Der Alles-Händler

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„Gut", sagte Liam und ging mir voraus die Straße entlang. „Wir werden zu einem kleinen eher obskuren Laden gehen. Also schau bitte nicht zu geschockt, wenn wir da rein gehen, ich würde gerne auf komische Fragen verzichten, die wir sicherlich bekommen, wenn du wie ein Kugelfisch schaust.", na danke. Wie ein Kugelfisch schaute ich also. Das hatte mir auch noch niemand gesagt.

„Klar, ich werde das schon hinbekommen.", genervt rollte ich mit den Augen. „Aber warum gehen wir dann in einen so seltsamen Laden, wie du sagst, wenn du mir nicht mal zutraust, dass ich meine Gesichtszüge im Griff habe?"

„Naja", setzte er an und warf mir ein süffisantes Lächeln zu „Weil es da die bequemsten Schuhe von ganz Eldora gibt. Mindestens habe ich noch nie bessere gefunden."

Ich wäre vor Freude und Erleichterung beinahe in die Luft gesprungen, aber das wäre wohl zu übermütig und auffällig gewesen, also beließ ich es einfach bei einem kleinen Stoß mit meinem Ellbogen in seine Seite. Das hatte er schließlich verdient. Er brauchte gar nicht so hämisch zu grinsen, ich hatte weder um dieses dünne Kleid, noch um die Schuhe gebeten.

Als wir das Ende der Gasse erreicht hatten öffnete sich vor uns ein großer runder Platz. In der Mitte war er durch einen breiten Fluss in zwei Hälften geteilt, die nur durch eine eiserne Brücke miteinander verbunden waren.

Doch die Brücke war nicht das einzige, was sich auf diesem Platz befand. Hunderte von Wesen eilten durcheinander, junge Frauen in bunten Gewändern, schnatternde alte Weiber, in schwarz gehüllte dunkle Gestalten, die sich in den Ecken hielten, laute Verkäufer, fremde Waren, die ich noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Gewänder aus edlem Stoff, Gewürze aus entfernten Ecken meines Landes, teure Duftwässerchen, sonderbare geräucherte Fleischsorten und seltene getrocknete Früchte. Die Gerüche der zahllosen Händler vermischten sich und stiegen mir in die Nase. Erstaunt blieb ich stehen. Es war, als hätte jemand die Zeit zurückgekehrt. Es war, als wären die zehn Jahre nicht vergangen. Es war wie früher. Ich lies mich von dem heiteren Trubel auf dem Markt mitreißen und vergaß für einige Sekunden die Wächter, die vor den weißen Mauern der Stadt warteten, den Grund, warum wir hier waren und wohin wir noch gehen würden. Baihle wurde ganz zurecht die Stadt der tausend Reisenden genannt.

„Komm schon, nicht so starren.", zischte Liam mir von der Seite aus zu und ich riss beschämt meinen Blick von dem Wirrwarr aus Waren und Menschen und anderen Wesen.

„Und mach den Mund wieder zu, Eloen!", grummelte Liam mich von der Seite her an. „Das sieht so aus, als hättest du so einen Markt schon seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und das wäre doch etwas sehr auffällig, nicht war?"

Ich klappte meinen Mund schnell wieder zu. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er sperrangelweit offen gestanden hatte, aber nach zehn Jahren Gefängnis, wie Liam es gerade schon gesagt hatte, schien mir alles neu und überwältigend. Und gleichzeitig war ich sauer, dass er eben mit seinem Kugelfisch Kommentar recht behalten hatte.

Liam führte mich nach links in Richtung einiger Geschäfte während uns das Klappern von kupfernen Töpfen, das Lachen von kleinen Kindern und das Geschrei der Marktweiber folgte. Aber je länger ich mich umsah, desto düsterer wurde die ganze Szenerie. An den Mauern der Häuser lehnten Bettler, die nicht viel mehr als Haut und Knochen zu sein schienen. In den Gürteln der Männer blitzen Dolche und Schwerter auf. Der Blick der Händler war gierig, als würden sie vor keiner Skrupel zurückschrecken. Mütter riefen ihre Kinder halb verärgert halb besorgt zurück, sobald sie sich mehr als ein paar Schritte von ihnen entfernten. Geld wurde nur verstohlen und eilig gegen Ware ausgetauscht, als wäre dies hier kein Wochenmarkt sondern Schwarzhandel. Aus den Läden starrten mich Gestalten mit funkelnden Augen an und der Geruch von alten Dingen, Staub, Schmutz und dunkler Magie hing in der Luft.

Eloen: Erbin von Eldora (Teil I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt