Eine Nervensache

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Durch seine gezielten, eingeübten Schritte, die nicht aus dem Gleichgewicht gerieten und sehr flexibel kombinierbar und einsetzbar waren, fiel es mir schwer einen Konter vorzubereiten. Mit großer Mühe wich ich jeden seiner Angriffe aus, doch ich bemerkte, dass der Rhythmus von einer zur nächsten Sekunde verändert wurde und er mittlerweile alle Tanzarten miteinander kombinierte, die zu geschmeidig waren, um ihn ins Straucheln zu bringen. Er drängte mich zurück, doch davon würde ich mich nicht beeindrucken lassen. Schließlich hatte ich oft mit Jikai den Nahkampf erprobt.

Wenn die Verteidigung unüberwindbar schien, musste ich ihn nur mit meinem eigenen Rhythmus und meiner eigenen Technik aus dem Konzept bringen.

Gerade als er einen Kick ausführte, stoppte ich ihn, indem ich meine rechte Seite mit meinem Arm abblockte, ihn mit dem linken Arm in den Magen traf und dann noch einen Tritt mit dem rechten Bein in seine Milz ausführte. Er strauchelte kurz. Diesen kleinen Augenblick nutzte ich, um ihn mit schnellen Schlägen zuzusetzen. Trotz seiner Unachtsamkeit fasste er sich schnell wieder und wich mir durch einen Rückwärtssalto aus, während er mir erneut seinen Zylinder zuwarf. Als ich mich duckte, rauschte es knapp an mir vorbei und kam wie ein Bumerang zu seinem Herrn wieder, der ihn gelassen auffing und wieder aufsetzte.

Als er gerade den Rhythmus für Hornpipe eingenommen hatte, begab ich mich in die Defensive, um einen erneuten Konter vorzubereiten. Er griff mich mit einem erneuten Kick an und ich konterte erneut, doch dieses Mal wich er durch eine Schrittabfolge des Tanzes Melbourne Shuffle aus.

Für seine Verteidigung nutzte er zu dem den Stepptanz. Je länger ich ihn studierte, desto mehr konnte ich mich hereinfühlen welche Schrittabfolge er als nächstes einsetzte und dennoch schaffte es keiner von uns den anderem wirklichen Schaden zuzufügen.

Nach einer Weile des direkten Schlagabtausches distanzierte er sich von mir und lehnte sich gelangweilt gegen die Innenwand, die hinter ihm leicht nachgab und abbröckelte. Um ihm keine Angriffsmöglichkeit zu bieten, hielt ich meine Fäuste vor meinem Körper und beobachtete jeden seiner Bewegungen. Als er auf seine goldene Uhr stierte, seufzte er genervt auf und raufte sich sein herausschauendes dunkelrotes, glattes Haar.

"Es muss nicht unbedingt dein Kampf sein, den du hier ausführst", höhnte ich mit schnalzender Zunge, "wenn du einen wichtigeren Termin hast, solltest du ihn möglicherweise wahrnehmen und gehen."

Seine schmale, blasse Lippen formten ein breites Lächeln, bevor er trocken auflachte und seinen Zylinder in Form brachte.

"Witzig", züngelte er mit gespaltener Zunge, während jede Silbe vor Ironie tropfte, "genau das hatte ich auch vor, bevor du dich eingemischt hast."

Sein provokanter, verhöhnender Blick bedeutete mir, dass ich einen bestimmten Nerv getroffen hatte, den ich womöglich lieber nicht hätte berühren sollen. Um ihm nicht die Oberhand in unserer kleinen Diskussionsrunde zu überlassen, zuckte ich desinteressiert die Schultern.

"Du kannst jederzeit aufhören und von hier verschwinden", gab ich ihm mit ausdrucksloser Miene zu verstehen, "ohne die Kleine versteht sich."

Ein Seitenblick zu dem Mädchen verriet mir, dass sie sich allmählich beruhigt hatte und von einer weitentfernten Ecke unseren Kampf stumm verfolgte. Sie hatte ihre Hände überkreuzt und hielt einen halben Anhänger in ihren kleinen, zitternden Händen. Er hatte die Form eines Dara Knoten. Mein Herz klopfte aufgeregt auf, als ich es als eines der wichtigsten Symbole unserer Zeit erkannte.

Durch die zunehmenden Kriege und der Dunkelheit war es bereits fast komplett von der Erdoberfläche verschwunden. Dabei war es ein Relikt, das uns allen einst verband und uns die nötige Stärke gab, um trotz der Knechtschaft durch das Schicksal fortzubestehen.

Was mir einst wichtig warWo Geschichten leben. Entdecke jetzt