Kapitel 5

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„Die bellenden Bettvorleger waren in den vergangenen Tagen erstaunlich friedlich." Reyna streckte sich auf dem Rasen einer Grünfläche des Colleges und räkelte sich wie eine Katze. Cassie schnitt eine Grimasse. Das war ihr ebenfalls aufgefallen. Die Jungwölfe beider Rudel verhielten sich ausgesprochen brav. Sean hatte aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Einfluss bei Dark Woods genutzt. Wer dagegen auf der gegnerischen Seite für Ordnung sorgte, blieb im Dunkeln. Vermutung darüber anzustellen, brachten sie nicht weiter. Cassie sprang auf.

„Hoffentlich ist das nicht die Ruhe vor dem Sturm", murmelte sie und schaute hinauf zum Himmel, wo die Sonne gerade hinter einer dicken grauen Wolke verschwand. Der Lauf durch das Niemandsland war damit vom Tisch. „Lass uns mal reingehen, falls du keine kalte Dusche möchtest." Sie hob ihre Tasche auf und lief zurück ins Gebäude. Reyna folgte ihr gähnend.

„Wollen wir nicht einfach schwänzen? Ab in ein kleines Café, danach ins Kino?" Die Rothaarige starrte missmutig auf die Tische und Stühle. „Willst du wirklich hier drinnen versauern, wenn wir die Zeit auch anders verbringen könnten?"

„Ach Rey. Ich verpasse schon Unmengen an Stoff, weil ich Babysitter für die Welpen spiele. Da kann ich nicht einfach schwänzen." Obwohl die Idee verlockend klang. Cassies Gedanken wanderten einige Tage zurück, zu ihrem letzten Cafébesuch. Sie hatte es seitdem gemieden. Einerseits fürchtete sie sich davor, dem fremden Wandler erneut allein gegenüberzustehen. Andererseits zog ihre Neugierde sie zu dem Mann, der sie als Luna bezeichnet hatte. War er der Gamma der verstorbenen Gefährtin des jungen Alphas? Suchte er nun ebenfalls wie Cayden nach einer neuen Mate für diesen, wie hatte der Jungwolf ihn noch genannt? Cassie runzelte die Stirn. Der Name fiel ihr beim besten Willen nicht ein.

„Na meinetwegen. Dann bleiben wir halt hier." Reyna packte sie am Arm und zog sie zu einem Platz. „Kommst du am Samstag dann wenigstens mit in einen Club?"

„Du weißt, dass es mir dort zu laut ist und ich das Durcheinander an Gerüchen nicht mag." Sie seufzte. „Was hältst du stattdessen von einem Picknick im Niemandsland?"

„An welchem Rudelgebiet möchtest du denn dichter dran sein?" Reyna hob eine Augenbraue. Cassie rutschte nervös unter dem Blick der Freundin hin und her.

„Ich weiß es nicht", flüsterte sie, da der Lehrer den Raum betrat. Die Frage verschwand die nächsten Stunden in den Hintergrund. Beide jungen Frauen folgten aufmerksam den Erläuterungen, notierten eifrig die wichtigsten Punkte.

Das letzte Jahr am College. Danach gab es keine Ausreden mehr, um zu schwänzen. Nach Belieben bei der Arbeit auftauchen oder ihr fernbleiben? Ein Unding. Cassie knabberte auf ihrer Lippe. Je näher das Ende des Unterrichts für diesen Tag rückte, desto stärker trat Reynas Frage in den Vordergrund. Wieso hatte sie für das Wochenende ein Picknick im Niemandsland vorgeschlagen? Es gab weitaus schönere Plätze in der näheren Umgebung. Pflanzenreicher, abwechslungsreicher als die Grasfläche, die Wolfswandler beider Seiten ohne Mühe bis zum fremden Territorium überblickten. Über die Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, hatten sie jegliche Pflanzen, die höher oder massiver als Gras wuchsen, ausgemerzt. Die Grünfläche wurde regelmäßig gemäht, damit kein Wolf es als Deckung und zur Tarnung nutzte. Tiere ließen sich kaum blicken. Selbst Schmetterlinge und Bienen mieden die Fläche, tummelten sich lieber in den Wäldern der Rudel und nährten sich dort an den unterschiedlichsten Waldblumen. Einzig Feldhasen und Wühlmäusen gefiel es, sich im Niemandsland herumzutreiben, da nur Gefahr von oben, von den Raubvögeln herrührte.

„Na, verrätst du mir jetzt, wieso du dort ein Picknick veranstalten möchtest?" Reyna streckte die Arme nach oben, warf dann einen Blick durch das Flurfenster nach draußen. „Hoffentlich ist das Wetter am Samstag besser, sonst fällt das Picknick ins Wasser."

Die verschmähte MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt