Kapitel 4

298 14 206
                                    

Daniels P.o.V.:

Müde zog ich die Wärmequelle neben mir dichter zu mir, vergrub das Gesicht in seinen Haaren und ließ mich von seinem Geruch etwas beruhigen. Nach dem Albtraum, war es genau das, was ich gerade brauchte. 

Ich war noch vollkommen verschlafen, aber wegen der Helligkeit und den lauter werdenden Geräuschen der Autobahn konnte ich nicht weiter schlafen, selbst wenn ich gewollt hätte. 

Gegen die Helligkeit blinzelt richtete ich mich etwas auf, ließ Dag vorsichtig los - er murrte zwar unzufrieden, aber er sollte noch etwas schlafen. 

Ich zog mir meine Klamotten über, kuschelte mich etwas in die Sweatjacke und gähnte leise, rieb mir leicht über die Augen. Aber auch danach sah ich noch ziemlich verschwommen, weswegen ich mir meine Brille aus der Jackentasche zog und sie aufsetzte. 

Dag war momentan der einzige, der mich damit sehen durfte und bisher auch nur über Videochat. 

Normalerweise hatten Mike und ich so viel Zeit miteinander verbracht, dass er sie zwangsläufig gesehen hatte, aber das hatte sich momentan echt erledigt. 

Ganz automatisch griff ich nach meinem Handy, schaute, ob er mittlerweile gemerkt hatte, dass ich nicht mehr da war - aber von niemanden hatte ich eine Nachricht bekommen. Niemanden fiel es auf, dass ich nicht mehr in Essen war. 

Der einzige, den das interessieren würde, drehte sich gerade im Schlaf und leicht grummelnd auf die andere Seite, tastete unterbewusst nach mir und verzog etwas das Gesicht. 

Ich strich ihm kurz durch die Locken, ehe ich das Zimmer verließ und die Tür ganz leise schloss, um ihn nicht zu wecken, und dann schnell ein paar wichtige Sachen aus unseren Koffern holte. Frische Klamotten, Hygieneartikel und eine Kleinigkeit zum Frühstück. 

Dag schlief noch, als ich wieder kam, also nutzte ich die Zeit und ging kalt duschen, um etwas wacher zu werden, einen kühleren Kopf zu bekommen. Ich verschwendete sicherlich eine halbe Stunde unter der Dusche, ehe ich zitternd hinaus trat. 

Ich atmete einmal tief durch, schaute einen Moment in den Spiegel, ehe ich den Blick schnell wieder abwendete und mir meine Klamotten überzog, die Brille wieder aufsetzte. 

Als ich das Badezimmer verließ, blinzelte mir Dag müde entgegen, saß auf der Bettkante.

"Guten Morgen", lächelte ich ihn leicht an, wuschelte ihm durch die Haare, ehe ich mir eines der Buttercroissants schnappte, die ich uns eingepackt hatte. 

Dag gähnte leicht, rieb sich etwas über die Augen, ehe er ohne ein weiteres Wort mit den frischen Klamotten ins Badezimmer verschwand. Seufzend sah ich ihm hinterher, räumte das Zimmer etwas auf und checkte die weitere Strecke, die wir fahren würden. 

Ich wartete geduldig auf ihn, rauchte auf der Balkon eine Zigarette und lächelte wieder, als Dag das Badezimmer verließ und nun auch etwas wacher aussah. Sofort hielt ich ihm die Tüte mit den Croissants und die Kippen hin, schob ihn gleichzeitig aber auch schon aus der Tür. 

Manchmal kam es mir vor, als wenn ich echt hundert Arme gleichzeitig - aber so dauerte es immerhin keine fünf Minuten, bis wir wieder im Auto saßen. 

"Ich fahre heute zumindest durch bis zum Bodensee durch, wir haben es schließlich erst", ich sah kurz auf mein Handy, "neun Uhr. Vielleicht schaffen wir es auch noch bis in die Schweiz. Über München fahr ich nicht, da ist mir der Verkehr zu beschissen und ich verfahr mich immer in Großstädten, auch mit Navi."

"Daniel, Hase, schalt mal kurz 'nen Gang runter, ich bin noch müde und komm nicht mit", er lachte etwas verlegen, während er sich die Zigarette anzündete und gleichzeitig das Fenster herunter kurbelte. 

"Sorry", nuschelte ich leicht, "Also Kurzfassung: Wir fahren bis zum Bodensee, nach Lindau."

"Okay, das versteh ich", er lächelte mich leicht an, angelte gleichzeitig nach meinem Handy - auf dem sich noch immer keine Nachricht befand - und entsperrte es schnell, "Dann such ich uns schonmal ein Hotel und mach 'nen Podcast an. Ich halte die Radiomusik nicht mehr aus."

Ich schüttelte leicht grinsend den Kopf und fuhr anschließend von dem Parkplatz herunter, bog zurück auf die A9, die jetzt deutlich voller war. Aber wir waren jetzt auch genau im Berufsverkehr. 

Nur mit halben Ohr hörte ich dem Podcast zu, während Dag ganz interessiert daran war, immer wieder leicht an dem Croissant knabberte. 

Irgendwann nickte er leicht an der Autoscheibe ein und ich konnte nur erahnen, dass er die letzten Nächte nicht sehr viel geschlafen hatte - und auch jetzt waren wir ja auch erst spät ins Bett gekommen.

Eigentlich war ich relativ entspannt, aber als wir an Nürnberg vorbeifuhren, geriet ich leicht in Panik, hielt an der nächsten Raststätte und versuchte tief durchzuatmen, bekam aber kaum Luft. Ich krallte mich an meinem Auto fest, schloss fest die Augen. 

Ich verkrampfte mich immer weiter, diese ganzen Baustellen machten mich fertig, die Staus nur noch mehr. 

"Daniel, es ist alles gut, du musst atmen, okay? Du kannst atmen, es ist alles gut."

Ich zuckte leicht bei Dags etwas rauen und verschlafenen Stimme, bevor ich die Augen öffnete und ihn ansah, sah, wie er mich besorgt musterte. 

"Durch die Nase einatmen und bis vier zählen", gab er mir vor, legte die Hände auf meine Schultern, "Jetzt anhalten und bis sieben zählen. Und dann durch den Mund ausatmen und dabei bis acht zählen."

Er atmete mir leicht vor, wiederholte das ganze ein paar Mal, bis ich wieder einigermaßen gleichmäßig und ruhig atmete, ehe ich auch schon von ihm in die Arme genommen wurde. "Es ist alles gut, okay? Ich bin da."

Ich vergrub leicht das Gesicht in seinem Hoodie, schlang die Arme um ihn und atmete weiterhin nach genau der Methode, die er mir vorgegeben hatte. Dag hielt mich so lange fest, bis die Panikattacke langsam wieder abebbte. 

Leicht krallte ich mich in seinen Rücken, drückte mich noch einmal fest an ihn und ließ ihn dann los, lächelte schwach. 

"Du entspannst dich jetzt erstmal und ich hole und Kaffee. Auf jeden Fall fährst du jetzt erstmal nicht", bestimmte Dag, drückte mich leicht auf die Rückbank, ehe er auch schon im Gebäude der Raststätte verschwand. 

Meine Hände zitterten noch immer, während ich mir eine Zigarette anzündete und zittrig daran zog. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen, versuchte wieder tief durchzuatmen. 

Ich war froh, dass wenigstens Dag noch da war, mich mit der ganzen Scheiße, die sich Leben nannte, nicht alleine ließ. Der einzige, der mich nicht anschaute, als wenn ich eine ansteckende Krankheit hätte. 

Unsicher spielte ich mit meinen Fingernägeln, rauchte die Zigarette auf und hätte mir am liebsten gleich die nächste angezündet. Aber da ich nicht an Lungenkrebs sterben wollte, verzichtete ich lieber. 

"Also ich habe Kaffee, mit Milch natürlich, Kekse und Cola besorgt. Das sollte erstmal reichen."

Dag balancierte die ganzen Sachen zum Auto, drückte mir den Kaffee in die Hand und schmiss den Rest auf den Beifahrersitz, ehe er sich zu mir auf die Rückbank setzte. 

Ich zögerte kurz, legte dann aber den Kopf auf seine Schulter, schlang den freien Arm um ihn und kuschelte mich fest an ihn. Ich wünschte, mein Herz hätte in dem Moment nicht so sehr geklopft, wie es das letztendlich getan hat. 

Ich genoss seine Nähe, nippte immer wieder an dem Kaffee und war einfach froh, dass er da war, dass wir das ganze hier zusammen durchzogen. 

"Ist es jetzt etwas besser?", fragte er vorsichtig, lächelte mich sanft an und ich nickte leicht. Die Panik war verfolgen und ich sah mich auch immer mehr in der Lage, mich wieder in den Verkehr zu begeben. 

"Wenn du willst, können wir weiterfahren", nuschelte ich leicht gegen seine Schulter, richtete mich etwas mehr auf und streckte mich leicht. 

"Nur, wenn du kannst", gab er sofort zurück, krabbelte aber gleichzeitig von der Rückbank und setzte sich wieder auf den Beifahrersitz, stellte den Podcast wieder an. 

Seufzend setzte ich mich wieder hinter das Steuer und fuhr los, lauschte dem Podcast dieses mal etwas konzentrierte und entspannte mich dadurch merklich. 

Die restliche Fahrt zum Bodensee verlief zum Glück ziemlich ereignislos.

Road Tripping - SDP/257ers Short StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt