Kapitel 32

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Mittlerweile saßen wir wieder in meinem Auto und fuhren zu Andrea. Reden konnte ich grade nicht. Andrea akzeptierte es und sah schweigend aus dem Fenster, während ich meine Gedanken zu sortieren versuchte. Es war seltsam gewesen, immer wieder waren nur die Gedanken an Andrea präsent und ließen kaum andere zu. Auf der einen Seite, war das gar nicht schlecht, so hatte ich die gesamte Zeit in der Kabine gesessen, ohne das es mir groß etwas ausgemacht hatte. Nur war das auf der anderen Seite nicht auch Verdrängung? Fast bei ihr angekommen räusperte ich mich, verzog leicht das Gesicht und spürte sofort wie ihr Blick auf mir ruhte. „Ich hab eine Frage, aber das klingt bestimmt komisch..." „Wie kann ich dir helfen?" Fragte Andrea scheinbar erleichtert das ich meine Sprach wiedergefunden hatte. Ich druckste etwas herum und seufzte. „Ist es Verdrängung, wenn ich nur an andere Sachen denken kann und nicht an das eigentlich Thema. Obwohl ich es will?" „Mhh..." Machte sie nachdenklich. „Du wolltest an etwas bestimmtes denken und andere Gedanken haben das nicht zugelassen?" „Richtig." Bestätigte ich nickend. „Ging das denn vorher?" „Definitiv ja, aber heute haben sich immer wieder positive Erinnerungen an andere Sachen in den Vordergrund geschoben." Aus dem Augenwinkel sah ich sie lächeln.„Dann würde ich mir keine all zu großen Sorgen machen. Du verdrängst nichts, die positiven Erinnerungen überlagern grade nur alles." „Dann brauche ich mehr davon und gehe demnächst lässig in der Schwimmhalle ein und aus." Lachte ich und brachte das Auto etwas zu abrupt in einer Parklücke vor dem Wohnhaus zum stehen. Lachend kippte Andrea in ihrem Sitz etwas nach vorn. „Und kann ich dir auch dabei helfen?" Fragte sie grinsend, was ich nun ebenso erwidere. „Auch dazu ein definitives ja." Kopfschüttelnd stieg sie aus und ich folgte ihr. „Dann kann ich mir schon denken, woran du gedacht hast." „Und das stimmt nicht so ganz..." Spannte ich sie auf die Folter bis wir in ihrer Wohnung waren. Ich zog sie im Flur an ihrem Arm zurück zu mir und schlang die Arme um ihre Taille. „Ich bin grade mehr als glücklich mit dir, zufrieden und gelassen. Es ist schwer zu beschreiben. Der Sex ist da nur das Sahnehäubchen." Lächelnd schlang sie ihre Arme um meinen Hals und gab mir einen Kuss, den ich sofort zärtlich erwiderte. Wir trennten uns, sahen uns tief in die Augen und lächelten. Der perfekte Moment bis mein Handy klingelte. Andrea gab mich frei, ich zog es aus meiner Hosentasche und stöhnte leise auf als ich den Namen sah. „Meine Mutter." „Lächeln, wenn es auch schwer fällt. Ich bin schon mal in der Küche." Munterte sie mich auf und verschwand kurz darauf. „Hallo Mama." Meldete ich mich und ging langsam ins Wohnzimmer. „Hallo mein Kind, wie geht es dir?" Gott ging es bitte noch förmlicher. „Danke, alles bestens und bei euch?" Sie klagte etwas über die viele Arbeit von Papa, aber das tat sie eigentlich immer. Ich ließ mich auf der Couch nieder, stimmte ihr an den passenden Stellen zu und schenkte ihr ansonsten einfach nur gehör. Mehr wollte sie eh nicht. „Um zum eigentlich Punkt zurück zu kommen." Wechselte sie abrupt das Thema. „Wir haben für Sonntag einen Tisch bestellte, bei dem kleinen nette Italiener, wo man so schwer etwas bekommt. Mal wieder mit der ganzen Familie an einem Tisch, obwohl Matthias noch nicht sicher sagen konnte, ob er kommt." Schitt! Ich hätte nicht so lange warten sollen um ihr wegen Sonntag bescheid zu sagen, nun gab es kein Zurück mehr. „Ähm..." Machte ich immer noch nachdenklich und ließ mich tiefer in die Couch sinken. „Was soll das heißen?" Wollte sie sofort in schärferem Tonfall wissen. Unsicher fuhr ich mir über die Stirn, verdammt musste das grade dann sein, an jeden anderen Sonntag hätte sie es so hingenommen, aber jetzt würde es für schlechte Stimmung sorgen. „Am Sonntag ist die Jubiläumsfeier der Entzugsklinik und da wollte ich hinfahren." Sagte ich zerknirscht. Hörbar holte meine Mutter Luft. „Was willst du denn da, ich denke das Thema haben wir hinter uns gelassen?" Hart biss ich die Zähne zusammen und schluckte die Worte die raus wollten mühsam hinunter. Wann verdammt, würde sie endlich einsehen, das ich das Thema nie wieder komplett abhacken könnte. „Es stehen interessante Vorträge auf der Tagesordnung und schaden kann es nicht." Erklärte ich so ruhig wie möglich. „Ja wenn das so interessant für dich ist und wichtiger als deine Familie, dann ändere ich jetzt halt die Reservierung, aber dann brauchst du dir morgen auch nicht einfallen lassen, das du doch noch mit willst." Gab meine Mutter bissig von sich. „Tut mir leid." Sagte ich ohne es wirklich zu meinen, aber es war das was sie hören wollte. „Sollte es auch und demnächst möchte ich früher darüber informiert werden, wenn du Sonntag nicht kannst." Sie schnaubte hörbar. „Ein Tag in der Woche mit deiner Familie, kann ja wohl nicht zu viel verlangt sein." Mit dieses Familie auf jeden Fall. „Nein ist es nicht und ja ich gebe mir mühe." „Das möchte ich auch meinen. Schönen Abend noch!" Verabschiedete sie sich barsch und bevor ich etwas erwidern konnte hatte sie aufgelegt. Frustriert ließ ich das Handy sinken und schleuderte das Kissen neben mir in die nächste Ecke. „Das klang nicht gut." Erschrocken sah ich zu Andrea auf die mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte und mich zweifelnd betrachtete. „Entschuldige, ich wollte nicht lauschen, aber..." „Schon okay." Wiegelte ich ab und schüttelte den Kopf. „Meine Mutter wie sie leibt und lebt." Fing ich an und erzählte ihr von dem Gespräch. Sie nickte verständnisvoll und verzog immer wieder das Gesicht. „Wow, das du dabei standhaft geblieben bist." Ich zuckte mit den Schultern und lehnte mich wieder zurück. „Ganz ehrlich, kann der Tag nur schöner werden, als ein Essen mit meiner Familie, also eigentlich keine schwere Entscheidung." Ich lachte freudlos und schüttelte den Kopf.„Außerdem können sie ohne schlechtes Gewissen den guten Rotwein trinken, vielleicht hätte ich ihr das sagen sollen." Sie schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln. „Wir machen es uns schön." Dankbar nickte ich und nahm mein Handy wieder zur Hand. „Stört es dich, wenn ich Matthias eben anrufe?" „Ach quatsch, dann mach ich in der Zeit das Essen fertig." „Danke." Seufzte ich und formte mit den Lippen einen Kuss. Sie erweiterte die Geste und ging zurück in die Küche. Ohne eine vorherige Nachricht versuchte ich Matthias zu erreichen und hatte sogar Erfolg. Er hatte nicht viel Zeit und so fasste ich das Telefonat kurz zusammen. „Das einzige was schade ist, ist das wir uns nicht sehen." Schloss ich meine Erzählung. „Wie Mama schon meinte, steht es auch bei mir nicht fest und das nächste Mal sagst du eher was und ich begleite dich. Oder hast Begleitung?" Fragte er interessiert und ich hatte sein schmunzeln grade zu bildlich vor Augen. Ein lächeln breitete sich auf meinem Gesicht. „Ja, Andrea ist recht interessiert." „Schön. Das freut mich doch zu hören. Also läuft es mit euch?"„Könnte nicht besser sein und das in allen belangen." „Das freut mich für dich, für euch. Dann grüß sie lieb und lasst es euch gut gehen. Ich muss leider los." „Mach ich. Bis Dann Bruderherz. Ich hab dich lieb." „Ich dich noch mehr, Schwesterchen." Neckte er mich und wir legten auf. Nun wieder deutlich besser gestimmt schlenderte ich in die Küche, umfing Andrea von hinten mit meinen Armen und legte den Kopf auf ihrer Schulter ab um sehen zu können was sie kochte. „Frikadellen?" Fragte ich lächelnd. „Ja, du hast dir doch gestern den Kartoffelsalat ausgesucht, ich dachte den essen wir dazu." „Klingt gut." Stimmte ich ihr zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Du klingst auch deutlich besser gelaunt." Gab sie schmunzelnd zurück, während sie die Frikadellen in der Pfanne wendete. „Ja das stimmt. Matthias sagt es zwar nicht so, aber er wäre am Sonntag auch lieber mit mir gefahren als mit der Familie zu essen. Ach und außerdem soll ich dich grüßen." „Mich? Ihr sprecht über mich?" Fragte sie erstaunt. Lächelnd und etwas verschämt legte ich meine Stirn an ihre Schulter. „So ab und zu. Er ist nicht nur mein Bruder, sondern auch mein engster vertrauter, mein bester Freund." „Okay. Und will ich wissen was genau?" „Mhh... Eigentlich nur wie wichtig du mir in kurzer Zeit geworden bist und jetzt weiß er auch nur das es wieder gut läuft. Er hält viel von dir, weil du mir hilfst und jede Frau die ich mag, mag er auch. Wir sind uns da sehr ähnlich." Neckte ich und küsste leicht ihren Hals. Sie zog kichernd die Luft ein und wand sich in meinen Armen. „Hey, das ist nicht fair. Ich koche schon, also kasper hier nicht rum, sondern deck den Tisch." Versuchte sie es in strengem Tonfall, musste aber selbst grinsen. „Wird gemacht." Erwiderte ich sofort und löste mich grinsend von ihr.

Wenig später aßen wir gemütlich zusammen, ich übernahm danach das Aufräumen und Andrea mache es sich in der Zeit schon mal auf der Couch bequem. Sie las die ersten Kapitel des Buches, die ich ihr bisher vorenthalten hatte, da wir später zusammen weiter lesen wollten. Ich war überrascht wie schnell sie las, da sie schon fast Ur der Seite war, bis zu der ich ihr vorgelesen hatte, als ich es mir ebenfalls auf der Couch gemütlich machte. Sofort blickte sie auf. „Ließ ruhig laut." Forderte ich sie auf ihren Blick hin auf. Lächelnd tat sie mir den gefallen und las auch gleich bis zum Ende des Kapitels und reichte dann mir das Buch. „So du bist wieder dran." Ich räusperte mich und fing an zu lesen, so ging es Kapitel für Kapitel hin und her und es war wirklich schön gemeinsam zu lesen. Wir lachten zusammen über gewisse Abschnitte, diskutierten direkt wenn jemand etwas nicht passend fand und das war viel unterhaltsamer als allein zu lesen. Bis tief in die Nacht und ganze sechs Kapitel machten wir so weiter, aber dann war endgültig die Luft raus und wir beide ziemlich müde, so das wir nur noch schmusend ins Bett fielen.

Mit ihr fing alles an...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt