42. Panik

50 2 0
                                    

"Und du bist also Syklar? Schön, dich endlich kennenzulernen. Ich bin Aiden!", begrüßt mich ein Junge. Er ist groß und muskulös, ja gut, wer ist das hier nicht? Außerdem hat er dunkelbraune kurze Locken und blaue Augen.

"Hi", antworte ich kurz. Aiden zieht darauf hin seine Augenbrauen hoch und sieht mich auffordernd an. Habe ich eine Frage verpasst? Verwirrt wende ich meinen Blick zu Joe. Dieser grinst nur. Tolle Hilfe! Also drehe ich meinen Kopf zu Phil, aber auch er grinst nur. Hervorragend! Zwei nicht hilfreiche Brüder und ein Junge, der mich auffordernd ansieht und ich habe keine Ahnung, was von mir erwartet wird.

"Ist sie immer so schweigsam? Das was man so über sie hört, sagt aber ganz was anderes!", spricht Aiden dann weiter. Es ist offensichtlich, dass er meine Brüder anspricht, aber dennoch stört mich diese Aussage. Ich kenne ihn nicht, warum sollte ich sofort mit ihm plaudern? Als ich das das letzte Mal bei einem Fight gemacht habe, wurde ich entführt.

"Nein, ist SIE nicht! SIE muss nur zunächst rausfinden, wem SIE trauen kann und wem nicht! Ein Trauma reicht fürs erste!", gebe ich daher schnippisch zurück und betone bewusst jedes mal das "sie". Ich hasse es, wenn Leute so über einen reden, als wären sie nicht da, obwohl sie direkt dabei stehen.

"Aha! So habe ich schon eher von dir gehört! Jetzt wirst du deinem Ruf gerecht. Und nur zu deiner Information: mir kannst du trauen. Ich kenne deine Brüder seit dem Kindergarten. Sobald sie wussten, dass du hierher kommst, haben sie mir davon erzählt. Ach und ich habe geholfen dich daraus zu holen", gibt Aiden ebenfalls angriffslustig zurück. Joe und Phil blende ich dabei vollkommen aus. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob sie noch zuhören.

"Und nur damit du es weißt: das, was diese Timid Arschlöcher gemacht haben, ist das aller letzte! Es ist egal mit wem du verwandt oder zusammen bist, wenn du nicht Teil einer Gang bist, dann haben sie die Finger von dir zu lassen! Mir tut es also ehrlich leid, was dir passiert ist!", sagt er nun sanfter.

"Danke! Und tut mir leid, ich bin-", fange ich an, aber Aiden unterbricht mich.

"Hey, du musst dich für gar nichts entschuldigen! Es ist in Ordnung Fremden zunächst zu misstrauen vor allem nach dem, was du erlebt hast." Ich lächel ihn an. Aiden scheint wirklich in Ordnung zu sein.

"Darf ich noch was fragen?"

"Fragen darfst du alles, ob ich antworte, entscheide ich dann!", gebe ich zurück.

"Nach dem was passiert ist, warum  bist du heute wieder bei einem Fight?" Warum? Warum musste es diese Frage sein? Ich kann diese Frage, doch selbst nicht sicher beantworten. Und ganz besonders, kann ich all das Chaos in meinem Kopf nicht in Worte fassen. Was soll ich jetzt also antworten? Die Wahrheit? Kann ich Aiden denn wirklich vertrauen? Ja, mein Gefühl sagt, er ist einer von den Guten, allerdings dachte ich das bei Jordan auch, als ich noch dachte, er heißt Matt.

"Einfach nur so, kein richtiger Grund", antworte ich ausweichend halbwegs ehrlich. Aiden nickt nur.

Da wird auch schon der Fight angesagt: "Hallo! Hallo! Herzlich Willkommen zu diesem Fight! Wir sehen zunächst Noah, von den Black Shadows-", er wird durch lauten Jubel unterbrochen. Noah tritt in den Ring und wirft die Fäuste in die Luft. Ich sehe von hier wie angespannt und wütend er ist. "und Jordan, von den Timid Demons!" Auch er springt ähnlich wie Noah in den Ring. Bei seinem Anblick läuft mir ein Schauer über den Rücken. Ich ziehe die große Jacke enger um mich. Ich fühle mich mehr als nur unwohl. Meinen ganzen Körper überzieht eine Gänsehaut und ich wünsche mir irgendwo außer hier zu sein.

Warum nur wollte ich unbedingt herkommen? Ich bin nicht bereit Jordan zu sehen! Und als wäre das nicht schlimm genug sehe ich in diesem Moment Jerk, wie er auf der anderen Seite des Rings steht. Mein Herz fängt an zu rasen und meine Hände fangen an zu zittern. Ich merke, wie ich immer hektischer atme und keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Ich versuche meinen Blick zu fokussieren, aber ich kann nichts wirklich erkennen. Es sind so viele Eindrücke auf einmal. So viele Menschen, die immer näher zu kommen scheinen. Und alle sehen gleich aus. Alle haben plötzlich Jerks Gesicht. Ich schließe meine Augen und hoffe, dass es besser wird.

Das Gegenteil passiert. Ich sehe wieder, wie ich bei den Timid Demons sitze und Jerk auf mich zu kommt. Ich versuche mit meinem Arm nach etwas zu greifen und berühre tatsächlich jemanden. Oder zumindest hoffe ich, dass es eine Person war.

"Sky! Skylar! Hallo!", höre ich dumpf eine Stimme, aber ich kann sie nicht zuordnen. Es ist alles ein Rauschen. Und plötzlich verliere ich den Boden unter den Füßen. Nicht weil ich umkippe, sondern weil mich jemand hochhebt. Das nächste was ich wahrnehme, ist ein harter Boden auf dem ich sitze und ein Windzug. Dazu höre ich weiterhin irgendwelche Stimmen und sehe Umrisse.

"Man Skylar! Mach keinen Mist!", höre ich eine Stimme.

"Okay, Sky. Fokussiere dich nur auf mich! Hör auf meine Stimme. Denk an nichts anderes. Es ist egal wo wir sind oder wer hier ist. Alles was zählt ist meine Stimme. Und jetzt atme tief ein. Und wieder aus. Und gleich nochmal. Atme ein. Und atme aus", ich mache genau, was mir gesagt wird. Langsam wird die Welt wieder klarer. Ich sehe Joe, der vor mir kniet und mich an beiden Schultern festhält.

"Kannst du mich hören, Skylar?", fragt Joe. Ich nicke. Ich nehme langsam wieder alles wahr und meine Atmung und mein Herz beruhigen sich auch wieder. Ich schließe kurz meine Augen und atme noch zweimal tief durch. Dann öffne ich sie wieder und sehe alles deutlich. Außer Joe sind noch Phil und Aiden hier draußen und ich sitze neben dem Eingang zur Lagerhalle.

"Gehts wieder?", fragt Joe. Ich nicke wieder. Joe nickt Phil und Aiden zu und schickt sie nach drinnen. Dann setzt er sich neben mich.

"Was ist da drinnen passiert, Sky?", fragt er mich ernst.

"Jordan ist der, der mich entführt hat. Er hat sich beim letzten Fight als Matt vorgestellt und mir gesagt, er  sei ein Kumpel von Noah und Kyle. Er hat mein Vertrauen gewonnen und mich dann entführt. Und dann stand da drinnen noch Jerk. Er" - ich werde durch mein eigenes Schluchzen unterbrochen - "er hat mich angefasst. Er hat mich an die Wand gedrängt, mich mit seinen Händen überall angefasst und er hat mich geküsst! Ich habe ihm in den Schritt getreten und ihn gegen die Wand geschubst. Dann bin ich weggerannt! Er wollte mich ver-" und wieder bricht meine Stimme und ich bringe es nicht über die Lippen den Satz zu vollenden.

"Hey, es ist alles gut! Ich bin bei dir. Dir passiert nichts mehr! Ich bin so froh, dass du dich wehren konntest und er nichts beenden konnte! Alles, was er dir so schon angetan hat, ist schlimm genug!", versucht Joe mich zu beruhigen und nimmt mich in den Arm. Ich schluchze und lasse alles an seiner Schulter raus.

Wo gehöre ich hin?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt