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Es dämmerte bereits draußen, der Abend zeigte sich von seiner bisher schönsten Seite.

Die Luft war klar wie Morgentau, der Himmel wie gemalert.

Kein Außenstehender hätte wissen können, das der Anblick trügerisch war, im Kontrast der Ereignisse, die noch an dem selben Tag erfolgen würden.

Reich durchsuchte seine Dokumente, die Schubladen des Schreibtisches, das Versteck hinter einem Gemälde... Was er suchte, war nicht aufzufinden. 

Dokumente fehlten. Wichtige, geheim-vertrauliche Dokumente: Wie vom Erdboden verschluckt.

Es machte ihn kirre. Es trieb ihn in den Wahnsinn.

Erst als es laut an der Tür klopfte, hörte er schnaufend auf zu suchen.

Nachdem er den Diener empfangen hatte, der ihn sprechen wollte, bestand kein Bedarf mehr zu suchen.

Man teilte ihm nämlich mit, dass es genau drei Personen gäbe, die sein Vertrauen ausgenutzt hatten.

Das Dienstmädchen.

Der Italiener.

Der Russe. Sein Gefangener.

Zorn brodelte in ihm. Die Wunde riss auf, die er so lange in sich trug.

Er wurde ausgenutzt.

Sein Herz zog sich krampfhaft zusammen.

Er. Wurde. Ausgenutzt.

Ein verletzter Laut versuchte, durch seine Kehle zu entfliehen. Ein verzweifeltes Schluchzen, was mit gewaltigem Widerstand verdrängt wurde, heruntergeschluckt wie eine Hustenpastille.

Wutentbrannt stieß Reich seinen Stuhl, der mit einem lauten Krachen umkippte.

 Ein Stapel Dokumente wurde zu Boden geschleudert, einige wirbelten herum, fielen zu Boden, wurden mit einem Tritt weiter durchs Zimmer befördert.

Das Tintenfass blieb nicht unverschont. Mit einem Klirren zersprang es in tausend Scherben, die schwarze Tinte klebte wie Pech an der Wand, vereinzelt tropfte es noch von der Wand auf den teuren Teppich, aufs Parkett, landete auf den Vorhängen.

Reich schnappte nach dem Auslöser für die Fußfessel und stampfte zu Sowjets Zimmer.

Auf den letzten Metern rannte er. 

Als er diesen betreten wollte drückte er die Türklinke vergeblich: Abgeschlossen.

Das förderte seine Wut nur noch mehr.

Er rüttelte an der Tür, trat dagegen, schmiss sich mit vollem Körpereinsatz dagegen.

Blind vor Wut fing er an, Sowjet anzuschreien.

Er sei ein Hohlkopf, wüsste nicht, was er täte, sei ein dreckiges Schwein. 

Alles sprudelte aus ihm heraus.

Mehrmals drückte er den Auslöser...

Doch er hörte nichts.

Das Zimmer stand in voller Stille.

Sowjet stand wie eingefroren mitten im Raum, machte keinen Mucks.

Die Fußfessel lag in einer Ecke, bedeckt von Decken und Kissen.

Er überlegte, wie er am besten flüchten würde:

Das Zimmer lag zu hoch. Die Fenster waren keine Option.

Kaum eine Minute danach machte er einen festen Beschluss.

Er verstaute seine Karten in den Manteltaschen, nahm das Messer und positionierte sich hinter der Tür.

Man hatte ihm einen Schlüssel für die Tür in die Manteltasche gelegt.

Schnell atmete er durch, dann schloss er auf.


Reich stürzte hinein.


Sowjet rammte ihm das Messer in den Rücken. Mehrmals. Er zählte gar nicht mal, wie oft.


Nachdem der Deutsche zu Boden ging floh er auf den Flur.


Im untersten Flur nahm er einen Stuhl der Einrichtung und schmiss ihn mit voller Wucht gegen eines der großen Fenster.

Er ergriff die Flucht.

Er rannte und rannte, lief so schnell es ging, weg vom Lärm, weg vor den Schüssen, die ihm folgten wie ein Schatten.


Nach etlichen Kilometern, nach einer ganzen Weile voller Adrenalin, hielt Sowjet an.

Der ehemalige Gefangene hielt sich an einem der vielen Bäume fest.

Er übergab sich. Die Galle wirkte ätzend in seiner pochenden Kehle.

Aber das verzweifelte Ringen nach Luft wandelte sich in ein erleichtertes Weinen. 

Seine Mundwinkel gingen nach oben und unten.

Doch sein glücklicher Moment mündete in Schmerzen.

In seinem Arm steckte nun eine eiserne Kugel.

Er hatte sie noch nicht bemerkt.

Nun ließ das Adrenalin nach.

Sein Lachen verstummte, das Lächeln verschwand von seinen Lippen.

Er hörte Schritten und Stimmen.

Nun war Sowjet wie eingefroren.

Angst war dabei ihn zu übermannen.

Aber es waren keine Soldaten.

Es waren das Dienstmädchen und der Italiener.

Kaum erkannte sie sich, umarmten sie einander.

Guilty | Countryhumans | IFBGachaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt