Ein blutiges Festmahl

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CW: Gor, Blut, Tod, sexueller Missbrauch

Erleichtert atmete ich auf, als ich nicht mehr unter ihrem Blick litt, meine Hände waren kalt und feucht vor Schweiß. Leicht zitternd wischte ich mir meine Handinnenflächen an dem Stoff meines schmutzigen Kleides ab. Das war der Anfang vom Ende. Von meinem Ende. Ängstlich wagte ich es, erneut zur Bühne hinauf zu blicken. Mein Instinkt sagte mir, es nicht zu tun. Mein Instinkt sagte mir, mich klein und unsichtbar zu machen. Zu fliehen. Doch mein Instinkt hatte nicht mit dem Fluch gerechnet, der sich über mich gelegt hatte. Und gleichzeitig wollte ich es wissen. Wollte sehen, ob mein Bruder auch dort bei Gráinne stand. Aber ich konnte ihn nicht finden. Dort war niemand. Erleichterung und sehnsüchtiger Schmerz nach dem letzten Rest Familie, den ich noch hatte, machten sich gleichzeitig in meinem Herzen breit. Mir war übel und ich musste den Blick auf den Boden richten. Weg von der Bewegung und dem Licht und der Aufregung.

Der Junge neben mir starrte mich flehend an und griff wieder nach meiner klammen Hand; ich zwang mich zu einem kleinen Lächeln. Er lächelte zurück – es war mehr eine Fratze, als ein glückliches Gesicht – und die Angst in seinen Augen blieb.

Plötzlich durchschnitt ein weiterer lauter Knall das Stimmengewirr und lies es in einem Sekundenbruchteil ersterben. Ich sah, wie die Hexenfürstin ihre Hand langsam sinken lies, mit der sie eben gezaubert hatte. Jeder um mich herum schien Angst zu haben, das erste Opfer ihrer Magie zu werden und keiner wagte es, sich zu bewegen.

In der durch den Schuss herrschenden Stille der Menge trat Cán nach vorne und gab einem der Soldaten, die am Rand der Menge standen, ein kurzes Handzeichen. Der Soldat nickte ihm untergeben zu und wand sich seinem Gefolge zu. Gleichzeitig hoben die Wachen ihre Speere und begannen, durch die Menge zu streifen. Allem Anschein nach auf der Suche nach etwas, oder jemand ganz bestimmten. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Meine Magie hatte sich noch nicht offenbart, Gráinne konnte mir nichts anhaben, der Schutz des Fluches verbat es ihr. Doch ich zitterte trotzdem am ganzen Körper vor Angst. Mein Herz raste. Das war das Ende. Das Ende. Das Ende. Ende. Ende. Ende. Ich konnte an nichts anderes denken. Hier würde der Schmerz beginnen und erst mit meinem Tod wieder enden.

Mein Bruder war nirgends zu sehen, aber er musste da sein, da war ich mir sicher. Er würde erst kommen, wenn es Zeit für ihn war, wenn die Magie sich in uns offenbarte und ihn zu mir rief. Er war nichts weiter als eine Schachfigur in dem dunklen Spiel des Fluches. Das waren wir beide.

Mit näselnder Stimme begann Cán mit seiner Ansprache an die erwartungsvollen und verschreckten Gefangenen: „Wir haben uns heute hier versammelt, um unseren ehrenwerten Gast, Hexenfürstin Gráinne, willkommen zu heißen!", erklärte der Hexer. „Sie hat Phríosan die Ehre erwiesen, einen Blick auf die Umstände des wohl größte Arbeitslagers von ganz Eldora zu werfen."

Angst lag in der Luft. Ich konnte sie riechen.

Es war mucksmäuschenstill in dem großen Saal geworden; nicht einmal mehr das Atmen der neben mir stehenden Gefangenen konnte ich mehr hören, weil sie alle die Luft anhielten. Auch mir war vor Schreck der Atem gestockt, jetzt wo die gesamte Aufmerksamkeit der Hexenfürstin auf uns lag.

Die einzige Bewegung ging jetzt von den Soldaten aus, die immer noch durch die Menschenmengen streiften. Dann hörte ich einen Aufschrei, der die Stille scharf wie ein Messer zerschnitt und die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Ein großer, bulliger Soldat hatte einen kleinen Jungen aus der Umarmung seiner Mutter gerissen und zog ihn mit sich zurück zur Bühne. Auf einmal kam überall Tumult auf. Sie nahmen die Kinder. Alle Kinder. Aber wieso die Kinder? Gráinne wollte mich, deshalb war sie doch hier hergekommen. Ich verstand nichts mehr. Mein Blick viel unbehaglich auf den kleinen Jungen neben mir und mein Herz wurde mir schwer.

Eloen: Erbin von Eldora (Teil I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt