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Heute ist der erste richtige Schultag in diesem Jahr. In meinem Stundenplan habe ich schon gesehen, dass ich nun mehr Stunden in Zaubertränke habe, da ich den Fortgeschrittenenkurs besuche. Aber mehr Stunden heißt auch mehr von Professor Snape. Gleich heute in den letzten beiden Stunden habe ich Zaubertränke.

Ich sitze an meinem Platz, in der letzten Reihe am Rand. Die Plätze um mich herum sind recht leer, da wir mehr Platz als sonst haben, weil dieses Jahr weniger SchülerInnen den Kurs besuchen. Ungeduldig warte ich darauf, dass Professor Snape herein kommt und den Unterricht beginnt. Meine Sachen sind ordentlich auf meinem Tisch und aufgrund meiner Aufgeregtheit ordne ich sie aller paar Minuten neu an. Langsam merke ich, wie durch meine Nervosität mein Körper warm wird und ich habe ein ungewöhnliches, aber angenehmes Kribbeln im Bauch. Der laute Aufschwung der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Schnellen Schrittes und selbstsicher kommt Professor Snape herein. Ab dem Augenblick, als er den Raum betreten hat, ist die Klasse still geworden. Kein Wunder. Die Autorität, die von dem Mann ausgeht, ist unfassbar groß. Sein dunkler Umhang weht durch seinen schnellen Gang hinter ihm her und auch seine halblangen, schwarzen Haare fliegen kunstvoll aus seinem Gesicht. Ohne etwas zu sagen und mit ernstem Blick läuft er bis vor zur Tafel und stellt sich der Klasse zugewandt vorne hin. "Wovon Sie sicherlich auch schon Kenntnis genommen haben, befinden Sie sich hier bei mir in einem fortgeschrittenem Kurs. Das bedeutet, ich erwarte von jedem von Ihnen Höchstleistungen und eine angemessene Arbeitsmoral. Blamieren Sie mich nicht. Wir beginnen mit Seite 134 in Ihren Lehrbüchern." Seine kurze Ansprache hält mich in Atem. Auch wenn es das ist, was man von ihm gewohnt ist, bin ich in einem mir unbekannten Zustand, in dem es mir schwer fällt, zu denken. Ich sehe nur seine dunkle Gestalt, mit dem kantigen Gesicht und der gebieterischen Ausstrahlung, vor mir, bei der ich mir vorstelle, wie sie wohl unter seinem schwarzen Gewand aussieht. Nur schwer entkomme ich dieser Denkblockade, aber ich weiß, ich muss es. Ich schaffe es, mich auf den folgenden Unterricht zu konzentrieren. Allerdings haben wir direkt so viel zu tun, dass ich kaum noch Blicke auf meinen Lehrer werfen kann. Nur in den Phasen, in denen wir leise etwas aufschreiben, kann ich kurz aufblicken. Er sitzt hinter seinem mächtigen Holzschreibtisch und liest konzentriert etwas. In unregelmäßigen Abständen gleitet seine Feder über das Papier und schreibt etwas. Wahrscheinlich sind es Kommentare wie 'falsch', 'ungenügend' oder '?', die nun das Blatt am Rand verzieren. Seine Hand ist dabei fest, schon fast verkrampft und seine Finger umklammern den Stiel der Feder. Sobald ich jedoch länger als ein paar Sekunden zu ihm gucke, fühle ich mich beobachtet und senke meine Augen wieder. Lange kann ich mich mit meinem nächsten Versuch aber nicht zurückhalten und als sich mein Blick wieder zu Professor Snape schleicht, krempelt er sich gerade die schwarzen Ärmel seines Hemdes hoch. Seine Arme sind von Venen gezeichnet und man erkennt die Ansätze der Muskeln in seinem Unterarm. Kaum habe ich das fest gestellt, durchbohren schwarze Augen Meine. Innerhalb von Millisekunden entweiche ich dem ausdruckslosen, festen Augenkontakt und senke meinen Kopf. Mir wird heiß und als ich überprüfen will, ob sich Snapes kalter Blick immer noch auf mich richtet, werde ich immer noch von den tief dunklen Augen fixiert. Ich traue mich nicht, noch einmal hoch zu schauen, sehe aber aus dem Augenwinkel, dass auch er sich wieder seiner Arbeit zugewandt hat.

Als die Stunde beendet ist, stürme ich voller Scham, aber auch Adrenalin aus dem Raum und mache mich auf den Weg zu meinem Zimmer...

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