Mit genervtem Ausdruck leerte ich mein Glas und stellte es lautstark auf den Tresen ab. Wiederholt dachte ich über das Geschehen der letzten Stunden nach. Ehe ich Evelines Wunsch nachkommen konnte, hatte sie bereits der Müdigkeit nachgegeben. In meiner gesamten Karriere bei dieser Arbeit war ich noch nie in einem Wohnzimmer eingetreten, in dem mich ein Dildo und eine betrunkene Klientin erwarteten. Ich signalisierte dem Barkeeper, dass ich noch einen Scotch vertragen könnte, während jemand auf dem Barhocker neben mir Platz nahm. Dieser Abend war schon nervtötend genug gewesen, daher hätte ich gut auf diese Person verzichten können.
„Ich sage es dir vorab: Quatsch mich nicht voll!", fauchte ich ihn an und nahm mein neues Glas entgegen.
Unschuldig winkte er ab. „Beruhige dich, Kurzer! Ich bin viel zu erschöpft, um mit dir zu streiten. Verstanden?", entgegnete er vielsagend und bestellte etwas zu trinken. „Es ist ungewöhnlich, dass du in der Bar der Zentrale auftauchst. Was ist los? Ist dein aktueller Auftrag so mies?" Er lachte schallend. „Ich für meinen Teil habe gerade einen Auftrag abgeschlossen. Glaub mir, die Klientin war wirklich atemberaubend."
„Wir sind hier nicht bei einem Kneipengespräch mit deinen Kumpels. Schon gar nicht interessieren mich die Einzelheiten."
Kenny grinste spöttisch und kam näher zu mir. „Na, war es ein Mann oder eine Frau? Mit wem hast du einen Vertrag abgeschlossen?"
„Was geht dich das an?", murmelte ich, während ich einen großen Schluck Alkohol trank.
„Also, da du hier sitzt, bist du entweder an eine unattraktive Alte geraten oder an einen Versager, der noch bei seiner Mutter wohnt", bemerkte Kenny amüsiert.
„Wer weiß?"
„Du bist so offen und mitteilsam wie immer. Weißt du, was dein Problem ist? Du bist viel zu steif, und damit meine ich nicht bestimmte Teile deines Körpers. Lass mich raten, auch dieses Mal hast du es abgelehnt."
„Das geht dich überhaupt nichts an."
„Willst du mich veräppeln, Kurzer? Hier in der Zentrale spricht jeder darüber. Levi, der eigentlich an der Spitze stehen könnte, ist verklemmt und zieht den Schwanz ein", zitierte er den Klatsch. „Man, was ist das denn, ein Incubus, der keinen Sex möchte und Aufträge annimmt, die nichts mit Sex zu tun haben. Du wirst immer mehr zur Lachnummer. Lass solche Aufträge andere erledigen und gönn dir mal was. Wenn da eine Frau dabei ist, die dir nicht gefällt, lass sie einfach einschlafen und von Sex mit dir träumen. Fertig ist die Laube."
„Ich bin nicht so eindimensional wie du! Es gibt mehr Gefühle als nur Lust", antwortete ich und leerte mein Glas.
„Du legst viel zu viel Wert auf diesen emotionalen Müll", kicherte Kenny. „Du vergisst, dass diejenigen, die hier eingeschränkt sind, die Menschen sind. Hinter falschen Moralvorstellungen verstecken sie ihre wahren Absichten. Ich jedenfalls sage offen heraus, worum es geht. Aber unattraktive Frauen würde ich nicht mal mit einer Zange berühren, da gibt es lediglich Träume für die Olle."
Ich erhob mich und wandte mich von Kenny ab. „Du bist so ekelhaft wie immer", murmelte ich und verließ das Lokal. Unser Ruf ging nie über das Erfüllen von Sex-Aufträgen hinaus, bei genau solchen Leuten. Trotz der heuchlerischen modernen Seite – die durch den neuen Vertrag nach dem letzten Krieg in Kraft trat – war meine Welt an vielen Stellen von viktorianischen Einflüssen geprägt. Gepaart mit Technologie von Dämonen, die sich der modernen Industrie nach dem Muster der Menschenwelt verschrieben hatten. Viele Maschinen wurden noch mit Dampf betrieben, und hatten die Zeit überdauert. Nur die Vielzahl von Kreaturen, wie seltene Exemplare der Drachen, Kobolde, Goblins und Gargoyles, erinnerten außerhalb der Städte und Siedlungen daran, dass man sich in der Dämonenwelt befand.
Als ob eine Nervensäge nicht genug wäre, begegnete ich einer weiteren am Eingang der Zentrale. Allerdings musste ich zugeben, dass mir die Person mit Brille, die soeben auf mich zu kam, viel angenehmer war als mein beschränkter Onkel. Ihre Ansichten waren nicht altmodisch wie bei den meisten. Tatsächlich verdankte ich ihr die Erlaubnis, andere Aufgaben zu übernehmen, die nichts mit reinem Geschlechtsverkehr zu tun hatten. Es war gut, mit jemandem befreundet zu sein, der die Büroarbeit in der Zentrale erledigte.
„Na, gehst du schon nach Hause?", begrüßte mich Hange und sah beiläufig auf die Uhr im Eingangsbereich. „Aber jetzt beginnt der Tag in der Menschenwelt. Das bedeutet, du bist eher auf dem Weg zu deinem Vertragspartner."
„Je nachdem. Meine Klientin sollte jetzt nüchtern sein", antwortete ich emotionslos. „Und was ist mit dir?" Ich sah die Akten in ihren Armen. „Dein Arbeitstag fängt ja prima an."
„Ach, hör auf! Die Leute da oben werden langsam verrückt, weil immer mehr ihre Aufträge vermasseln und dadurch potenzielle Energie verloren geht", seufzte Hange. „Du hast also wirklich einen neuen Auftrag. Ich freue mich für dich, aber was meinst du mit nüchtern? Ist alles in Ordnung?"
Ich schüttelte den Kopf. „Alles ist gut. Nur ein paar anfängliche Schwierigkeiten. Es ist ... anstrengend."
„Und? Welche Art von Wunsch hast du angenommen?"
„Glück", erwiderte ich kurz.
Hange runzelte die Stirn. „Was? Glück? Das verstehe ich nicht. Was für ein Glück? Beim Spielen? Bei der Arbeit?"
„Sie wünscht sich Glück in der Liebe", erklärte ich.
„Du machst Witze?", rief Hange aus und ihre braunen Augen funkelten. „So einen Auftrag hast du angenommen? Das passt überhaupt nicht zu dir, wenn man bedenkt, dass du dieses eine Thema, das mit Liebe zu tun hat, ablehnst."
Ich schloss die Augen und seufzte. „Schon wieder jemand, der mich auf dieses eine Thema anspricht. Ihr tut so, als wäre ich eine Jungfrau. Beruhigt euch. Ich lehne nur Aufträge ab, die sich hauptsächlich um dieses Thema drehen. Sollte das Thema nebenbei auftauchen, erfülle ich den Wunsch."
Hange sah mich bedeutungsvoll an. „Nur ist es bisher nie dazu gekommen. Verstehst du jetzt meine Verwunderung?"
„Was auch immer", murmelte ich. „Hast du nicht etwas zu erledigen?"
Hange kicherte, während sie sich umdrehte und in ihren Bereich ging. Ich schaute auf die Uhr und vermutete, dass Eveline nun langsam wacher und klarer im Kopf sein würde. Mit einem Fingerschnippen öffnete ich das Portal, das in die Menschenwelt führte, und betrat Evelines Wohnzimmer. Geschrei hallte durch den Flur. „Verdammt, ich bin zu spät!", rief sie und knallte die Haustür zu. Ich stand in ihrer Wohnung, wie bestellt und nicht abgeholt, und sah mich um. Seufzend krempelte ich die Ärmel hoch. Eines war klar: Ordnung musste Eveline lernen, wenn sie jemals einen Mann zu sich nach Hause einladen wollte.
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Love Crises with a Demonᵃᵗᵗᵃᶜᵏ ᵒᶰ ᵗᶤᵗᵃᶰ
Fanfic[auf unbestimmte zeit pausiert] "Evelines Wunsch wird wahr - doch zu welchem Preis?" Eveline hat genug von ihrem frustrierenden Liebesleben und verbringt ihren Geburtstag allein mit Wein und Kuchen. Als sie die Kerzen ausbläst, taucht plötzlich ein...