Ausflug

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„Dunn." Al fing Reece auf dem Weg in sein Büro ab. „Es gab einen erneuten Leichenfund. Gehirn wieder filetiert."

Reece griff nach der Akte. Das konnte kein Zufall sein. Er hatte Juan von dem ersten Mord erzählt und dieser hatte prompt beschlossen, seinen Zerfall aufzuhalten. Und nun tauchte eine zweite Leiche auf. „Das hat nichts mit Dubin zu tun. Denkt dran, den Fall nicht außer Acht zu lassen. Wann immer neue Beweise oder Ninja auftauchen, wird dieser Fall aufgerollt. Ich hoffe, die neue Staatsanwältin halst euch nicht zu viel auf."

Verneinend schüttelte Al den Kopf. „Wir vermissen dich und deine Vorahnungen zwar bei den Besprechungen, aber daran kann man wohl nichts ändern. Die Staatsanwältin will dich an den Tatorten sehen."

„Dann hoffen wir mal, dass es nur solange anhält, wie hier Personalmangel herrscht."

Der andere zuckte mit den Schultern. „Du bist einer der besten. Wenn sie ihre Karriere fördern will, ist es nur allzu nachvollziehbar, dass sie dich wieder losschickt. Vor allem da Ria jetzt an deiner Seite ist. Sie hatte übrigens recht. Der endgültige Obduktionsbericht ist da. Die selbstgebastelte Waffe war die Mordwaffe. Bislang konnten alle Alibis bestätigt werden. Mit dem Laptop sind unzählige Seiten mit Kampfanleitungen aufgerufen worden. Wir vermuten, dass es sich tatsächlich um einen Unfall gehandelt haben muss. Allerdings liegt uns der Bericht von der Spurensicherung noch nicht vor."

Reece's Antwort bestand aus einem leichten Nicken. Nachdem er die Witwe verhört hatte, hatte er das Haus noch einmal neu betreten und auf alles geachtet, was ihm beim ersten Mal entfallen sein musste. Tatsächlich waren ihm dann auch die Dinge aufgefallen, die Ria zuvor erwähnt hatte. Es kam ihm vor, als hätte sie ihn mit der Nase auf die Tatsache gestoßen, dass er im Laufe der Jahre unvorsichtig geworden war. Das musste er dringendst ablegen. Besonders jetzt, wo Juan wieder unterwegs war. Die Sache stank bis zum Himmel.

„Heute noch keinen Mord zugeschoben bekommen?" Reece schreckte aus seinen Gedanken und sah auf. Ria lehnte im Türrahmen. Ganz untypisch für sie trug sie heute ein figurbetontes, eng anliegendes Strickkleid. Die breiten orangenen, rosaroten und lila Querstreifen wurden durch dünne schwarze voneinander getrennt. Dazu trug sie eine schwarze Leggins und hohe rote Stiefeletten. Ihren schwarzen Cardigan hatte sie über ihren Arm gelegt, die Sonnenbrille ins Haar gesteckt.

Verneinend schüttelte er seinen Kopf. „Benötigt dein Freund deine Dienste nicht länger?"

Sie schnaubte abfällig und kam mit klackernden Absätzen auf ihn zu. Dabei wippte ihre lange dünne Kette mit dem großen schwarzen Herzanhänger leicht hin und her. „Nein, tut er nicht mehr. Weißt du", müde ließ sie sich in den Sessel vor seinem Schreibtisch sinken, „manchmal würde ich ihm liebend gern den Hals umdrehen. Aber er macht sich einfach nur Sorgen um mich." Sie zögerte ein wenig, ehe sie fortfuhr. Dass sie ihre Unsicherheit offen zeigte, wunderte ihr. Bislang hatte er den Eindruck gehabt, dass sie nur so viel Emotion preisgab, wie sie wollte – viel war das nicht. „Ich muss mit dir reden. Und zwar alleine. Es gibt nicht zufällig einen Mord weit außerhalb, den du untersuchen musst und der auswärtiges Übernachten erfordert?"

Er gab sich nicht die Mühe, sein Lächeln zu verbergen. „Du traust den Behörden nicht?"

Ihre gequälte Miene war aufschlussreich genug. „Sagen wir es mal so: ich vertraue dir. Damit hast du es in einen ganz kleinen und äußerst exklusiven Club geschafft, herzlichen Glückwunsch. Also, wenn es keinen solchen Fall gibt, dann werde ich jetzt dein Büro verlassen und dafür sorgen, dass es einen gibt."

Reece hielt das erst für einen schlechten Scherz. Dann aber sah er ihren todernsten Gesichtsausdruck und ihm wurde schlagartig bewusst, dass sie wahrlich kein zimperliches Prinzesschen war. Sie würde nicht in Ruhe warten, bis Hilfe sie erreichte. „Wir fahren nach Belgien."

Rot wie Blut [Schattenseelen 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt