Aleix

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„Wer bist du? Wärst du ein normaler Mensch, würde Blake dir niemals vertrauen."

Reece überlegte einen Augenblick, dann entschloss sich dazu, ihr die Wahrheit zu sagen. „Mein richtiger Name ist Aleix. Dein Vater und ich haben vor Jahren eine Art Abkommen geschlossen. Lass mich ein wenig weiter ausholen, damit du mir folgen kannst. Heutzutage gibt es in Europa zwei große Clans. Der eine gehörte deinem Vater. Nach dem Erbrecht bist du seine legitime Nachfolgerin. Blake hat die Rolle an deiner Stelle angenommen, um dir eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Und was den anderen Clan betrifft, so bin ich dafür verantwortlich.

Das Abkommen mit deinem Vater bestand darin, dass ich für deine Sicherheit garantiere, sollte ihm etwas zustoßen. Im Gegenzug wollte er gewisse Rebellionen beenden. Doch deine Eltern verschwanden, bevor sie dich in meine Obhut übergeben konnten."

„Ja", warf Ria bitter ein, „kein Wunder, wenn einer der engsten Vertrauten zum Verräter wird." Daraufhin schwieg sie einige Minuten, bis sie schockiert aufsprang. „Moment, wenn du ein anderer Oberguru bist, dann sollte ich nicht hier sein, oder?"

Skeptisch zog Aleix die Augenbrauen hoch. „Das fällt dir aber früh ein. Und ich würde es begrüßen, wenn du mich nicht als Oberguru bezeichnest."

Ein wenig mit der Situation überfordert tigerte sie im Wohnzimmer auf und ab. Sie musste nachdenken.

„Okay", entschieden baute sie sich vor ihm auf. „Ich verzichte dankend auf meine Gurustellung und überlasse Blake den ganzen Kram. Dann komm ich doch aus diesem Politikschlamassel raus, oder? Und wie soll ich dich jetzt eigentlich nennen?"

„Ich würde es vorziehen, wenn du Aleix zu mir sagst, solange wir alleine sind. Meinen Kollegen gegenüber möchte ich jedoch weiterhin Reece sein."

Ria nickte ernst und zog sich einen Stuhl heran. Es dauerte jedoch nicht lange, da sprang sie frustriert auf und schimpfte: „Können diese dummen Ärzte sich nicht einfach beeilen? Wie lange soll das denn noch dauern?"

Der abrupte Themenwechsel überraschte Aleix, der jedoch sogleich schmunzeln musste, da ihm die Anzeichen ihrer Nervosität und Unsicherheit nicht entgangen waren. „Wer weiß, was sie tun müssen."

Ria musste sich zusammenreißen, um ihm nicht an die Gurgel zu gehen. „Ich kann nicht länger warten, ich muss zu ihm." Kopflos stürmte sie Richtung Tür, hielt jedoch an der Schwelle inne. „Du lässt mich nicht gehen, oder?"

Aleix' Mundwinkel zuckten verräterisch. „Natürlich nicht."

Man konnte Ria dabei zusehen, wie sie sich das Hirn zermarterte. Schließlich seufzte sie ergeben und setzte sich zu ihm aufs Sofa. Nachdenklich starrte sie auf ihre Knie, die sich leicht berührten. „Was ist das zwischen uns?"

Wieder hob er eine Augenbraue und folgte ihrem Blick. „Was ist denn da?"

Ria konnte ihren Ohren nicht trauen. Das war doch nicht sein Ernst. „Spinnst du?"

Scheinbar völlig ungerührt stand Aleix auf und schenkte sich ein Glas Wasser ein. „Auch was?" Auf ihren bösen Blick hin hob er beschwichtigend die Hände. „Du bist vergeben. Ich müsste dich auslösen, wollte ich dich haben. Weißt du, was das bedeutet?"

Zögerlich schüttelte sie ihren Kopf. „Nicht direkt. Aber wenn ich mir diese antiquierten Sitten und Bräuche so ansehe, kann ich mir in etwa vorstellen, was du mir sagen willst."

Zweifelnd sah er sie an. „Ich müsste ihn töten."

Ria sog hörbar die Luft ein. Dafür erntete sie ein mitleidiges Lächeln. „Du kannst dich auch auslösen. Im Endeffekt läuft es aber immer auf das Gleiche hinaus."

Rot wie Blut [Schattenseelen 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt