Kapitel 3

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Dags P.o.V.:

Ich sah aus dem Fenster, drehte dabei immer wieder an meinem Verlobungsring. Mein Gesicht spiegelte sich in der Dunkelheit der Scheibe wieder. 

Immer wieder strich ich über das kühle Metall, den kleinen, eingearbeiteten Stein, schluckte leicht. 

Kurz sah ich zu Daniel, der auf die fast komplett leere Autobahn fuhr, manchmal klopfte er auf das Lenkrad - wenn ausnahmsweise mal ein guter Song im Radio lief. 

Auf meinem Schoss lagen noch die Sachen, die er mir gekauft hatte - und ich musste immer noch leicht darüber lächeln. Es war zwar schwach, aber zumindest vorhanden.

Vorsichtig reichte ich ihm welche von den Gummibärchen, was ihn leicht zum Grinsen brachte. "Aber das sind doch deine."

"Ich teile gerne", gab ich zurück, "Vor allem mit dir. Du bist mein bester Freund."

"Da bist du momentan echt der einzige, der sowas sagt", murmelte er kaum hörbar, für den Bruchteil einer Sekunde zeichnete sich eine leichte Röte auf seinen Wangen ab. Aber es wäre nicht Daniel gewesen, wenn er es nicht sofort mit einem Grinsen überspielt hätte, gleichzeitig nach den Gummibärchen griff.

Seufzend beobachtete ich ihn, wir waren beide ganz schön kaputt. Das war vielleicht der Grund, warum ich ihm den Song zu erst gezeigt hatte - wir waren eben so schön kaputt.

Ich wollte nicht nachfragen, ihn unter Druck setzen.

Die schlechte Musik aus dem Radio machte mich langsam wirklich wahnsinnig. Auch wenn sie noch so leise war. 

Müde lehnte ich den Kopf gegen die Scheibe, versuchte sie auszublenden. Ich wollte Daniel nicht alleine durch die Nacht fahren lassen, lieber blieb ich wach. 

Am liebsten hätte ich irgendeine Playlist oder einen Podcast abgespielt, aber mein Handy war ausgeschaltet, damit Vincent mich nicht anrufen, nicht erreichen konnte. Zumindest gerade noch hätte ich das nicht ausgehalten.

Ganz automatisch tastete ich wieder nach dem Ring, verkrampfte die Finger.

Es war, als müsste ich mir selbst beweisen, dass ich noch verlobt war. Und das jetzt schon seit drei Jahren, sieben Monaten und fünf Tagen.

Ab irgendeinem Punkt hatte ich entschieden, ihn nicht heiraten zu können, weil er nicht mehr der Gleiche war, nicht mehr mein Vincent war.

Wir konnten so nicht heiraten, es hätte sich nicht richtig angefühlt, auch wenn ich ihn so sehr liebte.

Die meiste Zeit fühlte ich mich leer, lebte nur in den Tag hinein und war mir bei keinem Gefühl mehr sicher – aber ich wusste, dass ich ihn liebte. Bei keiner Sache war ich mir sicherer, als bei dieser.

Mit zitternden Händen strich ich mir die Tränen aus den Augen, schloss sie etwas verzweifelt. Gleichzeitig spürte ich den Blick von Daniel und wie er vorsichtig eine Hand auf meinen Oberschenkel legte. 

Vorsichtig nahm ich seine Hand und drückte sie etwas, fuhr über seine Tattoos. Bei einigen war ich sogar dabei, als er sie sich hat stechen lassen hat. 

"Magst du sie?", vorsichtig zog er seine Hand weg, umklammerte das Lenkrad wieder fest, so fest, dass sie fast weiß wurde. 

Er wirkte unsicher - so hatte ich ihn im Bezug auf seine Tattoos noch nie gesehen. 

"Natürlich, das weißt du doch", ich sah ihn überrascht an, "Ich liebe alle deine Tattoos."

Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen, aber es verschwand so schnell, wie es gekommen war. Das kleine "Danke" hätte ich fast überhört. 

Zwischen uns herrschte danach wieder Stille, aber sie war viel angenehmer als die Stille, die in letzter Zeit zwischen Vincent und mir geherrscht hatte. Früher hatten wir das gut gekonnt, das Schweigen, ohne dass es komisch gewesen wäre. 

Nächtelang hatten wir ohne etwas zu sagen auf dem Balkon gesessen, uns den Sternenhimmel angeschaut und Händchen gehalten. Es waren Momente, in denen niemand etwas sagen musste. 

Es waren Momente, die schon sehr lange her waren. 

Meine Unterlippe zitterte leicht, während ich den Blick senkte, konzentrierte mich auf die etwas schmutzige Fußmatte. Innerlich musste ich mich stark zusammenreißen, dass ich nicht wieder anfing zu weinen. 

Erst nach einer ganzen Weile wurde die Stille, in der ich nur in meinen Gedanken hang und mit mir selbst rang, unterbrochen, indem Daniel leise gähnte, sich über die Augen rieb. 

Ich sah mich etwas um, blickte aus dem Fenster und fand Werbung für ein Autobahnhotel in der Nähe von Leipzig. Da ich mittlerweile auch immer müder wurde, tippte ich ihn vorsichtig an. 

"Lass uns dahin, du solltest nicht mehr fahren", murmelte ich, versuchte mich an einem kleinen Lächeln, schnitt aber eher eine Grimasse, "Und ich bin auch ziemlich müde."

Daniel zögerte kurz, seufzte dann leise. "Okay, ist vielleicht eine gute Idee."

Er wechselte auf die rechte Spur, fuhr dann bei der richtigen Abfahrt ab und parkte auf dem kleinen Parkplatz, ehe wir auch schon ausstiegen. Das Hotel sah etwas ranzig aus, aber gemütlich und für eine Nacht würde es sicherlich okay sein. 

Meine Knie zitterten etwas, als ich ausstieg, hielt mich dabei dicht an ihn. Mein ausgeschaltetes Handy hielt ich fest in der Hand, Macht der Gewohnheit.

Während Daniel uns das Zimmer besorgte, sagte ich kein Wort, schaute nur auf den Teppich, der etwas fleckig war, aber alles in allem war es doch relativ sauber. 

"Es gibt nur ein Zimmer mit Doppelbett. Das ist okay, oder?", fragte er leise, sah mich mit müden Augen an, was mir die Entscheidung noch leichter machte. 

"Natürlich ist das okay. Als wenn wir noch nie zusammen in einem Bett geschlafen haben", was ihn leicht zum Lächeln brachte, ehe er nickte und anschließend die Schlüsselkarte entgegen nahm. 

Er zog mich mit ins Zimmer, das alles in allem doch recht gemütlich war - erst dort fiel mir auf, dass wir unsere Koffer vergessen hatten. 

Auch Daniel schien das zu realisieren, wollte gerade wieder das Zimmer verlassen, aber ich hielt ihn an der Hand fest, zog ihn zu mir aufs Bett. "Für eine Nacht wird es ohne gehen, oder?"

"Bestimmt", murmelte er, fuhr sich einmal über die Augen, ehe er sich bis auf die Boxershorts auszog und sich in die Decke kuschelte. Kaum hatte ich das Licht gelöscht, döste er auch schon ein.

Ich tat es ihm gleich, legte ich mich aufs Bett und starrte an die Decke, bis sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Von draußen konnte man noch leise Geräusche der Autobahn hören. 

Ich war müde, sehr müde sogar, aber ich konnte nicht schlafen. Ich war es nicht gewohnt, dass Vincent nicht da war, denn auch wenn er erst spät nach Hause kam, einschlafen konnte ich nur mit ihm. Auch wenn er sich komisch benahm. 

Gähnend rieb ich mir über die Augen, legte den Kopf etwas zur Seite und studierte Daniels Gesichtszüge. Wenn er schlief, war er immer ganz friedlich. 

Ein müdes Lächeln legte sich auf meine Lippen, rückte etwas näher an ihn heran, sodass ich an ihn gekuschelt da lag. Vermutlich ganz unterbewusst legte er einen Arm um mich. 

Er schnarchte ganz leise, aber ich entspannte mich sofort, kuschelte mich mehr an ihn. 

Irgendwann schlief ich in den Armen meines besten Freundes ein. 

Es war viel besser, als die letzten Nächte, in denen ich zuhause gewesen war.


Road Tripping - SDP/257ers Short StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt