Die Vernehmung

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In den nächsten Tagen war Kati glücklich. Jana mochte Tom auf Anhieb und freute sich über die Neuigkeiten. Die Freundinnen beschlossen, niemandem etwas von der Verlobung zu sagen, um die Gerüchte an der Schule nicht wieder anzuheizen.

Doch der Termin beim Landeskriminalamt beunruhigte Kati. Jana war ebenfalls vorgeladen und gemeinsam fuhren sie nach dem Unterricht hin. Die Lehrerinnen stiegen in einer ihnen unbekannten Gegend aus dem Bus, fanden sich aber gleich zurecht. Sie irrten durch die farblosen Flure des Bürogebäudes, bis sie das Zimmer der zuständigen Beamtin fanden. Jana trat als Erste ein. Kati wartete eine gefühlte Ewigkeit, war dabei aber ruhig.

Nach einer halben Stunde kam Jana heraus. Sie strahlte. »Ich darf nicht mit dir reden. Ich warte unten auf dich«, sagte sie hastig und ging weg.

Kati betrat den tristen grauen Raum. Die Kommissarin, Frau Bohm, war Mitte vierzig und hatte ein schönes Lächeln. Sie stellte ein Diktiergerät an und bat Kati, sich ein paar Bilder auf einem Monitor anzusehen.

Schon den ersten Mann erkannte Kati. »Er ist einer der vier, die uns überfallen haben. Er ist klein, stand rechts von uns.«

Frau Bohm sah sie prüfend an. »Was ist Ihnen passiert?«

»Wir wollten zwei Schülerinnen aus einem Café abholen, haben uns aber verlaufen. Vier Männer haben uns verfolgt, wir haben es zu spät bemerkt. Sie haben uns an einem komischen Zaun an einer Straßenecke eingekesselt. Einer von ihnen hatte ein Messer, aber ich konnte es ihm aus der Hand schlagen und wegtreten. Dann habe ich die anderen weggeschubst oder geschlagen oder getreten. Das weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls konnten wir wegrennen.«

»Erinnern Sie sich daran, wie das Messer aussah?«

Kati erinnerte sich an das Klirren des Metalls. Plötzlich sah sie eine Erinnerung aufblitzen von dem Messer, das über den Asphalt glitt. »Ja! Ich habe es gesehen! Es war ein Springmesser mit einem elfenbeinfarbenen Griff. Es sah aus, als wäre es bemalt.«

»Das hier?« Frau Bohm zeigte ihr ein Foto.

»Ja«, sagte Kati verblüfft.

»Sehen Sie sich bitte die Bilder dieser Männer an.«

Kati betrachtete weitere Fahndungsfotos auf dem Monitor. Sie schüttelte den Kopf. »Die habe ich noch nie gesehen.« Dann erkannte sie einen Mann. »Das ist der Chef der Bande. Er war der Wortführer.«

»Hatte er das Messer?«

»Nein!«

Die Kommissarin zeigte ihr mehr Bilder. »Stopp. Der da war auch dabei. Und das ist der mit dem Messer.«

Ein Foto zeigte einen schwarzen, etwa 30‑jährigen Mann mit einem blauen Auge.

»Der war nicht dabei. Es waren alles Weiße«, sagte Kati.

Frau Bohm stand auf und Kati ebenfalls. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«

»Das war's? Wie geht es denn jetzt weiter?«

»Ich werde Ihre Aussage nach Madrid weiterleiten. Was dann passiert, entscheiden die Richter dort.«

»Worum geht es bei Ihren Ermittlungen? Doch nicht um den Überfall auf uns?«

»Es gab eine ganze Serie. Bei einem wurde ein Mann getötet.«

»Der mit dem Veilchen«, sagte Kati sofort.

»Ja. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Räuber, die Sie bedroht haben.«

»Heißt das, wir waren auch in Gefahr?«

»Möglicherweise. Die vier sind als gewalttätige Drogenkonsumenten bekannt.«

»Vermutlich war es deshalb so leicht, sie in die Flucht zu schlagen. Sie wirkten ungelenk und unkonzentriert.«

»Dann hatten Sie Glück. Bei ihrer Festnahme waren die Männer enthemmt und aggressiv.«

Nachdenklich verließ Kati das Bürohaus.

Auf der Straße wartete Jana. Sie umarmte Kati erleichtert. »Ich bin so froh, dass du uns verteidigt hast. Wir hätten genauso gut Opfer dieser Typen werden können.«

»Ja. Wir haben alles richtig gemacht. Apfelkuchen mit Sahne?«

»Unbedingt! Dazu will ich einen Prosecco!«

Sie holten sich den Kuchen aus ihrer Lieblingsbäckerei und gingen zu Jana in die Wohnung. Nach einem Glas Prosecco war Kati schon beschwipst. Sie alberten wie damals, als sie noch unbeschwerte Studentinnen waren, ohne die Erfahrungen von Entführungen und Überfällen.

Erst als Stephan nach Hause kam, versuchten sie, sich zu benehmen. Er hob prüfend die Proseccoflasche hoch. Sie war noch fast voll. »Schön, dass ihr auch mit winzigen Mengen Alkohol so lustig sein könnt.«

»Das können wir!« Die Frauen kicherten.

Sie saßen noch lange zusammen, redeten und lachten wie in alten Zeiten. Das tat Kati gut.

Das Glück in der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt