Reece

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Von Schülern und Lehrern unbemerkt, schlüpfte Ria ins Kampfschulbüro. Im Schrank dort bewahrte sie ihre Kampfuniform auf. Damit würde sie zwar auf keinen Laufsteg kommen, aber immerhin bot diese doch mehr Schutz, als das halbdurchsichtige Hemd, das sie noch immer trug.

Nach Ende der Unterrichtsstunden erkundigte sie sich nach Dimitrios. Demostenes hatte noch eine im Anschluss. Schade eigentlich, da sie mit seinem Karate besser klarkam, als mit dem Kickboxstil, den sein Bruder an den Tag legte.

Beeindruckt beobachtete Al, wie Ria den imposanten Griechen immer wieder auf den Rücken beförderte. Er hatte sie noch nie richtig kämpfen sehen. Trotz ihres weit geschnittenen Outfits meinte er erkennen zu können, wie ihre Muskeln unter ihrer zarten Haut spielten. Ein äußerst elegantes Schauspiel.

„Starr sie weiter so an und du bist einen Kopf kürzer."

Mit wild klopfendem Herzen wirbelte Al herum. Hinter ihm stand Reece und sah unheimlich schlecht gelaunt aus. „Warum bist du hier?"

„Neuer Mord. Unser Fall. Rita erwartet dich am Tatort, also beeil dich. Lea ist im Büro erreichbar und ich gehe einer Spur nach. Wir sehen uns morgen." Mit finsteren Blicken folgte er dem beeindruckenden Kampf vor ihm.

Fluchend verschwand Al im Duschbereich. Ein neuer Mord... das hatte ihm gerade noch gefehlt. Dabei waren er und seine Exfrau doch heute zum Essen verabredet.

Dimitrios wusste nicht recht wie ihm geschah, als Ria ihn zum wiederholten Male durch die Luft schleuderte. Noch nie hatte er sie mit einer solchen Konzentration kämpfen sehen. Was immer der Boss angestellt haben musste, er wollte es gar nicht wissen. Noch bevor er wieder auf den Beinen war, nahm eine ihm unbekannte Person seinen Platz im Kampf ein. Er und Ria schienen sich ebenbürtig zu sein. Erleichtert, ohne gebrochene Knochen aus der Situation entkommen zu können, verdünnisierte er sich. So lieb er die Kleine auch gewonnen hatte, momentan war sie ihm unheimlich.

Mit Leichtigkeit blockte Reece ihren Angriff ab. Er hatte gedacht es würde genügen, wenn sie sich austobte, aber anscheinend war sie auf einen richtigen Kampf aus. Blöd war nur, dass sie sich in den richtigen Kampfsportarten sehr gut auskannte. Sie schienen ihr ins Blut übergegangen zu sein. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seine Erinnerungen an seine Zeit im Shaolin-Tempel wieder herauf zu beschwören. Es war Ewigkeiten her, dass er richtig gekämpft hatte.

Allen Zuschauern boten sie ein unglaubliches Spektakel. Selten hatten die Schüler hier einen Kampf auf solch hohem Niveau beobachten können. Schnell bildeten sich Zuschauerreihen von Schülern, die gerade aus den Umkleiden kamen. Diese Demonstration von Aikido, Capoeira und Kung Fu war schlicht und ergreifend beeindruckend. Bald waren es nicht nur die Schüler, die zusahen, sondern auch deren Eltern, die nachschauen kamen, wo ihre Sprösslinge abgeblieben waren.

Nach einer Stunde endete der Kampf. Schwer atmend rappelte Ria sich vom Boden auf. Dieser Kampf hatte ihr gutgetan. Er war so wunderbar ausgeglichen gewesen, dass sie sich ganz in ihrem Element verloren hatte. Reece erging es da nicht anders. Schon lange hatte er sich nicht mehr so lebendig gefühlt.

Der aufbrandende Applaus brachte die beiden Kontrahenten in Verlegenheit. Beide hatten nur am Rande wahrgenommen, dass vereinzelt Leute um sie herum standen. Schwer atmend fasste Reece Ria am Arm. „Ich muss mit dir reden. Gehen wir zu mir? Da haben wir unsere Ruhe."

Sie nickte. „Dito. Okay." Ohne zu zögern folgte sie ihm in sein Auto. Während der recht kurzen Fahrt waren beide damit beschäftigt, ihre Puste wiederzugewinnen. 

„Das ist ja so nichtssagend." Enttäuscht sah Ria sich in Reeces Wohnung um. Irgendwie hatte sie mehr erwartet. Alles war einfach nur praktisch. Keine Dekorationen, keine Bilder, kein Garnichts. Bis auf den ganzen technischen Kram natürlich, den man immer bei Männern findet. „Wow, wären deine Anlagen nicht, könnte man meinen, du kommst direkt aus der Steinzeit."

Rot wie Blut [Schattenseelen 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt