Flirtversuch & Kellergewölbe

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Träge sammelte Ria die herumliegenden Übungsschwerter ein. Nachdem sie vorgestern Nacht den Auftrag beinahe vermasselt hatte, hatte Blake sie nur lange angesehen. Normalerweise hätte er getobt wie sonst was. Stattdessen hatte er sie stumm dabei beobachtet, wie sie sich aus ihrem Mantel geschält und ihn untypischerweise auf den Boden geworfen hatte. Danach hatte er sie in Ruhe gelassen. Merkwürdig.

„Entschuldigung?"

Ria sah auf. Ein Jugendlicher stand vor ihr, hinter ihm ein Erwachsener. „Ja?"

„Wir sind auf der Suche nach einer Kampfschule, die auch asiatische Kampfsportarten unterrichtet."

Vorsichtig legte sie die Schwerter wieder an ihren angestammten Platz. „Die Gruppenstunde für heute ist vorbei. Für den Einstieg müssten Sie sich an den hiesigen Lehrmeister wenden. Ich kann gerne einmal nachsehen, ob er da ist." Sie deutete auf Blakes verlassenes Büro. „Setzen Sie sich doch bitte."

Während die beiden Besucher es sich im Büro bequem machten, betrat Ria zögernd die Wohnung. Normalerweise mied sie Blake, wo sie nur konnte. Ihn zu suchen, war eine ganz neue Erfahrung. Weder im Wohnzimmer, noch in seinem Büro konnte sie ihn finden. Auch im Garten war keine Spur von ihm. Schließlich wusste sie es sich nicht anders zu helfen, als nach ihm zu rufen. „Blake?"

„Sportschule?" Sie zuckte nicht zusammen, als er die Worte in ihr Ohr hauchte. Sie hatte den Luftzug der sich öffnenden Tür sehr wohl wahrgenommen. Dennoch verkrampfte sich wieder alles in ihr. „Süße, wann lernst du endlich, dass du dich nicht zu verstellen brauchst. Ich habe dich nicht wegen deiner Freundlichkeit mir gegenüber zu meiner Freundin gemacht. Wenn du mir also sagen willst, dass du mir das nächste Mal den Allerwertesten aufreißen wirst, sollte ich mich so anschleichen, tu dir keinen Zwang an." Lässig zog er an ihrem Zopf. „Hol dein Schwert raus. Wir trainieren gleich ein wenig."

Sie wartete, bis er auf seine unheimliche Art und Weise wieder verschwunden war, dann holte sie resigniert seufzend ihr Schwert aus ihrem Zimmer. Dieser Mistkerl. Wenn sie es doch bloß mit ihm aufnehmen könnte. Was würde sie nicht alles mit ihm anstellen.

„Cooles Ding, warum hast du dein eigenes? Ist das nicht illegal?" Der ältere der beiden Gäste lehnte von außen an der Glaswand zum Büro. Er hatte straßenköterblondes Haar, das er in einer Sturmfrisur trug und besonders buschige Augenbrauen. Ansonsten war er ziemlich durchschnittlich – weder muskulös noch beleibt. Seine dunkelbraunen Augen lagen tief, als hätte er seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen.

Ria schenkte ihm ein nachsichtiges Lächeln. „Glauben Sie etwa, dass die Schüler mit den scharfen Schwertern trainieren? Sie finden hier kein Schwert, das scharf genug ist, einen Holzstamm auch nur ansatzweise zu durchschneiden. Da wäre eine Axt vermutlich wirkungsvoller, wenn Sie jemanden umbringen wollen."

Der trockene Ton, in dem sie das vorbrachte, brachte ihn zum Lächeln. „Wer sind Sie? Und was machen Sie hier? Unterrichten Sie?"

Vorsichtig lehnte sie ihr noch in der Scheide steckendes Schwert an die Wand. „Ich habe hier vorhin nur aufgeräumt. Ich unterrichte nicht. Fragen Sie den Chef, der wird Ihnen bestätigen, dass das keine so gute Idee wäre. Und mein Name, nun ja, ich gehe nicht mit Schülern aus. Also geht der Sie nichts an." Süffisant lächelnd begann sie, die Schaumstoffmatten aufzurollen. „Sollten Sie nicht bei Ihrem Freund sein und sich anhören, wie viele blaue Flecken Sie sich alleine in der ersten Übungsstunde holen werden?"

Der Fremde zuckte mit seinen breiten Schultern. „Ich bin nur hier, um mir anzusehen, auf was mein Stiefsohn sich hier einlässt."

Überrascht musterte die Schwarzhaarige ihn. „Ihr Stiefsohn?" Dabei wirkte er eher wie ein älterer Freund und nicht wie der Stiefvater. Wie alt musste seine Frau denn sein?

Rot wie Blut [Schattenseelen 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt