Ich hatte es geschafft Erik den gesamten letzten Tag zu ignorieren, oder besser gesagt nur das nötigste mit ihm zu kommunizieren.
Gemerkt hatte er es garantiert, wenn man die Blicke beachtet, die er mir seit gestern Morgen zugeworfen hatte, aber er schien wohl auch zu merken, dass ich einfach ein wenig Zeit brauchte, um über das zu reden, was mich belastet. Wenn ich es denn überhaupt je tun werde.
Die Verabschiedung mit der Gruppe fiel relativ herzlich aus. Es gab viele Umarmungen und natürlich hatten wir schon unser Instagram ausgetauscht. Nummern auszutauschen, schien hier wohl nicht wirklich üblich zu sein.
Alle versprachen sich ein wenig in Kontakt zu bleiben, denn man weiß ja nie, vielleicht sähe man sich ja mal wieder. Was ich jedoch stark bezweifelte, wenn ich über meine Fähigkeiten des in Kontakt Bleibens so nachdachte.
Ich war eher so der Typ, der eine Nachricht liest und sich sagt, dass er sie dann später beantworten wird. Was dann auch mal eine Woche dauern kann und wenn die Antwort mehr in Richtung eines ausgeschmückten Danke gehen sollte, dann vielleicht auch gar keine.
Denn manchmal ist es einfach nur noch awkward viel zu spät mit einem danke zu antworten, zumindest aus meiner Perspektive. Da kam in mir wieder der sozial nicht richtig kompatible durch, wobei Erik wahrscheinlich wieder das komplette Gegenteil von mir sein wird und mit einigen von der Gruppe Kontakt halten wird.
Manchmal würde ich mich echt gerne verfluchen. Aber irgendwie hatte ich auch keine Motivation etwas an mir zu ändern. Denn irgendwie bekam ich mein Leben ja doch noch gerade so auf die Reihe. Also zumindest redete ich mir das gerne ein.
Die Autofahrt verlief die erste Stunde relativ ruhig, jedoch hatten wir für heute eine etwas längere Route rausgesucht, als die vorherigen. Gut siebeneinhalb Stunden bis nach Georgia sollte es heute gehen, jedoch war uns diesmal keine Stadt vor Augen, sondern wir suchten mehr nach einem Campingplatz als Zwischenstation.
Schließlich wollten wir es ja auch noch nach San Francisco schaffen. Wie auch immer das klappen sollte auf dem Rückweg, war ich mir noch nicht ganz sicher, aber irgendwie werden wir es wohl hinkriegen. Jetzt hieß es definitiv erstmal Radio an und entspannt zurücklehnen, da wir eh nur denselben Highway für die nächsten Stunden entlang fahren werden.
An irgendeinen Punkt werden wir wohl Pause machen müssen, da Erik vermutlich sonst sehr müde wird und auch wenn hier in 'the middle of nowhere' kaum einer auf den Straßen ist, konnte man trotzdem nicht hinter dem Steuer einschlafen. Auch wenn es noch so schön wäre.
Ich hingegen konnte schon eine wenig die Augen schließen, was ich auch machte, da es mir half einer Unterhaltung mit ihm aus dem Weg zu gehen.
Doch so richtig schlafen konnte ich nicht, denn wir hatten heute nochmal ordentlich ausgeschlafen, damit die lange Strecke uns nicht zu erschöpft.
Das hatte ich mittlerweile definitiv gemerkt. Jeden Tag unterwegs zu sein, ist schon sehr anstrengend, doch bis jetzt bereute ich es kein Stück. Es war immer noch mein Kindheitstraum, der nun gerade in Erfüllung ging.
Und auch wenn es gerade ein wenig seltsam zwischen mir und Erik ist, was wohl vor allem an mir liegt, bin ich mir sicher, dass wir es schon wieder hinkriegen. Unsere Freundschaft war definitiv stärker als ein dämlicher Kuss.
Auch wenn er mich schon sehr beschäftigt. Wieso hatte er sich denn auch so verdammt gut angefühlt? Mal abgesehen davon, dass er mein bester Freund ist, er war auch ein noch ein Junge.
Ich hätte es doch mal merken müssen, wenn ich auf Männer stehen würde, oder? Auf keiner Party hätte ich mich je nach einem Jungen umgedreht. Es wären immer die Mädchen, denen meine Aufmerksamkeit gegolten hatte.
Aber was war, wenn das daran lag, dass ich einfach gedacht habe, dass so sein soll? Klar wusste ich ein wenig über die LGBT+ Community bescheid, aber richtig darüber nachgedacht selbst ein Teil zu der sein, hatte ich eigentlich noch nie.
Was wenn ich es doch war? Ich meine es ist ja nicht auszuschließen, dass ich zum Beispiel bisexuell sein könnte, oder was es da sonst noch so gibt.
Neugierde packte mich und aus irgendeinem Grund entschloss ich mich meine Augen in Eriks Richtung wandern zu lassen, wessen Blick zum Glück fokussiert auf die Straße gerichtet war.
Ich ließ meinen Blick langsam von unten bis oben wandern. Kräftige Waden, die leicht angespannt waren, wegen dem durchtreten des Gaspedals, aber auch muskulöse Oberschenkel, welche er sich garantiert im Fitnessstudio erworben hatte, zu dem er jede Woche mehrfach hinging.
Sein T-Shirt saß relativ eng und stellte die Muskeln seines Oberkörpers zur Schau, wobei ich wusste, dass sich darunter ein Sixpack befand. Sein ganzer Stolz, wofür er eine lange Zeit trainiert hatte.
Sein Kiefer war kantig und ein leichter Bartwuchs ließ sich erahnen, da wir bis jetzt nur selten Zeit hatten uns zu rasieren. Doch der war ein unglaublicher Kontrast zu seinen Augen, welche ich nicht wirklich genauer betrachten konnte, da sein Gesicht weiterhin von mir abgewandt war.
Auf seinem Kopf langen seine unglaublich weichen braunen Haare, um die ich ihn schon immer beneidet hatte und er bei jedem Mädchen gut mit ankam, da sie alle immer durch sie hindurch fahren wollten. Und irgendwo in mir verspürte ich gerade auch dieses Bedürfnis, auch wenn ich weiß, wie sie sich anfühlen.
Er war definitiv attraktiv, das konnte ich nicht verleugnen. Genauso wie die Tatsache, dass mir der Kuss irgendwie gefallen hatte. Wie seine Lippen gleichzeitig rau und doch so weich auf meinen gelegen hatten und er seine Hand an meinem Nacken hatte, so als ob er auch sicher gehen wollte, dass ich nicht zurückweichen würde.
Hatte er den Kuss denn auch gemocht? Oder hatte er ihm nichts bedeutet. Nur eines von beidem war möglich, doch ich war mir relativ sicher, welche die wahrscheinlichere Variante ist. Wäre es ersteres, dann hätte er doch bestimmt schonmal erwähnt, dass er auf Männer steht, oder?
Schließlich bin ich sein bester Freund, wir teilen eigentlich alles miteinander. Vor allem hatte er in all diesen Jahren nur etwas mit Mädchen gehabt und ich habe ihn auch noch nie einen Jungen angucken sehen. Das hätte ich dich bemerkt, oder nicht?
Ich war mir beim besten Willen nicht sicher, denn wenn ich eines wusste, dann war es, dass er es definitiv nicht schlimm fand mich zu küssen. Sonst hätte er es ja nicht gemacht.
Aber Mädchen machten es auf Partys ja auch öfter mal und sind sie alle zusammen, nein. Vielleicht machte es ihm auch einfach nichts aus, weil für ihn ein Kuss einfach nur ein Kuss ist und nichts weiter. Wobei ich wusste, dass das zumindest früher nicht ganz richtig war.
Doch mittlerweile wahrscheinlich schon, denn er hatte schon deutlich mehr davon gehabt, als ich es in den nächsten Jahren schaffen werde, wenn ich so weiter mache wie bisher.
Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich nie dasselbe gefühlt hatte mit einem der Mädchen, wie mit Erik. Noch nie ist mir der Kuss auch noch danach so stark präsent gewesen, theoretisch auf meinem Lippen erhalten geblieben. Also wenn man von meinem inneren Ich sprach.
Aber das hieß auch nicht, dass ich mit anderen nichts gefühlt hätte, nur halt weniger. Was auch immer das bedeuten mag. Kurz warf ich noch mal einen Blick zu meinem besten Freund hinüber, welcher wohl im selben Moment den gleichen Gedanken hatte und sich somit unsere Augen trafen.
Wie hypnotisiert blieben meine an seinen unglaublich blauen hängen und ich hätte, selbst wenn ich wollte, nicht die Kraft wegzuschauen. Doch da war es, ich wollte es gar nicht. Könnte es sein, dass ich einen Crush auf meinen besten Freund hatte?
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Heyy,
ich hoffe es geht euch gut und euch hat das Kapitel gefallen :)
Heute mal mehr der Gedankengang von Oliver, etwas, was ich persönlich gerne mag, um die Gefühle des Charakters ein wenig besser nachzuvollziehen. Wie findet ihr das? Eher mehr oder weniger in die Richtung, oder war der Mix wie z.B. in meiner anderen Story (für meine alten Leser) auch ganz gut?
Ich hoffe das Kapitel nächste Woche, gefällt euch, denn bis jetzt (sind ja auch noch nicht sooo viele XD) ist es meine personal favourite :D
Bis dahin,
eure Lesekatze <3
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Wo die Straßen uns hinführen
Novela JuvenilZwei Freunde nach dem Abitur zusammen unterwegs, um die Weiten Amerikas mit einem Auto zu erkunden, doch was beide nicht wissen, sie werden noch viel mehr tun als nur neue Freundschaften knüpfen und die Städte, sowie die Natur entdecken. ---- Als Ol...