Angriff der Dementoren

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Die Nachricht traf noch vor der Zubereitung des Abendessens ein. Bill Weasley und der ganze Rest des Ordens hatten eben eine Besprechung durchgeführt, während Felix mit den Zwillingen, Ron und den zwei Mädchen im Wohnzimmer Zaubererschnippschnapp gespielt hatte. Mit Genugtuung hatte er bemerkt, dass Lewis ihn den restlichen Tag über nicht angesprochen hatte.
Dann aber ertönten hektische Schritte und kurz darauf drangen aufgeregte Stimmen aus dem Speiseraum zu ihnen. Neugierig legten sie die Karten weg und schlichen sich durch den Flur. Zum einen, dass Mrs Black nicht wieder aufwachte und zum anderen, dass sie niemand beim Lauschen erwischte. - Beides hing irgendwie zusammen.

„...kann nicht wahr sein!"
„Dementoren?"
„In Little Whingin?"
„Vor vielleicht zwanzig Minuten erreichte mich die Nachricht."
„Aber sollte Mundungus nicht..."
„Er ist anderweitigen Beschäftigungen nachgegangen. Nein, Sirius, ich nehme ihn mir noch zur Brust. Es war ein ein wahnsinniges Glück für Harry, dass Mrs Figg in der Nähe war und ihn und seinen Cousin nach Hause gebracht hat."
„Geht...geht es allen gut?"
„Ja. Aber da Harry in der Öffentlichkeit und in der Anwesenheit eines Muggels Magie anwendete, wird Fudge ihn jetzt in zu einer disziplinarischen Anhörung zitieren."
„Was? Aber..."
„Das ist doch absoluter Schwachsinn."
„Meine Rede, Moony."
Starr sahen die Kinder sich an. Ein Dementorenangriff auf Harry?
Wenn das alles war, aber kein Zufall. Definitiv hatte jemand diese Kreatur auf den Jungen gehetzt!

„Auf jeden Fall müssen einige den Jungen hierher bringen und..."
„Ich gehe! Los geht's!"
„Nein, Sirius. Sobald dich jemand sieht und erkennt, und wenn es ein Muggel ist, dann bist du so gut, wie tot."
„Harry ist mein Patensohn!", fuhr Sirius auf, „Ich habe geschworen, ihn mit meinem..."
„Tot nützt du niemandem etwas. Harry erst recht nicht. Du wirst ihn vorerst anderen Ordensmitgliedern anvertrauen müssen. Ich habe schon etwas in die Wege geleitet, dass er in einigen Tagen alleine zu Hause ist. Bis dahin ist er in Gewahrsam der Dursleys in Sicherheit. Ich schlage vor, dass Alastor, Remus und Nympha..."
Ein Zischen ertönte.
„...Tonks gehen. Ich habe Kingsley bereits Bescheid gesagt, er trifft übermorgen mit einigen weiteren Ordensmitgliedern hier ein."
Ein Plumpsen war ertönt. Sicher hatte Sirius sich auf einen Stuhl fallen lassen.
Doch als der Schulleiter im nächsten Moment begann, sich lautstark über Mundungus aufzuregen (wenn er das in die Tat umsetzte, was er sagte, hätte Mundungus sich lieber selber den Dementoren ausgesetzt, anstatt Dumbledore gegenüberzutreten) und völlig wirr über Harrys bevorstehende Rettungsaktion sprach, entfernte Fred sich Richtung Treppe und winkte sie hinterher.

Sobald sie das Zimmer der Jugendlichen betreten hatten, setzten sie sich, wo auch immer gerade Platz war.
„Also. Was meint ihr?"
George sah neugierig in die Rune. Felix ließ sich nach hinten fallen und lag nun flach auf dem Boden.
„Klingt so, als wird jemand langsam ungeduldig. Harry ist wohl schon zu lange am Leben."
„Du...du meinst...Voldemort hat den Dementor auf Harry gesetzt?", flüsterte Hermine.
Sie zuckten zusammen, aber dann nickte Felix.
„Ja." Er räusperte sich. „Voldemort."

Er würde sich definitiv nicht davor scheuen, seinen Namen auszusprechen, egal wie die anderen reagierten. Vor Wochen war er ihm das erste Mal gegenübergetreten, hatte gespürt, wie grausam dieser Mann war und  er hatte gesehen, dass er besiegbar war. Voldemort durfte nicht unterschätzt werden, dafür hatte er zu viel Charakter. Er war ehrgeizig, ungewöhnlich intelligent und talentiert. Aber sie hatten eine Chance. Sie konnten gegen ihn ankämpfen.

~

In den nächsten zwei Tagen zog sich die Zeit in Sirius' Haus dahin, wie ein Lakritzzauberstab. Hermine und Ron hatten von Harry zwar einen Brief bekommen, in welchen in knappen Sätzen die Ereignisse des Abends standen, aber es war ihnen verboten worden, zu antworten. Sirius hatte, Felix' Vermutung nach, auch einen bekommen.

Und dann war endlich der Tag herangerückt, an dem sie Harry zu sich holen würden, auch wenn es noch bis zum Abend dauern würde, bis er alleine war.
Und bis dahin...verbrachten sie die Zeit noch mit dem Entrümpeln des Hauses.

Nach dem Mittagessen fielen die Meisten Mitglieder des Ordens in ein Mittagsloch und verabschiedeten sich, um sich etwas auszuruhen.
Felix selbst nahm sich ein Buch und setzte sich in den Speiseraum. Es war ein alter Roman seines Ziehvaters.
Frankenstein
Sein Ziehvater hatte dieses Buch geliebt. Er hatte gemeint, dass der Muggel, die Frau, die es geschrieben hatte, wohl eine der brilliantesten unter Ihresgleichen war. Aber Felix hatte erst, seit er hier war gewagt, darin zu lesen. Bis dahin hatte er nicht so recht gewusst, ob diese Art der Lektüre etwas für ihn war.

War es.
Er sah gerade dem völlig irrsinnigen Doktor dabei zu, wie er einen, aus verschiedenen Körperteilen zusammengesetzten, Menschen mithilfe eines Blitzes zum Leben erweckte. Er fragte sich, warum gerade ein Muggel einen Inferius mit Absicht erschaffte, aber dieser Viktor war wohl einfach nur neugierig.
Und er war sehr ehrgeizig, da er nach einem ersten misslungenem Versuch einfach weitermachte.

Die Tür öffnete sich und er sah auf. Er biss sich auf die Zunge und sah sofort wieder nach unten, um den Buchstaben weiter zu folgen. Malcom Lewis blieb erst unschlüssig stehen, aber dann ging er durch den Raum und setzte sich, den Tagespropheten in der Hand.
Einfach ignorieren, dachte Felix konzentriert. Er musste einfach weiter der Handlung folgen.
Das gelegentliche Rascheln des Zeitungspapieres war immerhin nicht allzu störend. Und solange er seinen Mund hielt, würde...

„Was liest du da?"
Tief atmete Felix ein, dann sah er auf.
„Was?"
Professor Snape hätte ihn jetzt vermutlich angeschnauzt, dass das Wie bitte hieß.
Mit einem schwachen Lächeln legte Lewis die Zeitung beiseite. Fudges riesiges Gesicht thronte auf der Titelseite.
„Ich habe dich gefragt, was du da liest. Sieht interessant aus."
Wortlos hob Felix das Buch, damit er einen Blick auf den Einband werfen konnte. Dann wollte er weiterlesen. Möglichst, ohne auf den überraschten Gesichtsausdruck einzugehen.
„Mary Shelley? Wow, das hätte ich jetzt  nicht erwartet."
„Irren ist menschlich", erwiderte Felix zynisch.
Ein leises Lachen erfolgte.
„Ja, schon. Aber ich hätte nicht mit so einem Klassiker gerechnet."
„Tja, ich werde mich in der Winkelgasse sowieso nach etwas anderem umsehen. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte."
„Ich dachte jetzt, vielleicht interessiert dich modernere Lektüre oder ein Buch über Quidditch mehr", versuchte Lewis das Gespräch fortzusetzen und entnervt klappte Felix das Buch zu.

„Was genau wollen Sie von mir?"
Lewis hielt kurz inne und presste seine Lippen aufeinander. Dann:
„Ich würde dich nur gerne...verstehen. Besser kennenlernen. Mich mit dir unterhalten."
„Ich hasse Smalltalk", knurrte Felix.
„Ich wollte mich auch nicht über das Wetter unterhalten", gab Lewis lächelnd zurück.
Felix würde ihm irgendwann noch den Hals umdrehen, wenn er seine Mundwinkel nicht irgendwann mal entspannte.
„Wäre mir lieber, wenn Sie mich im Gegenzug in Ruhe lassen."

Der Mann seufzte.
„Weißt du, ich konnte es mir wirklich nicht erlauben, mich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Schon allein, als ich nach Amerika gereist bin, bin ich auf sehr viele Hindernisse gestoßen. Auf meiner Rückreise bin ich mehrere Male knapp dem Tod entgangen. Zwar wusste man inzwischen, dass ich dich nicht bei mir hatte, aber ich glaube, ich habe Voldemort sehr viel Zeit und Energie gekostet, sodass mein Kopf zu seinen Füßen eine wahre Trophäe wäre. Er denkt zwar, ich wäre tot, aber ich glaube nicht, dass das noch allzu lange so bleibt."
„Und was veranlasst Sie dazu, zu glauben, dass mich das interessiert?"
„Ich...ich will nur, dass du verstehst, warum ich mich so lange versteckt habe. Wäre ich bei euch aufgetaucht, hätte ich euch in Gefahr gebracht."

Felix stand auf.
„Hat nur nicht viel gebracht. Nicht nur meine Zieheltern sind tot und meine Identität wurde trotzdem aufgedeckt, noch bevor ich selbst sie kannte. Nein, meine richtige Mutter wurde auch umgebracht und Sie haben nichts dagegen getan!"
„Felix, woher...!"
Seine Stimme klang, als würde man ihm die Luftzufuhr abdrücken und sein Kehlkopf wippte, als er schluckte.
„Felix, ich konnte wirklich nicht..."
Nein! Sie sind in diesem Flur stehen geblieben, ohne etwas zu tun. Sie haben sich versteckt und gewartet, bis es für Sie sicher war!"
Mit zitternder Unterlippe sah er ihn an.
„Ist es nicht so?", fügte er flüsternd hinzu.
Lewis setzte an zu sprechen, aber er unterbrach ihn.
„Sie sind ein elender Feigling!"
Für Felix war es eine Feststellung. Seine Stimme triefte vor Verachtung. Erst, als er bemerkte, dass die Luft im Raum gefährlich angeschwollen war, drehte er sich um und ging. Er hielt es in der Anwesenheit dieses Mannes nicht länger aus.

Der Erbe des Prinzen - Der ÜberlebendeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt