nicht körperlich. Sondern Seelisch.

Körperliche Schmerzen konnte man heilen, doch seelische Schmerzen fraßen dich von Innen auf.
Sie waren unheilbar.

Severus Snape&Allison Malfoy- Die kalten HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt