Kapitel 5

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Dags P.o.V.:

Immer wieder nickte ich an der Scheibe ein, konnte die Augen kaum aufhalten.

Die ganze Nacht hatte ich kein Auge zugemacht, mich nur müde durch die endlos langen Stunden gequält. 

Ich versuchte wirklich, mich auf das Navi in meiner Hand zu konzentrieren, aber die Nacht hing mir wirklich nach und ohne es zu bemerken, fielen mir wieder die Augen zu, sank mehr gegen die Scheibe. 

Ich trug Daniels Hoodie, was mich zusätzlich beruhigte, vergrub meine Nase etwas in dem Stoff und atmete seinen Geruch ein, während ich etwas darin versank, weil er mir eine Nummer zu groß war. 

Ich fühlte mich immer erschöpfter und kraftloser, wären wir zuhause, wäre heute einer der Tage gewesen, an denen ich nicht aus dem Bett gekommen wäre.

Hätte mich Daniel nicht genau in diesem Moment angesprochen, wäre ich in der nächsten Sekunde eingeschlafen.

"Was ist denn?", murmelte ich, sah ihn müde an und versuchte das Gähnen etwas zu unterdrücken. 

Vielleicht klang ich etwas gereizt, selbst wenn ich es nicht wollte, meine Batterie war einfach zu leer. Daniel schien es aber nicht zu stören, vermutlich, weil er es einfach verstand. 

"Wir sind gleich in der Schweiz, ich brauch also kurz deine medialen Fähigkeiten", er sprach relativ leise, was gut war, weil mein Kopf sich anfühlte, als würde er jeden Moment zerspringen.

"Meine nicht vorhandenen", brummte ich leise und rieb mir über die Stirn, um die Kopfschmerzen irgendwie zu unterdrücken. Dachte an Vincent und wie gut er das alles immer konnte und mein Herz zog sich für einen Augenblick schmerzhaft zusammen. 

Ich seufzte, versuchte nicht weiter darüber nachzudenken und wies ihm den richtigen Weg an, bis wir - ohne Maut zu bezahlen - in der Schweiz waren.

Danach herrschte Stille zwischen uns, auch wenn es offensichtlich war, dass er etwas sagen wollte. Deswegen war es eine sehr unangenehme Art von Stille, ich fühlte mich etwas unwohl. 

"Du hast mich angelogen, oder?", murmelte er irgendwann leise, sah dabei aber weiter auf die Straße, "Du hast nicht geschlafen."

Ich schluckte, mein erster Impuls war es mich zu verteidigen. Aber ich hatte eh nicht die Kraft dafür. 

Eigentlich war ich mir nicht mal ganz sicher, warum ich behauptet hatte, geschlafen zu haben - vielleicht damit er sich einfach keine Sorgen machte. Vielleicht, weil ich sowas sonst auch immer geheim hielt.

Ich schwieg einfach, sah etwas betreten aus dem Fenster, um ihn nicht anschauen zu müssen. 

Am liebsten hätte ich seine Anwesenheit einfach ausgeblendet, aber gerade jetzt hörte ich seinen Atem einfach umso lauter, der sich mit der angespannten Stille mischte.

Ein leises Seufzen entwich mir, während ich etwas nervös meine Hände knetete. 

"Ich konnte nicht", ich sprach so leise, ich hätte mich selbst fast nicht gehört. 

Daniel schwieg, sah nur auf die Straße vor ihm, seine Hände so fest um das Lenkrad geschlungen, dass sie fast schon weiß anliefen, im Kontrast zu seinen Tattoos noch mehr hervor stach. 

Nervös tippte ich mit dem Fuß auf die dreckige Fußmatte, während ich ihn etwas beobachtete. Ich spannte mich dabei weiter an, denn ich wusste auch so, dass er es gar nicht mochte, angelogen zu werden - zu viele schlechte Erfahrungen. 

"Ich hab's wirklich versucht", murmelte ich noch einmal leise, auch wenn ich mir sicher war, dass das jetzt kaum noch einen Unterschied machte. 

"Ist okay, Dag, aber bitte lüg mich nicht an. Bitte, du nicht", auch er flüsterte nur, "Ich bin nicht Vincent, vor dem du sowas geheim halten musst."

Road Tripping - SDP/257ers Short StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt