Kapitel 54

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Ob der Tag heute so rosig enden würde, wie der gestrige, dessen war ich mir beim anziehen schon nicht mehr sicher. Worüber ich mir allerdings sicher war, war die Auswahl meiner Kleidung. Nur in meinen Sachen fühlte ich mich hundertprozentig wohl und dies gab mir Sicherheit, die ich vermutlich brauchen würde. Sollte meine Mutter doch das Gesicht verziehen, dachte ich bei einem letzten Blick in den Spiegel, aber es gab nichts verwerfliches an einer ordentlichen Jeans, einem gebügelten T-Shirt und meinen neuen Turnschuhen.

Sorgsam steckte ich den Antrag auf BAföG und alles andere in meine Tasche und machte mich auf den Weg. Das Unwohlsein stieg als ich mich ihrem Haus näherte und ich brauchte mehrere Anläufe um mit zitternden Fingern mein Fahrradschloss zu schließen. Tief atmete ich durch, ging die Stufen hoch zur Tür und drückte auf die Klingel. Meine Mutter erschien fast im selben Moment an der Tür, hatte sie schon hinter dem Fenster auf mich gewartet? „Schön dich zu sehen." Sagte sie kühl, musterte mich und nach einer eher steifen Umarmung ging ich an ihr vorbei ins Haus.
„Es ist noch Kaffee da, möchtest du welchen?" „Gern, danke." Gab ich kleinlaut zurück und betrat das Wohn-Esszimmer. Mein Vater saß mit der Zeitung am Esstisch und blickte zu mir auf, er deutete mit dem Kopf auf meinen üblichen Stuhl und grummelte ein. „Guten Morgen." Als er anfing bedächtig seine Zeitung zusammenzulegen. „Guten Morgen." Erwiderte ich steif und setzt mich. Er sagt nichts und auch ich wusste nicht wie ich anfangen sollten, so zogen sich die Minuten elendig lang hin, bis Mama mit einem Tablett zu uns kam, Kaffeetassen verteilte und den Kaffee ausschenkte. Sie tat sehr geschäftig, suchte noch eine Packung Kekse heraus und es wirkte schon fast so als wolle sie sich gar nicht setzten, aber als alles auf den Tisch stand, gab es für sie keinen Ausweg mehr und so nahm auch sie platz. Bedächtig rührte Papa in seiner Tasse, legte den Löffel auf den Unterteller und sah mich durchdringend an. Ich hatte grade einen Schluck genommen und stellte die Tasse klirrend zurück. „Ich warte." Meinte er auffordernd und mir war nicht wirklich klar worauf, was wohl auch meiner Mutter auffiel. Sie lächelte zuversichtlich. „Eine Entschuldigung wäre doch ein guter Anfang." Am liebsten hätte ich laut gelacht und wäre sofort wieder gegangen, na das ging ja gut los. Leicht zog ich die Augenbrauen zusammen und räusperte mich. „Ich will auf keinen Fall undankbar erscheinen und ich weiß auch sehr wohl was ihr bisher für mich getan habt." Mama nickte bedächtig, aber Papa hielt einfach stur den Blick auf mich gerichtet. „Wie gesagt, dafür bin ich sehr dankbar, aber ich habe keinen Grund mich zu entschuldigen." Genervt seufzte Papa „Warum bist du denn überhaupt hier?" „Wir wollten das klären und das möchte ich versuchen." „Dann mal los, klär mich über meine Fehler auf." Meinte er sarkastisch und griff wieder zu seiner Tasse. Ich atmete tief durch und gab das Gespräch vom letzten Mal wieder. Immer wieder nickte mein Eltern bedächtig, aber ich sah kein Verständnis. „Der Punkt ist einfach, das was ihr Fürsorge nennt, ist für mich sehr belastend. Ich spüre nie das ihr stolz auf mich seit, dass ich seit vier Jahren nicht mehr trinken, sondern euch interessiert nur das es so bleibt." Skeptisch verzog mein Vater das Gesicht. „Warum sollten wir darauf stolz sein, es wäre gar nicht nötig gewesen das es soweit kommt." „Richtig. Daran bin ich ganz alleine Schuld, niemand hat mir die Flasche in die Hand gedrückt, das ist mir klar, aber es ist passiert und lässt sich nicht einfach unter den Teppich kehren. Ich muss für immer damit leben und bin stolz darauf das ich es hinbekomme und nicht mehr zur Flasche greife. Aber es ist unglaublich schwer, wenn mir das aber jedes Mal unterstellt wird." „Na wer soll denn sonst auf dich achten, das du es nicht tust?" Echauffierte sich meine Mutter grade zu. „Niemand. Ich komme allein damit zurecht." Papa verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Dann sind wir also wieder bei dem Punkt, dass wir alles für dich machen und tun sollen, aber uns nicht einmischen dürfen?" Kraftlos schüttelte ich den Kopf. „Lasst mich beweisen das ich es allein hinbekomme." „Ja dann, bitte." Meinte er gönnerhaft. „Dann kümmere ich mich jetzt um alles und du hast drei Monate Zeit, deine Sachen zu packen, dir eine neue Wohnung zu suchen und dann kannst du uns beweisen wie gut du doch allein über die Runden kommst." „Moment." Fuhr Mama dazwischen. „Das geht mir alles zu schnell." „Lass sie." Meinte Papa beschwichtigend, aber Mama schüttelte nur mit dem Kopf. „Was soll das dann bedeuten, du wendest dich von der Familie ab?" Fest umklammerte ich meine Tasse. „Nein, wir können Kontakt halten und uns ab und zu treffen, so wie Hendrik und Matthias es auch tun." Sie atmete tief durch, wirkte etwas beruhigter, aber dennoch nicht zufrieden. Mein Vater leerte seine Tasse und rückte seinen Stuhl zurück. „Wenn du uns entschuldigst, ich gehe mit Jessica ins Büro und regle alles." Ich wusste nicht was ich fühlen sollte, angst, aber auch Erleichterung das es grade nach einem friedlichen Ende aussah. „Ich muss mich um das Essen kümmern." Stotterte meine Mutter, stand vom Tisch auf und war auch schon in der Küche verschwunden. Papa deutete mir mit dem Kopf ihm zu folgen, während ich unauffällig durchatmete, noch einen Schluck nahm und ebenfalls aufstand.

Mit ihr fing alles an...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt