49. Der nächste Morgen

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Ich schaue zu Noah. Er sieht mich schon an.

"Ich bin ehrlich: ich habe es mir schlimmer vorgestellt", sagt Noah.

"Schlimmer, als dass Phil uns anschreit und aus dem Haus stürmt?", frage ich verwirrt. Ich bin sehr enttäuscht über Phils Reaktion. Er sagt immer, dass er will, dass ich glücklich bin und wirkte in London auch so, als wäre er damit cool, wenn das mit Noah wäre, aber jetzt? Ich lasse mich aufs Sofa fallen. Noah folgt mir und nimmt meine Hände in seine.

"Er hat nicht dich angeschrien, sondern mich. Und auch das hat sich in Grenzen gehalten. Dein Bruder und ich sind seit Jahren in verfeindeten Gangs und haben schon unzählige Kämpfe gegeneinander geführt. Er kennt die Gangszene und macht sich einfach Sorgen um dich. Und ich bin ganz ehrlich: ich verstehe ihn. Ich habe die gleichen Bedenken wie er. Ich habe Angst, dass dir wieder etwas durch die Gangs passiert. Aber ich würde alles tun, um dich zu beschützen. Und das will Phil auch. Er liebt dich und würde dich am liebsten vor der ganzen Welt verstecken, damit dich keiner verletzen kann. Und das kann ich ihm in keinster Weise verübeln!"

"Aber sieht er nicht, dass du mich glücklich machst?", frage ich verzweifelt.

"Ich sag mal so, die letzten Wochen warst du nicht häufig glücklich. Und wir wissen beide, dass ich da auch nicht unschuldig dran bin. Gib ihm Zeit."

Ich lehne mich an Noah und gebe mich mit seinen Worten zufrieden. Er legt seinen Arm um meine Schulter und so sitzen wir eine Weile und ich merke, wie ich immer müder werde.


"Lass die beiden schlafen! Pssst! Komm!", höre ich leise eine Stimme und ordne sie Joe zu. Verschlafen öffne ich meine Augen einen Spalt. Das Zimmer ist dunkel und es scheint nur ein wenig Licht von draußen rein, da es anscheinend schon wieder hell wird. Joe ist nicht mehr im Raum. Ich bemerke, dass mein Kopf in Noahs Schoß liegt, während sein Arm auf meiner Schulter ruht und er im Sitzen schläft.

Es wirkt nicht sehr bequem und ich befürchte, dass er später Nackenschmerzen haben wird. Deshalb entscheide ich mich dazu ihn zu wecken. Ich gebe ihm einen leichten Kuss auf die Wange und erhalte sofort eine Reaktion von ihm. Er öffnet seine Augen einen Spalt und reibt sich den Nacken.

"Was ist los?", fragt er verschlafen.

"Nichts, ich dachte nur, es wäre besser, wenn wir uns hinlegen. Das ist vermutlich bequemer, als im Sitzen zu schlafen."

"Oder vielleicht sollte ich-", ich unterbreche Noah - "wehe du schlägst jetzt vor, dass du gehst!"

Noah grinst: "Nein, dass wollte ich natürlich auf keinen Fall vorschlagen!"

Er legt sich aufs Sofa und zieht mich mit. Ich liege mit meinem Rücken zu ihm gedreht, während er mich in seinen Armen hält und einen Kuss in meinem Nacken plaziert.

Ich bin im Augenblick rundum glücklich. Deshalb schließe ich auch sofort wieder meine Augen und schlafe ein.


Als ich das nächste Mal wach werde, liege ich immer noch auf Noahs Arm. Sein anderer Arm ist jedoch nicht mehr um mich gelegt. Sobald ich mich drehe, sehe ich auch warum: er hält sein Handy in der Hand und tippt darauf. Als sein Blick auf mich fällt, legt er das Handy beiseite und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

"Na? Gut geschlafen?", fragt er mich. Ich nicke nur und setze mich auf, was Noah mir gleich tut.

Wir sitzen noch ein wenig nebeneinander, bevor wir uns nacheinander ein bisschen im Bad frisch machen. Dann verabschiedet Noah sich. Ich möchte noch einmal mit meinen Brüdern, besonders mit Phil, sprechen und denke sie werden ehrlicher sein, wenn Noah nicht da ist. Außerdem sollte ich meine Mama noch anrufen.

Wo gehöre ich hin?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt