Nebeneinander

2.4K 221 23
                                    

Am nächsten Morgen stand Ria ungewohnt früh auf, sie hielt es keine Sekunde länger im Bett aus. Nicht besonders wählerisch suchte sie sich ein paar Kleidungsstücke heraus, die sie so gut wie nie anzog und rüstete sich mit einer kleinen Sammlung an Messern aus. Ihre innere Unruhe, die sie dank des Auf und Ab des gestrigen Tages im Griff hatte, würde ihr Gast in der Luxussuite nun ausbaden dürfen.

Nur war es eine Sache Blake dort hin zu folgen. Diesen Raum selbst in den Keller zu finden, eine komplett andere. Letztendlich landete sie vor einer passwortgesicherten Tür. Ihr blieb also nichts anderes übrig, als sich wieder nach oben zu schleppen und Blake aus dem Bett zu schmeißen. Hoffentlich würde er es ihr nicht übel nehmen.

Da es erst fünf Uhr morgens war, war es noch ruhig. Niemand kam ihr auf ihrem Umweg nach oben entgegen. Unglaublich, wie sehr man sich doch in diesem an sich recht überschaubaren Haus verirren konnte, dachte sie verwundert. Kopfschüttelnd trat sie ins Schlafzimmer.

Spärlich fiel das Licht durch die zugezogenen Vorhänge. Kleine gelbe Flecken wanderten über Blakes schwarze Haare und Ria konnte der plötzlich aufkeimenden Versuchung nicht widerstehen, ihm durch den dunklen Schopf zu fahren. Es kam sehr selten vor, dass sie ihn schlafend sah. In über fünfundneunzig Prozent der Fälle war er schon auf, bevor sie auch nur ansatzweise aufwachte.

„Was war bloß gestern los mit dir? Warum machst du es mir nur so schwer?" Wie Wasser rannen seine feinen Haare durch ihre Finger. Mal war er der größte Idiot, mal richtig lieb und verständnisvoll. In letzterer Zeit war er vorwiegend der Idiot, deshalb hatte sein plötzlich wieder freundliches Verhalten sie kalt erwischt. Warum musste er sie auch so durcheinander bringen?

Müde öffnete er ein Auge. „Ich habe mir sagen lassen, dass du so vielleicht nicht immer zu deinem Polizisten rennst."

Panisch begann ihr Herz zu rasen. Hatte er sie etwa gehört? Oh Gott. Darum bemüht, die Fassung zu bewahren, konzentrierte sie sich auf den Inhalt seiner Worte. „Warum stört es dich so sehr?"

Seine große, warme Hand schloss sich um ihre. Mit geschlossenen Augen drückte er ihr einen Kuss auf die Handinnenfläche. Ria schauderte. Es war ein viel zu intensives Gefühl. „Weil mir wirklich an dir liegt, Süße. Ich sagte doch, ich kann nicht so gut mit Frauen."

Ria sagte nichts. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, erneut um Fassung zu ringen. Das konnte doch nicht sein. Blake erhob zwar Anspruch auf sie, aber sie liebte doch Reece, oder? Aber Reece hatte sie von sich gewiesen, als sie seine Hilfe erfragt hatte. Wie hatte ein Tag all dies nur so auf den Kopf stellen können?

Mit Genugtuung stellte Blake fest, dass sie innerlich ziemlich aufgewühlt war. Natürlich störte es ihn, dass sie andauernd zu ihrem Polizisten rannte, wenn sie Abstand brauchte. Desto gelegener kam ihm Kemals Ratschlag. Nur zu schade, dass er nichts von Liams Charme hatte. Wobei der ihm ordentlich die Hölle heiß gemacht hätte, wüsste er, dass er was von seiner Tochter wollte.

„Was hält dich wach?" Neugierig musterte er sie. „Anscheinend warst du schon unterwegs." Er setzte sich auf, den Blick unverwandt auf sie gerichtet.

Unruhig rutschte sie hin und her. „Ich hoffe du bist mir nicht böse, aber ich wollte in den Keller. Das Problem war nur deine passwortgesicherte Tür."

Blake war ihr ganz und gar nicht böse. Für ihn konnte der Kerl nicht lange genug leiden. Und je früher das alles begann, desto lieber war es ihm.

Wortlos ließ er sie in den Kellerraum, bevor er nach oben in die Küche ging. Bestens gelaunt kehrte er mit Kaffee und Sandwich wieder zurück. In den knapp fünfzehn Minuten, die er weg gewesen war, hatte Ria den Gefangenen schon gut ins Schwitzen gebracht. Seine Kleine war gerade damit beschäftigt, ihm mit dem Messer einen Stern auf die Brust zu ritzen.

Rot wie Blut [Schattenseelen 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt