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Der Russe hockte auf der Treppe, zitterte vor Aufregung, den Kopf in den Händen vergraben.

Sein unebener Atem kam nur mühselig durch seine Hand hindurch, ließ sein Gesicht glühen und doch fror er in einer Art und Weise die ihm Angst einjagte.

Der Italiener war bereits zwei Stunden bei Reich im Büro. Sprach mit ihm über Himmel-weiß-was. Verriet ihn möglicherweise. Holte ihm vielleicht den Schlüssel, wie versprochen.

Die Unsicherheit nagte an Sowjet.

Was würde er denn tun? Ein Mann, den er seit wenigen Stunden kannte, dem er einfach alles erzählte? 

Nun gut, von dem Messer und den vielen Plänen wusste er nichts. Aber sonst? Sowjet hatte zu viel gesagt, so kam es ihm vor, alleinig durch seine Verzweiflung, die sich bereits wochenlang in ihm anstaute.

Aus dem Nichts ertönten weiche Schritte, gedämpft vom purpurroten Läufer, der die Treppe durchgehend hinab führte.

Italien kam, gut gelaunt wie zuvor, von der Treppe, dieses Mal jedoch von der oberen Etage.

Als er Sowjet sah nahm sein Lächeln etwas ab, der Blick in seinen Augen wurde ernst.

Vorerst stumm hockte er sich neben den Gefangenen.

Dann kramte er in seiner Manteltasche, fischte einen lächerlich winzigen Schlüssel heraus und präsentierte ihn Sowjet. Dessen Augen weiteten sich.

Konnte es wahr sein?

,, Warten Sie, bis die Nacht anbricht. Verstecken Sie ihn sorgfältig, mein Freund.", flüsterte er ihm, zu ihm vorgebeugt, ins Ohr. Italien scheuchte ihn zu seinem Raum, wo das Dienstmädchen wartete.

Steckten die beiden unter einer Decke?

Sie hielt einen dicken Stapel Kleidung in den Armen, den sie ihm in die Hand drückte.

,, Viel Glück, Sowjet.", flüsterte sie mit engelzarter Stimme.

,, Viel Glück, mein guter Herr.", wünschte ihm nun auch der Italiener, bevor beide verschwanden.

Hinter ihnen fiel die Tür leise ins Schloss, wurde mit einem hörbaren Klicken abgeschlossen, dann war es totenstill, nachdem sich die Schritte entfernten.

Den Gefangenen durchlief eine Art Erleichterung oder Glückseligkeit, durch alle Teile des Körpers, jeder Atemzug erquickte ihn beinahe schon. Nach solch einer langen Zeit war Sowjet glücklich: Er lächelte.

Er würde fliehen können.

Er könne nach Hause.

Er konnte zu seinen Sprösslingen zurück.

Zurück in die Heimat.

Ein erfreutes, ersticktes Geräusch entwich seiner Kehle.

Der Weg in die Freiheit war zum Greifen nahe, und dieses Mal würde er es schaffen...

Wenn nichts passieren würde.

Die Freude in ihm wich aus ihm wie die Farbe aus seinem Gesicht.

Natürlich würde es nicht reibungslos funktionieren. Keine Flucht könne je absolut perfekt ablaufen, das war eine irrsinnige Hoffnung, die sich als unrealistische Vorstellung entpuppte.

War er überhaupt froh, sich durch die Wildnis schlagen zu müssen, möglicherweise wochenlang, alleine?

Seine Vorfreude wurde erstickt wie ein Feuer unter einer Brenndecke.

Zweifel kamen in ihm auf.

Solle er nicht doch besser warten, bis die Verhandlungen kamen?

Wäre das nicht der ehrlichste Weg?

Doch an Ehrlichkeit bestand keine Nachfrage.

Sowjet wollte nicht länger in der Hölle dieses Hauses leben.

Er durfte Reich nicht zu nahe an sich ran lassen, was eigentlich bereits geschehen war...

Heimweh hinderte den Russen am Schlafen, Wehmut nach seinen Kindern grub sich tief in seine Brust, ließ ihn in Tränen ausbrechen wenn er nachts von Erinnerungen wach wurde.

Nein.

Er würde nicht länger hier bleiben wollen...

Entschieden ballte Sowjet die Fäuste.

Flucht. Nicht Morgen. Nicht in einer Woche.

Heute. Nacht.

Guilty | Countryhumans | IFBGachaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt