Der geschützte Raum

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Als Kati zum Mädchensport in die Turnhalle kam, waren alle Schülerinnen schon umgezogen.

»Zuerst möchte ich mit euch über einen Vorfall sprechen. Lilly, Heide, was war da neulich mit Maria los? Ich habe das von Weitem beobachtet.«

»Sie ist eine Hexe. Sie beschimpft mich. Wir wollten ihr zeigen, dass ich kein Opfer bin«, sagte Heide.

»Das haben wir auch geschafft«, fügte Lilly stolz hinzu.

»Indem ihr sie bedroht habt?«

Die beiden sahen ihre Lehrerin nachdenklich an. »Wir haben ihr nichts getan. Wir haben ihr nur Grenzen gesetzt«, sagte Lilly.

»Seitdem hat sie mich in Ruhe gelassen«, erklärte Heide.

»Hätte das ohne Lilly und Leon auch funktioniert?«, fragt Kati.

»Sie macht es doch genauso. Sie droht mit Justin und ihrem großen Bruder, ich drohe mit Lilly und Leon«, sagte Heide aufgebracht. »Was soll ich denn sonst machen?«

»Ich finde es richtig, dass du dir Verbündete suchst. Das Problem entsteht da, wo ihr andere angreift.«

»Ich habe Marias Hände weggeschlagen, weil sie Heide angegriffen hat. Ich bin unschuldig«, sagte Lilly selbstbewusst.

»Ich habe Maria an den Haaren gezogen. Gilt das auch?«

»Leider ja.«

»Es tut mir aber nicht leid«, sagte Heide.

»Das ist in Ordnung. Ich möchte auf etwas anderes hinaus. Es gibt Menschen, die sind sehr angriffslustig. Ich bin so jemand. Wenn ich in Bedrängnis gerate, greife ich an. Deshalb kenne ich die Probleme, die daraus entstehen können.«

Die Mädchen sahen sie fasziniert an. »Haben Sie die Straßenräuber in Madrid angegriffen?«

»Sagen wir so: Ich habe mich aggressiv gewehrt. Damit habe ich mich schon aus vielen kritischen Situationen befreit.« Kati dachte unwillkürlich an einen Mann mit olivgrüner Kappe. »Es ist ein zweischneidiges Schwert, mit dem man sich auch selbst verletzen kann. In unserer Gesellschaft gibt es Gesetze, die so etwas an manchen Stellen bestrafen. Deshalb möchte ich das heute mit euch erforschen. Gibt es einen Mitschüler oder eine Mitschülerin, bei der ihr das Gefühl habt, dass ihr angegriffen werdet?«

»Da fallen mir mehrere Leute ein«, sagte Lilly.

»Such dir eine Person aus. Ganz spontan. Ihr könnt euch jederzeit anders entscheiden.«

Alle Mädchen nickten. Kati ging vor zur dicken blauen Matte, die an die Wand gelehnt und sicher mit Spanngurten befestigt war. Sie gab jeder Schülerin zwei kleine Stücke Maler-Kreppband.

»Diese Papierstückchen stehen für die Augen der Mitschüler. Klebt sie in der richtigen Höhe an die dicke Matte.«

Die Mädchen drückten die symbolischen Augen vor sich an die Matte.

»Ich möchte, dass ihr nacheinander übt. Als Erstes sollt ihr die Person nur ansehen und herausfinden, was ihr dabei fühlt. Wer will?«

»Ich!«, rief Lilly.

Die anderen Mädchen traten zurück.

Lilly stellte sich vor die blaue Matte und sah weit nach oben auf ihre Papierpunkte. Sie wurde rot und hektisch, sagte aber nichts.

»Was fühlst du?«, fragte Kati.

»Der macht mich so wütend! Wenn ich den nur sehe, könnte ich platzen vor Wut.«

Einer Eingebung folgend, schlug Kati vor: »Bitte tritt zurück, sieh woanders hin und denk an etwas Schönes.«

Lilly sah sie verdutzt an.

Das Glück in der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt