Rue ignorierte uns und erkundete weiter die Räume, die alle von Schmutz umgeben waren. In unserer momentanen Verfassung konnten wir somit nichts verunstalten. Womöglich war das der wahre Grund, warum uns dieser unbekannte Halbstarke in diesen Unterschlupf verfrachtet hatte. Bestimmt hatte er sich davor gefürchtet, dass wir seine teuren Antiquitäten mit Matsch und Blut verunreinigen könnten.
Ich konnte mich nicht auf meine Umgebung konzentrieren, da meine Gedanken weiter um den Fremden kreisten, der scheinbar ein dunkles Geheimnis hütete. Unsere Blicke trafen sich. Er hatte sich von meinem Griff befreit, als hätte ihn ein widerwärtiges Insekt gestochen. Nun dachte ich schon in seinem Tonfall. Es graute mich. Seine Art und Weise hatte eine ansteckende Wirkung.
"Kann sich mein Süßer nicht von mir trennen? Ich weiß, dass dir der Abschied schwerfällt, aber du musst mich eben gehen lassen. Du weißt doch, wir beide sind Feinde." Während er gänzlich in seiner schlechten Schauspielerei aufging, zog ich fragend eine Augenbraue hoch. Es war, als wenn er damit ablenken wollte.
Obwohl er sich nichts anmerken ließ, hatte ich eine minimale Reaktion bemerkt, die darauf schlussfolgerte, dass nicht nur ich durch meine Berührung getroffen wurde. Ein Blick auf meine verfluchte Hand und ich verstand. Auch wenn der Halbgott meine Wunde regeneriert hatte, so reichten seine Kräfte nicht aus, um ihn in seiner Gänze zu entfernen.
Es könnte sein, dass es an seiner menschlichen Hälfte oder gar an seinem eigenen Fluch lag. Vielleicht könnte ich doch brauchbare Informationen aus ihm herauskitzeln. Möglicherweise könnte sich die Anwendung von eben wiederholen, wenn ich ihn anfasste, doch er würde sicherlich zurückweichen. "Und doch hilfst du mir, sehr merkwürdig."
"Was für ein Blödsinn. Ich und euch helfen? Ein Feind hilft niemals. So eine Geschichte wurde doch bisher nicht verfasst." Er lachte trocken auf. In seinem üblichen arroganten Grinsen konnte ich eine Verbitterung sehen, die mich ahnen ließ, dass Rue Recht behielt. Vielleicht war er nicht unser eigentliches Problem, doch ich brauchte einen Beweis, um sicherzugehen. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf das Pochen des Fluches.
Es war wie ein seichter farbloser Faden, der mich mit ihm verband. Es trat direkt aus meiner kaputten Hand und floss in seinen Rücken. Ich konnte ihn in meinen Gedanken wie eine Schachfigur drehen, sodass ich mir die Wunde besser betrachten konnte. Mein Atem stockte.
Die Narbe hatte die Form eines magischen Zauberzirkels. In einen der Bücher, die bei Xanta offen herumlagen, hatte ich dieses Zeichen bereits gesehen. Es war mit drei Außenkreisen und vier Innenkreisen geschrieben. Jeder Kreis stand für eine Versiegelung. Es bedeutete, dass der Fluch nicht von irgendwem stammte.
Eine siebenfache Versiegelung war die stärkste Form eines Fluches, der über den Tod hinausging und selbst seine Nachfahren auferlegt wurde. Soweit ich Xanta verstanden hatte, konnte nur der Hexenkönig oder ein Gott die Macht besitzen, um ihn herauf zu beschwören. Doch konnte ein unlösbarer Fluch jemals gebrochen werden?
Wenn ich mir die Narbe näher betrachtete, hatte sie nicht nur den ganzen Rücken eingenommen, nein, es bewegte sich, als wäre es lebendig. Die Form erinnerte an einen schachbrettförmigen Zylinder, dessen Gesicht ich bereits einmal gesehen hatte. Ich stolperte zurück und weitete meine Augen japsend. Bevor ich die Verbindung abgebrochen hatte, konnte ich einen weiteren Faden ausmachen, der sich direkt um uns beiden legte.
Sein Hut stand in Verbindung mit diesem Zauber. Der Halbgott starrte mich mit funkelnden Augen an. Er wusste, dass ich es herausgefunden hatte. Womöglich hatte er dasselbe gesehen. Seine magentafarbene Augen trafen mich wie ein Schlag.
"Mag sein, aber verrätst du mir noch, wer dir diese Narbe verpasst hat. Sieht fast wie ein alter Fluch aus." Wir hielten Blickkontakt und ließen nicht zu, dass jemand von uns eine falsche Bewegung ausführte. Den Druck, den er ausübte, könnte kein normaler Söldner aushalten. Nur jemand, der genug Nahtoderfahrungen erfahren hatte. Davon hatte ich genug.
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Was mir einst wichtig war
FantasyEine Geschichte über eine längst vergessene Welt, in der Magie, Naturgeister und Götter über die Lande geherrscht haben. Inmitten des anhaltenden Krieges zwischen Götter und Menschen macht sich der Veteran Rykar Gorian ruhelos auf dem Weg, um der Sp...