Der Èsig

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Schweißgebadet schreckte ich aus meinem Albtraum auf. Orientierungslos blickte ich mich um. Ich lag in eine warme Wolldecke eingewickelt dicht neben Liam. Sein Körper hatte sich an meinen geschmiegt und er umarmte mich von hinten sanft mit seinen Armen. Meine Füße hatten sich im Ende der Decke verheddert und meine Haut war kalt vom Angstschweiß. Mein Herz schlug schnell, selbst nach all den Jahren hatte ich es noch nicht geschafft mich an das immer gleich bleibende Bild meiner ermordeten Eltern zu gewöhnen. Vermutlich würde ich es auch nie wirklich schaffen.

Nachdem ich aufgewacht war und mir eingeredet hatte, dass ich in Sicherheit war beruhigte sich mein Herzschlag langsam wieder. Liam, der dicht hinter mir lag schlief noch immer. Ich war erleichtert, dass ich ihn nicht aus dem Schlaf aufgeschreckt hatte. Er hatte bereits genug Nächte meinetwegen wach gelegen. Ich wusste, dass die anderen Dea bemerkt hatten, dass ich von Albträumen heimgesucht wurde, aber ich wollte dennoch nicht darüber reden, es war mir lieber so, vielleicht würde ich es Liam irgendwann einmal erzählen, wenn ich bereit dazu war. Wer wusste das schon.

Bei dem Gedanken an die letzte Nacht musste ich schmunzeln. Es war die richtige Entscheidung gewesen, ehrlich zu sein, und sich ihm anzuvertrauen, es tat gut zu wissen, dass ich jemanden hatte, der für mich da war und mir zuhören würde.

Vorsichtig drehte ich mich unter der Decke, immer noch von seinen Armen umschlungen, auf die andere Seite, um ihm ins Gesicht blicken zu können. Sein vom Schlaf entspanntes Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Bei seinem Anblick schlug mein Herz sofort schneller und ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht. Im Schlaf sah sein Gesicht weicher aus, keine Sorgenfalten auf der Stirn durchzogen es und auch kein zusammengepresster Kiefer ließen es hart und kantig erscheinen.

Ich verspürte den Drang sein Gesicht zu berühren, die Haut, die hohen Wangenknochen, den weichen Schwung seiner Lippen. Ganz sanft strich ich mit meinen Fingern über seine Wange, wobei ich dem Schwung seiner Wangenknochen entlang nach unten folgte, bis zu den Lippen. Fast ohne sie zu berühren fuhr ich mit meinen Fingern über seine Oberlippe und zeichnete die Umrisse nach. Der Gedanke daran, dass ich diese Lippen in der letzten Nacht geküsst hatte schien mir surreal, aber dennoch war es geschehen. Liam atmet einmal tief ein und wieder aus und dann hoben sich ganz langsam seine Augenlider. Als er mich vor sich liegen sah verzogen sich seine Lippen zu einem Grinsen und er atmete einen Schwall warmer Luft aus, der mein Haar kitzelnd über mein Gesicht gleiten lies. Verschlafen zog er seinen Arm unter meiner Hüfte hervor, um sich die Augen zu reiben.

„Guten Morgen, Prinzessin.", flüsterte er mir mit einer vom Schlaf rauen Stimme ins Ohr. Liam gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn und legte sich dann auf den Rücken neben mich. Doch mir war dieser eine Kuss nicht genug, ich wollte mehr, ich war süchtig nach seinen Berührungen und seinen Lippen. Jetzt wo der Damm zwischen uns gebrochen war, konnte ich mich nicht mehr bändigen.

Ich schwang meine Bein über seinen Körper, beugte mich über ihn und gab ihm einen langen liebevollen Kuss. Die Decke war mir vom Rücken gerutscht und ich konnte die Sonne warm auf meiner Haut spüren. In der Nacht war ich einmal kurz aufgewacht und hatte mir Hose und Stiefel ausgezogen, sodass ich jetzt nur noch die Bluse und meine Unterwäsche trug.

Auf einmal senkte sich ein Schatten über uns. Erschrocken blickte ich auf, darauf gefasst einen mordlustigen Adler auf uns zustürmen zu sehen, doch statt dessen blickte ich direkt in zwei identische breit grinsende Gesichter. Deren und Ferris.

Hastig griff ich nach der Decke hinter mir und zog sie über meine nackten Beine. „Was zum Teufel macht ihr denn hier?", schimpfte ich los, während die Zwillinge vor unserem Höhleneingang fliegend Loopings und Saltos schlugen.

„Ich habe dir gesagt, dass es passiert, aber du hast mir nicht glauben wollen!", rief Deren Ferris zu. Doch der schlug gleich zurück. „Das stimmt überhaupt nicht, ich habe ausschließlich gesagt, dass sie sich noch nicht trauen und brav warten.", „Ja klar, warten, bis sie verheiratet sind! Natürlich!", der sarkastische amüsierte Unterton war aus Derens Stimme gut heraus zu hören.

Eloen: Erbin von Eldora (Teil I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt