Der Irrwicht

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„Wo sind denn Fred und George?"
Moody drehte seinen Kopf.
„In ihrem Zimmer. Verstauen eben eine ziemlich zweifelhafte Errungenschaft", knurrte er und Felix hätte fast seine Augen verdreht.
„Dankschön, sagte er jedoch nur und schritt schnell aus der Küche.
Möglichst schnell stieg er den Treppenstufen hoch, an den Elfenköpfen und dem Salon vorbei und...er hielt inne.
Leises Schluchzen war zu hören, dann Harrys zitternde Stimme.
„Mrs Weasley?"
Sein ursprüngliches Ziel war vergessen und vorsichtig ging er näher. Als er jedoch in den Salon trat, konnte er seine Augen nicht trauen.
Harry stand wie angewurzelt da, Mrs Weasley hatte sich auf den Boden gekauert, die tränenverschmierten Augen auf Bill gerichtet, der reglos vor ihr lag. Die Gliedmaßen unnatürlich verdreht, die Augen weit aufgerissen.

"Bill?", flüsterte Felix völlig entgeistert und trat langsam neben Harry.
Das war nicht möglich. Er war unten. Bei den anderen. Wohlauf.
Doch Mrs Weasley hob ihren Zauberstab und richtete ihn auf ihren Sohn.
R...r...riddikulus!"
Es gab einen Knall und an Bills Stelle lag nun Mr Weasley. Die Brille schief auf seiner Nase und ein Rinnsal Blut lief über sein Gesicht. Sie schluchzte auf.
„Nein! R...riddikulus! Riddikulus! RIDDIKULUS!"
Es gab einen weiteren Knall. Tote Zwillinge.
Felix schluckte.
Toter Charlie. Toter Percy. Toter Harry Potter.

„Mrs Weasley! Sie müssen hier raus!", rief Harry und riss so Felix aus seiner Starre.
Mit einem Ruck zog er einen Zauberstab und richtete ihn auf den Irrwicht.
Riddikulus!"
Der nächste Knall ließ seine Eltern erscheinen. Aber er war darauf vorbereitet gewesen, ein weiterer Schwenk und sie waren verschwunden gewesen. Oder sollten es auf jeden Fall. Denn anstatt dass der Irrwicht verschwand, lag nun jemand ganz anderes hier. Jemand, mit dem er jetzt nicht gerechnet hätte.
Er starrte auf die leblose Gestalt, ohne ein weiteres Wort herauszubringen.

„Was ist hier los?"
Lupin stürmte in den Raum gefolgt von Sirius und Moody, welcher sich schwer auf seinen Stock stützte.
Ein schneller Blick und er hatte die Situation erfasst.
Riddikulus!", sagte er mit fester Stimme und mit einem weiteren Schwenk verschwand der Vollmond.
Im nächsten Moment vergrub Mrs Weasley ihr Gesicht in den Händen und brach nun völlig in Tränen aus.
Schnell drängte Lupin sich an Felix vorbei, der immer noch auf die Stelle starrte, an der eben seine leibliche Mutter gelegen hatte.
„Molly", sagte er mit rauer Stimme. „Molly, nicht...alles gut."
Er hockte sich zu ihr und schloss sie in eine feste Umarmung.
„Molly, es war nur ein dummer Irrwicht", flüsterte er, während sie sich an seiner Schulter ausweinte.

Unter dem Gefühl beobachtet zu werden, sah Felix auf. Sirius wandte eben seinen Blick ab und fixierte ihn stattdessen auf seinen Freund, welcher Mrs Weasley immer weiter beruhigende Worte zuflüsterte.
Dann strich er Harry flüchtig über die Schulter und schritt aus dem Raum.
Felix warf den Anwesenden noch einmal einen unsicheren Blick zu, dann folgte er ihm schnell.

„Sirius? Darf ich...darf ich dich was fragen?", rief er, aber Sirius blieb nicht stehen.
Er drehte sich einfach nur kurz um und sagte:
„Jetzt nicht, muss noch etwas erledigen. In einem der Räume sind noch Zahnfeen. Frag doch einfach Remus!"
Damit verschwand er an der Treppe und verdattert sah Felix ihm hinterher. Was war denn das gewesen?
„Alles in Ordnung?"
Die Zwillinge tauchten neben ihm auf und warfen einen Blick in die Richtung des Salons.
„Ist das...ist das Mum?"
„Was ist denn passiert?"
„Hm? Achso, das. Ja, sie...der Irrwicht. Aber...ist schon alles wieder in Ordnung", murmelte Felix zur Antwort. „Gehen wir wieder zurück."

~

Sirius war an dem Abend nicht mehr aufzufinden. Grotesk, wenn man bedachte, dass er das Haus nicht verlassen konnte. Nicht verlassen durfte. Aber es war wohl anzunehmen, dass er sich auch daran hielt.
Nur leider nützte Felix das trotzdem nichts, egal, wo er suchte oder wen er fragte.
Nicht einmal Professor Lupin wusste, wo sein Freund steckte.
Erst am nächsten Morgen, Felix hatte in der letzten Nacht keine drei Stunden schlafen können, sah er ihn wieder.
Da er relativ früh in der Küche war, erwischte er den Zauberer, als er sich eben mit einer Tasse Kaffee an den Tisch setzen wollte.

Bei seinem Eintreten stockte Sirius kurz, dann setzte er sich jedoch wie vorgehabt.
„Guten Morgen", murmelte er nur und zog demonstrativ eine der Zeitschriften zu sich.
Felix wandte seinen Blick zur Tür, überlegend, ob er auf den Handwink eingehen soll.
Er entschied sich dagegen. In wenigen Stunden brachen sie bereits zum Bahnhof auf, da blieb nicht mehr viel Zeit dafür. Und einen Brief zu schreiben, wäre zu unpersönlich und war definitiv nicht für so eine Frage gedacht. Es war schon so schwierig genug, sie zu formulieren.

„Sirius?"
„Hm?", brummte der nur, den Blick stur auf das Bild von einem schwarzen, glänzenden Motorrad gerichtet.
„Darf ich dich etwas fragen?"
Sirius klappte die Zeitschrift zu, schob sie weg und sah dann zu Felix. Er sah etwas abgehetzt aus, aber das konnte er sich auch einbilden.
„Kanntest du meine Mum?"
Unbewusst beugte er seinen Oberkörper etwas nach vorn.
„Ob ich deine Mum kannte?", erwiderte Sirius stirnrunzelnd. „Aber natürlich. Wir waren doch alle im selben Jahrgang und im Orden des Phönix. Weißt du doch."
„Nein, nein, das meine ich nicht", beeilte sich Felix schnell zu sagen. „Aber du...gerade nach gestern habe ich das Gefühl, dass...dass ihr ziemlich gut befreundet wart. Na ja...sehr gut."
Felix biss sich auf die Unterlippe, aber Sirius gab nur ein Ächzen von sich und rieb sich über die Augen.

„Kann sein, dass wir uns schon in der Schulzeit etwas öfter...unterhalten haben."
Auf Felix' Blick hin fügte er hinzu:
„Ja, wir waren eigentlich wirklich gut befreundet. Dafür, dass sie eine Slytherin war, war sie sehr..."
Seine Mundwinkel zuckten, was er mit dem Heben seiner Schultern überspielte.
„Sie war eben Clarice Brooks. Sie wusste, was sie wollte. Und sie hat auch nichts gegen Muggelstämmige oder gegen sonst wen gehabt. Es war ihr egal, wer die Leute waren."
„Und da habt ihr vier euch mit ihr..."
„Nein, nein, das nicht. Sie gab sich eigentlich immer mit Mel oder ein, zwei Mädchen aus ihrem Haus ab. James und Peter mochten sie nicht besonders. Remus hat ja am Anfang erst einmal generell nichts gegen eine Person, solange er nicht einen plausiblen Grund dafür hat. Sie und er haben sich erst als Mitglieder des Ordens wirklich kennengelernt."

„Aber du hast dich näher mit ihr...abgegeben?", hakte Felix nach.
Sirius nahm einen tiefen Schluck seines Kaffees.
„Was heißt hier näher?", murmelte er. „Ja, gut, kann sein, dass ich vielleicht mal ein paar Monate für sie geschwärmt habe, das war es aber auch schon. Sie hatte eh nur Augen für Malcom."
Er brummte kurz. Felix sah auf seine Hände, die er auf den Tisch gelegt hatte.
„Sonst noch...hast du noch weitere Fragen?"
Er sah wieder auf. „Ich..."
Er stockte und sah für einen Moment in die grauen Augen seines Gegenübers. Sein linkes wurde von einer dünnen, schwarzen Locke unterbrochen.
Er schüttelte lächelnd seinen Kopf.
„Nein, hab ich nicht. Ich war gestern nur verwirrt, du...du sahst ein wenig bestürzt aus, als du sie gesehen hast", sagte er leise.
„Es kam schon unerwartet, sie nach all den Jahren wieder vor die Nase gesetzt zu bekommen."

Sie schwiegen und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Felix hatte seine ursprüngliche Frage, seine Vermutung, schon längst wieder abgehakt.
Das war einfach nur eine fixe Idee gewesen, vielmehr sollte er...
Die Tür öffnete sich und Tonks schlurfte gähnend in den Raum.
„'orgen, Cousin", nuschelte sie und trottete auf geradem Wege nach nebenan, höchstwahrscheinlich, um sich einen Kaffee zu holen.
„Morgen, Cousinchen", meinte Sirius grinsend.
Nichts wies darauf hin, dass er gerade eine etwas bedrücktere Laune gehabt hatte.
„Ach, und m...morgen, Artgenosse."
Damit verschwand sie im nächsten Raum und Sirius prustete los. Felix brauchte nicht lange, um mit in sein Lachen einzufallen.

Der Erbe des Prinzen - Der ÜberlebendeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt