Kapitel IX

38 7 8
                                    

Als die Sonne schon unterging und die Welt sich dunkel wie schwarze Tinte färbte, gab es immer noch kein Zeichen des Schattens. Die meisten Wölfe waren müde und nörgelig. Himmel schlief bereits, sie hatte Lavendel gegessen und war kurz darauf eingeschlafen. Langsam machte Kirous sich ein wenig Sorgen um seine Adoptivschwester. Ihre Macke Blumen zu essen, schien ihm nicht ganz so gesund. Vor allem da sie sich kaum mit Blumen auskannte. Wenn das ganze vorbei war, würde er sie zu Mond schicken, Blumen- und Kräuterkunde war wichtig für ihr "Hobby" und der Omega-Wolf kannte sich damit aus. Vielleicht würde er sie aber auch nach dem nicht mehr wiedersehen, wer wusste, dass schon.

Gerade setzte Regen dazu an, den Rückzug anzutreten, da ertönte ein Rascheln. Alle hielten inne und lauschten. Für einen kurzer Moment herrschte stille, dann knackte etwas. Die eigentlich so mutige Reh zuckte zusammen und wurde von Erinnerungen, die sie hatte verdrängen wollen, überrollt. Ihre Tante, Tod, Angst, Alleine. Die Mixwölfin riss die Augen auf und klemmte die Rute zwischen ihre kräftigen Hinterbeine. Anschließend war es eine Weile leise. Regen wollte gerade wieder anfangen zu sprechen, da stand er plötzlich vor ihnen. Der Schatten war noch in normaler Größe, was hieß, dass er nur etwas größer war als der durchschnittliche Wolf.

Stumm musterten sich die Wölfe und ihr Gegner kurz. Die Wölfe, weil sie erstaunt waren, der Schatten, um Schwachstellen abzuschätzen. Dann ging alles ganz schnell. Noch während die grauen Augen das Rudel beobachteten, wuchs der dazugehörige Rest, und dann schnellte eine riesige Pfote vor. Alle wichen zurück und schrien teilweise auf. Sturm zog die immer noch schlafende Himmel schnell zurück. Durch das Geräusch des Busches, der stattdessen von der Tatze zerstört wurde, wachte sogar die Wölfin auf. Verwirrt sah sie sich um und entdeckte dann das riesige Monster. Ihre Augen weiteten sich und dann schien sie sich zu erinnern. In einer blitzschnellen Bewegung hüpfte sie auf und sprang mindestens eineinhalb Wolfslängen zurück.

Die missbilligenden Blicke, die sie dafür abbekam, ignorierte sie gekonnt. Das hatte sie schon immer. Kirous zitterte und ärgerte sich, auf seine Tante gehört zu haben. Plötzlich fiel ihm auf, dass die verflochtenen Latschenkieferzweige unberührt dalagen. Irgendjemand musste es doch bemerken. Scheinbar waren alle zu sehr damit beschäftigt, von ihrer Angst gefangen zu werden, überflutet von einem Tsunami aus Negativen Gefühlen. Noch kämpften die meisten dabei über den Wellen, doch viele waren dabei in einem Strudel aus Todesängsten zu ertrinken. Auch der junge Wolf gehörte dazu, doch er kämpfte sich ans sichere Ufer. Keuchend wand er sich aus seinen Gedanken, die voll Blut Und Tod waren. Es schien so, als würden alle damit beschäftigt sein, sich selbst zu retten.

Kurz sah er sich um, dann rannte er los. In der Mitte der Lichtung, stieß er mit Schnee zusammen, sie schien die gleiche Idee wie er gehabt zu haben. Mit dem Unterschied, dass sie das Talent dazu hatte. Mit einer energischen Kopfbewegung scheuchte sie ihn beiseite und presste sich auf die Äste. Dann stieß sie ein ohrenbetäubendes Heulen aus. Die Ohren eng an den Kopf gepresst, winselte Kirous leise vor sich hin. Das Rudel tat es ihm gleich und alle hatten denselben, gequälten Ausdruck auf dem Gesicht.

Der Schatten wirbelte blitzschnell herum und schlug das Holz weg. Schnee klammerte sich fest darum und blieb tatsächlich drauf liegen. Das Ganze ging eine Weile, die weiße Wölfin flog durch die Luft, die Splitter wirbelten nur so umher und sie donnerte bestimmt gegen jeden Baum im Umkreis. Doch irgendwann, biss der Gegner des Rudels zu. Mit einem gewagten Sprung rette sich Schnee in das Unterholz und humpelte unauffällig in dessen Schutz weg. Allerdings interessierte sich gerade niemand für sie, denn alle sahen zu dem Monster, das krachend ihre Falle zerkaute. Einen Moment war es still und dann. Nichts. Es passierte nichts. Stattdessen schien es dem Ungeheuer nur noch mehr Energie zu verleihen und ein leichter Schimmer ging durch die Augen von ihm. Dann fing es wieder an zu wüten.

Das Blut schien durch die Adern von Kirous zu schießen und seine Nase zuckte aufgeregt umher, stets auf der Suche nach dem Geruch der Gefahr, auch wenn ihm längst klar war, dass er bereits mittendrin war. Seine Rute berührte schon fast sein Bauchfell, dass direkt in den Brustpelz des Wolfes überging. Plötzlich berührte ihn etwas Trockenes an der Flanke. Die Krallen in den Boden rammend, zuckte er zusammen. Der Wolf traute sich nicht sich umzudrehen, stattdessen versuchte er mit seinem Hör- und Geruchssinn herauszufinden, wer oder was da hinter ihm war.

From Wolf to WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt