Kapitel 5 - Der Tod des Credence Barebone

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Das unerwartete Treffen mit Albus Dumbledore hatte Grindelwald nur noch mehr von seinen Plänen überzeugt. Es wurde an der Zeit zu handeln. Seine Worte durften nicht länger nur Worte bleiben. Zu lange hatte er geruht, zu lange hatte er sich versteckt, zu lange hatte er sich von seinem Gewissen verunsichern lassen. Mit fester Überzeugung stand er auf und griff nach dem Elderstab, der unruhig auf einer Kommode gelegen hatte. Mit einem lauten Knall disapparierte er nach Hogsmeade.

Anhand eines einfachen Verwandlungszauber bescherte er sich das Gesicht, eines Fremden. Es war dasselbe, welches er schon vor Albus benutzt hatte. Doch dieses Mal ging es nicht um Albus: es ging um Credence. Der Junge war Aberforths Schützling und seine Wut brauste sich bei dem Gedanken an diesen Namen immer mehr auf. Aberforth, diese Ziege. Ohne ihn hätte sich Albus nie von ihm abgewandt, ohne diesen Menschen hätte Ariana nie sterben müssen. Der jüngere Dumbledore Bruder war schuld daran, dass es zu all dem gekommen war. Hätte die Ziege doch nur ihre vorlaute Klappe gehalten. Doch nun würde er es büßen, das hatte sich Grindelwald geschworen.

Grimmig, in einen dicken schwarzen Mantel gehüllt, betrat Grindelwald den Eberkopf. Aberforth begrüßte ihn freundlich. „Was kann ich Ihnen bringen?". Grindelwalds Augen funkelten, dieses Funkeln war nicht das Funkeln, das er Albus schenkte, ganz im Gegenteil: Es war ein hasserfülltes Funkeln. Gellert erinnerte sich daran, sich zusammenreisen. Er musste es, auch wenn er dem Wirt gerne die Nase gebrochen hätte, doch es stand zu viel auf dem Spiel. „Ein Glas Rotwein und eine Scheibe Apfelkuchen". Aberforth notierte sich die Bestellung und verschwand hinter dem Tresen.

Gellert schloss langsam die Augen und atmete tief ein. Er spürte die Anwesenheit des Jungen. Er spürte, wie der Obscurus die Kraft aus dessen Adern zog. Der Junge würde sterben, selbst wenn sein Plan misslang. Leise erhob sich Grindelwald aus dem Stuhl und schlich unbemerkt die Treppe nach oben. Dort lag der Junge, still, ruhig in einem Bett. Er sah so friedlich aus. Nach einem kurzen Blick über die eigene Schulter zückte Grindelwald seinen Zauberstab und legte ihn auf den Nacken von Credence. Sofern alles nach Plan lief, würde der Tod des Jungen auf seinen momentan doch sehr schwachen Zustand abgeschoben werden. Leise brachte Grindelwald den Todesfluch über seine Lippen. Ohne, dass der Junge an Schmerz leiden musste, schlief dieser ein – für immer.

Gelassen ging Grindelwald die Treppen hinunter und ließ sich unauffällig auf seinen Platz nieder. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Der Junge war tot und so brutal es auch klingen mag, es war besser für ihn – für alle.

Kurz darauf servierte Aberforth dem Gast seine Bestellung. Grindelwald lehnte sich zurück und genoss den kürzlichen Erfolg. Zu oft hatte er in letzter Zeit den Kürzeren gezogen und nun schien zumindest ein Teil seines Planes aufgegangen zu sein. Mit einer Seelenruhe aß Grindelwald seinen Kuchen, bezahlte und ging mit einer außergewöhnlich guten Laune aus dem Lokal. Doch kaum hatte er den schneebedeckten Boden berührt so überkam ihn ein ungutes Gefühl. Er erinnerte sich an den Tag, an dem Ariana starb – seinetwegen. Er hatte dieses Mädchen mehr ins Herz geschlossen, als er es sich eingestehen wollte. Auch nach all der Zeit, die vergangen war, hatte er sich nie verziehen – nie.

Grindelwald apparierte zurück nach Nurmengard. Er hätte sich am liebsten selbst eine Verpasst. Warum, warum musste er sich um den Jungen scheren? Früher oder später hätte es ihn sowieso getroffen? Warum also jagte ihn sein Gewissen so hinterher? Mit einem lauten Schlag auf den Tisch fegte er diese Gedanken aus seinem Kopf. Mit jedem Schritt, den er tat, kam er seinem Ziel näher, mit jedem Zug, den er machte, wurde seine Vision wirklicher. Ein gefährliches Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit, eines, das nicht einzuordnen war. Es grenzte an leichtem Wahnsinn. Geschmeidig warf er den Mantel von seinen Schultern und ließ sich auf ein Sofa fallen.

Aberforth wollte, nichts ahnend, seinem Sohn etwas zu Essen bringen. Vorsichtig öffnete er die Zimmertür und bekam einen ruhig daliegenden Jungen zu Gesicht, dessen Brustkorb sich weder hob, noch senkte. Aberforth ließ den Teller fallen und eilte zum Bett. Er griff nach der Hand des Jungen und fühlte dessen Puls. Sein Herz setzte bei der Berührung aus. Die Hand war eiskalt und das Herz des Jungen hatte aufgehört zu schlagen. Aberforth konnte sich nicht bewegen, der Klos in seinem Hals wurde größer und machte es für den Zauberer unmöglich zu schreien. Eine kleine Träne, gefolgt von einer weiteren, lief seine Wange hinunter. Gerade, in diesem Moment, kam Albus in den Raum. Sofort blieb er stehen, seine Augen wanderten abwechselnd zu Aberforth und Credence.

Langsam ging er auf seinen Bruder zu und legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Den Tod kann man nicht beeinflussen und dennoch schmerzt er mehr, als es einem lieb ist". Aberforth blickte zu seinem Bruder auf. „Geh mir aus den Augen", motze ihn dieser an. Überrascht trat er einen Schritt von Aberforth weg. „Wegen dir und Grindelwald musste ich meinen Sohn verlieren. Nie hattest du Zeit für deine Schwester! Immer musste ich alles tun!". Albus versuchte vergebens seinen Bruder zu besänftigen, doch dies machte alles nur noch schlimmer. „Sie ist gegangen, weil ich nie Zeit für sie hatte! Aber du konntest Tag und Nacht mit diesem Mistkerl verbringen! Geh doch zu ihm, heul dich bei ihm aus, so wie du es damals getan hast, als unsere Mutter starb!". Sprachlos wandte sich Albus von seinem Bruder ab. Newt kam in den Raum gestürzt, doch Albus nahm die Welt um ihn herum nur verschwommen wahr. Es herrschte Stille in seinen Ohren, auch wenn er bemerkte, wie Newt versuchte auf ihn einzureden. Er konnte sein eigenes Blut in seinen Adern pulsieren hören. Instinktiv verließ er das Lokal und ging nach draußen.

Schwer atmend ließ er sich an einen etwas abgelegen Ort in den Schnee fallen. Seine Hände zitterten und sein Puls war ungewöhnlich hoch. Ein Gefühl von Übelkeit überkam ihn, er wusste nicht, wohin er konnte, was er machen sollte. Gellert, ein Name, ein Gedanke. Mit letzter Kraft richtete er sich auf und konzentrierte sich auf diesen Mann. Bis sich die Welt, um ihn zu drehen begann, mit einem lauten Knall disapparierte er, weg von all dem Trubel, der ihn umgab, weg von Aberforth – zu Gellert.


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