Vor zwei Jahren an genau diesem Tisch stritten wir über meine Sturheit erneut in die Schlacht zu ziehen. Doch dieses Mal hatten wir uns nicht wieder versöhnt, bevor ich fortgeschritten war. Nein, wir steigerten uns in unsere aufgestauten Emotionen hinein und ließen sie an die uns wertvollste Person aus. Seine Fürsorge um mich ließ ihn immer wieder bis an seine Grenzen gehen, während meine Sturheit mich weiter ruhelos in jedes Gemetzel einzumischen, für ihn nicht nachvollziehbar war.
Obwohl wir beide unsere Lehren aus den verlorenen, blutigen Kämpfen gezogen hatten, unterschieden sich unsere Traumen, die sich langsam und schleichend ausgebildet hatten.
Während er sich vor einer erneuten Konfrontation fürchtete und sich jedem Kampf entzog, stürzte ich mich regelrecht in die blutigen Fänge unserer Widersacher, die jeden kaltblütig ermordeten, der ihnen im Weg stand.
Durch die unterschiedlichen Entwicklungen unserer selbst konnten wir nun einmal nicht auf den selben Nenner kommen und dennoch fürchteten wir uns beide nichts mehr als den jeweiligen anderen nicht mehr lachen zu hören.
Grinsend erhoben wir unsere Drinks und nahmen jeweils ein paar Schlucke der selbstgebrauten Flüssigkeit. Eine Geschmacksexplosion entstand in meinem Mund, die mich genüsslich aufseufzen ließ. Es war eine Mischung aus Hagebutten, Kiwis, Limetten, Gin, Mineralwasser und Wodka. Die Erfrischung kühlte mich nach der Nostalgie des letzten Besuches wieder ab.
"Du weißt, dass sich einige Fragen auftun, wenn man bedenkt, in welchem Zustand du aufgefunden wurdest."
"Als ich von Monstern geflohen bin, hat mich eine Frau gerettet", erzählte ich monoton, "denke ich."
"Denkst du?" Jikai fing an herzlich zu lachen und leerte mit einem Zug sein Glas, bevor er dieses mit purem Gin auffüllte. "Ich glaube eher, dass du halluziniert hast. Wie soll es möglich gewesen sein, dass eine fremde Frau eben auftaucht und dich rettet, bevor sie einfach spurlos verschwindet?"
Seufzend fuhr ich mir durch mein dunkles Haar und prustete mir meine einzige helle Strähne aus dem Gesicht.
"Womöglich hast du recht", knickte ich enttäuscht ein, bevor ich erneut auf meine Hand schielte und an den verworrenen Traum dachte, in der die gleiche Stimme zu mir gesprochen hatte. Es fühlte sich real an, doch kein Zeichen war auf meinem verbliebenen Knochen zu sehen.
Jikai legte seine Stirn in Falten, bevor er seine Hände unter seinem Kinn zusammenfaltete.
"Egal, was es war, deine Zeit scheint noch nicht gekommen zu sein", seine Stimme wurde dunkler und ich bemerkte erneut die Spannung, die zwischen uns entstand, als er sein zweites Glas stumm leerte.
"Hast du heute einen freien Tag?", lenkte ich bewusst ab, um die Stimmung aufzulockern und deutete auf die leere Kneipe. Er schüttelte grinsend seinen Kopf, bevor er an mir vorbei an seine dreifachversiegelte Stahltür, die zum Schutz vor den bestialischen Kreaturen, schaute.
"Es kommen genug Halbstarke wie du hier vorbei."
"Was soll das denn heißen?", rebellierte ich sofort und zog empört meine Augenbrauen hoch.
"Dass du dir mal wieder zu viel zugemutet hast."
Grummelnd leerte ich nach einer gefühlten Ewigkeit auch mein erstes Glas. Sofort griff er nach diesem und mixte mir erneut einen Cocktail, der dieses Mal in der Farbe des Meeres war.
"Das muss ich ausgerechnet von einem Workaholic wie dir hören", schmunzelte ich betroffen und deutete mit einer einfachen Handbewegung auf das Getränk, das er mir gerade hinstellte. Gelassen zuckte er seine Achseln und setzte sich mir wieder gegenüber, bevor er eine Zigarette zückte und sie mit einem kleinen Flammenwerfer anzündete. Seine Hände zitterten ein wenig, bevor er einen Zug genommen hatte und mir den Rauch ins Gesicht blies. Meine Sicht wurde durch den Rauch eingeschränkt und der Gestank, den ich Jikai all die Jahre ankreidete, genoss ich so sehr, als wäre es mein letzter Atemzug.
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Was mir einst wichtig war
FantasyEine Geschichte über eine längst vergessene Welt, in der Magie, Naturgeister und Götter über die Lande geherrscht haben. Inmitten des anhaltenden Krieges zwischen Götter und Menschen macht sich der Veteran Rykar Gorian ruhelos auf dem Weg, um der Sp...