It's in the way you're walking

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Er sah auf. Bis jetzt hatte er auf seinem Bett gesessen und auf die Fensterscheibe gestarrt, an der sich die unzähligen Regentropfen Wettrennen bis nach unten lieferten.
Jetzt traten Lee und die Zwillinge ein. Sie alle drei blieben abrupt stehen und er sah schnell wieder nach unten. Eine Hand an dem Anhänger seiner Kette.
Ein leises Klicken ertönte, als George die Tür zuzog, sonst war es still. Sogar, als er und sein Bruder durch den Raum gingen, um ihre Sachen abzulegen.
Lee stand immer noch an der selben Stelle und Felix sah vorsichtig wieder zu ihm.

Er schluckte. Rang mit sich. Rang mit seinen Worten. Felix fürchtete sich vor dem, was kommen könnte. Seine Gedanken rasten.
Schließlich schien Lee sich ein Herz zu fassen „Ich...ich wollte nur, dass..."
Tief atmete er durch und sah kurz auf den Boden. Dann sah er wieder zu Felix.
„Ich wollte nicht, dass du es weißt, nur damit du dich irgendwie...unter Druck gesetzt fühlst", sagte er schließlich mit belegter Stimme. „Ich wollte nur, dass du weißt, dass du mir wichtig bist, egal, was du zu mir sagst und egal, was...was ich zu dir sage. Und...und es ist mir auch egal, was...andere darüber denken. Ich bin nun einmal so und ich...ich schäme mich nicht dafür."
Felix schwieg. Betrachtete mit einem stechenden Magengefühl die glitzernden Augen.
Das Ticken der Uhr schien plötzlich ohrenbetäubend laut und es strengte ihn an, sich nicht darauf, sondern auf Lee zu konzentrieren.
„Und...ich wollte, dass du es weißt, damit du dir sicher sein kannst, dass ich dir verzeihe und dass ich mich liebend gerne wieder mit dir vertragen würde. Eine ganz normale Freundschaft reicht mir schon, ich will nur, dass wir wieder miteinander reden, ich will doch nur wieder Zeit mit dir verbringen.."

Er verstummte. Seine Brust hob und senkte sich unter den tiefen Atemstößen und er presste seine Lippen fest zusammen, wohl, damit niemand sah, wie sehr sie zitterten. Stillschweigend beobachteten die Zwillinge die Szene. Höchstwahrscheinlich wären sie draußen geblieben, hätten sie geahnt, dass Lee nun seine Gefühle gestehen würde.
Felix sah wieder auf seine Knie. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er wollte sich mit ihm vertragen. Wollte ihm sagen, dass er vermutlich sogar genauso empfand. Doch etwas tief in seinem Inneren hemmte ihn. Er war nicht fähig, irgend eine Reaktion von sich zu geben. Er öffnete seinen Mund, aber es kam kein Wort heraus, er war viel zu sehr damit beschäftigt, genug Luft zu bekommen. Fast ein wenig hilflos saß er auf der Bettkante.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Lee seinen Kopf senkte und sich dann zur Tür wandte. Oder es war einfach nur sein verfluchter Verstand, der ihn hemmte?
Eine Idee, welche sich in ihm festgesetzt hatte?
„Lee. Warte!"
Er hielt inne, die Hand bereits nach dem Türknauf ausgestreckt, und drehte sich langsam um. Hoffnungsvoll auf Felix schauend, dessen Blick nun zu den Zwillingen zuckte.
„Mir ist eingefallen, ich habe noch etwas...in der Eulerei vergessen. Hilfst du mir, George?"
„Sofort, Fred."
Eilenden Schrittes verließen die Zwillinge den Raum und ließen sie alleine.

Felix erhob sich. Seine Kehle schien zugeschnürt, das Herz war ihm schon längst in die Kniekehlen gerutscht. Er sah zu Lee, welcher erst Fred und George hinterhergesehen hatte, jetzt aber seinen Blick erwiderte.
„Ich...vermisse dich auch, Lee", begann Felix dann mit leiser, krächzender Stimme. „Du hattest recht, es ist...es ist schrecklich. Und hätte ich geahnt...hättest du mir gesagt, dass du...dass du so für mich empfindest..."
Er schluckte und blinzelte mit allergrößter Mühe die Tränen weg, welche sich schon wieder in seinen Augen sammelten.
„Ich hätte mich vielleicht getraut, meine Gefühle...ich hätte mich getraut, es zuzugeben. Aber so...habe ich es ignoriert, habe mir eingeredet, dass es nichts ist, dass wir einfach nur Freunde sind. Dass es nicht mehr ist, obwohl es mich manchmal fast...es tat weh. Den Gedanken, dafür verurteilt zu werden, trotz der guten Freundschaft..."

Er stockte, unfähig weiterzusprechen. Lee stand immer noch wie erstarrt mitten im Raum. Der Regen prasselte nun noch lauter gegen das Fenster und Felix hoffte, dass Fred nicht wirklich etwas in der Eulerei vergessen hatte, sonst würden sie innerhalb von Sekunden bis auf die Knochen durchnässt werden.
„Du...das...das heißt, dass du...", flüsterte Lee fassungslos und er nickte langsam.
„Ich glaube, bis...bis letztes Jahr habe ich es gar nicht wirklich...verstanden. Aber ich würde gerne wieder Zeit mit dir verbringen und..."
Lee trat einen schnellen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn. Erschrocken schnappte Felix nach Luft, aber er umarmte ihn so fest, wie er es noch nie getan hatte. Ein Schluchzer fuhr über seine Lippen.
„Danke", flüsterte er und krampfte die Finger in den Stoff seines Pullovers. Seine Schultern bebten und Felix lächelte für einen kurzen Moment. Den Kampf gegen die Tränen hatte er aufgegeben.
„Du bist kein trotteliger Dämlack, Lee. Und...und du bist auch nicht ätzend oder...verachtenswert. Und ich vermisse dich auch. Alles an dir."

Felix sah, am ganzen Körper bebend, zur Tür, während er den Jungen nun ebenfalls fest an sich drückte.
„Dein Lachen und...und deine gute Laune, deine Angeberei, deine verrückten Momente. Einfach alles. Und...und ich habe das nur getan, habe es nur provoziert weil...weil ich nicht wollte, dass du in Gefahr bist. Ich..."
Er vergrub den Kopf in seiner Schulter und atmete den bitteren Geruch des Jungen ein. Den Geruch von Lakritz und den Geruch von Leder, obwohl er einen Quaffel vermutlich noch nie länger als fünf Minuten in der Hand gehabt hatte. Und dann war da noch diese Note, die er einfach nicht genau definieren konnte.
„Ich wollte nicht, dass ich dich eines Tages sehe und...und dir wird ein Zauberstab an den Hals gehalten und...und...scheiße, es tut mir so unfassbar leid", schluchzte er.

„Glaub mir", erwiderte Lee leise. „Ich verstehe es. Und ich bin...ich bin dankbar für diesen Streit. Ich..." Er atmete tief durch. „Ich hätte es dir sonst nie gesagt."
Felix lachte auf. Kurz. Bevor es wieder zu einem Schluchzen überging.
„Verzeih mir", wiederholte er. „Verzeih mir bitte. Ich hab dich echt gern, ich...ich liebe dich."
„Oh, Felix. Natürlich verzeih ich dir. Alles. Ich liebe dich auch, hörst du?"
Er verstärkte den Griff um Felix, welcher immer mehr zitterte. So sehr, dass er glaubte, seine Beine würden ihn nicht mehr halten.
„Ich liebe dich auch!"

~

Immer noch ungläubig betrachtete er seine Freunde. All die Vorkommnisse in den letzten Wochen, in den letzten Monaten...all das schien unbedeutend. Er hatte sie wieder. Und Lee...der Junge schien so ausgelassen, wie schon ewig nicht mehr. Er plänkelte munter mit den Zwillingen, vergaß darüber sogar sein Abendessen, und Felix selbst vernachlässigte seinen Teller ebenfalls, während er seinen Blick kaum von ihm abwenden konnte.
Er lächelte. Er bedauerte es nicht, dass er nicht schon eher von Lees Gefühlen wusste. Er wäre restlos überfordert gewesen, aber jetzt...

„Hey, Fe. Was hältst du davon, wenn wir morgen noch einmal schwimmen gehen?"
Felix lachte leise. „Es ist fast Oktober. Meint ihr nicht, für ein Bad ist es etwas zu kalt?"
Die Zwillinge winkten ab. Sie fanden Lees Vorschlag klasse.
„Ach was. Zu kalt. Das wird wunderbar, das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht."
„Na, dann." Er lächelte. „Dann wüsste ich nicht, was dagegenspricht."
„Perfekt. Fünfzehn Galleonen, dass..."
„...wir gewinnen."
Jetzt stutzten beide. Er und Lee.
„Was denn gewinnen?"
„Na, die Wasserschlacht."
„Wir machen euch fertig."
„Das werden wir ja noch sehen", meinte Lee herausfordernd.
Felix lächelte.

„Ach ja."
Fred sah erst zu seinem Bruder, dann neugierig zu ihnen.
„Was...was hat sich denn eigentlich so...ergeben?"
Die zwei Jungen sahen sich an und Felix merkte, wie ihm die Röte den Nacken hochschoss, dann sagte Lee:
„Wir haben uns wieder vetragen."
„Ja. Und?"
„Was und?", fragte Felix.
Fred verdrehte seine Augen.
„Ja oder nein?"
George beugte sich jetzt auch nach vorne. Lee lächelte.
„Ich glaube schon. Oder?"
Fragend sah er zu Felix. Er schluckte und nickte entschlossen.
„Wenn das kein ja war, weiß ich auch nicht."
Triumphierend stieß Fred seine Faust in die Luft und George fragte:
„Und...ihr wollt es auch nicht für euch behalten oder so?"

Lee biss sich auf die Unterlippe.
„Darüber haben wir jetzt noch nicht wirklich geredet."
Er sah zu Felix.
„Wenn...wenn du das willst, verstehe ich das."
Aber er schüttelte seinen Kopf.
„Sollen die anderen doch sagen, was sie wollen. Wir müssen es ja nicht an die große Glocke hängen, aber ich stehe zu meiner Entscheidung."

Der Erbe des Prinzen - Der ÜberlebendeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt