Der Waldgeist des Windes

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Während ich im Wald herumirrte und mich versuchte an Kleinigkeiten zu orientieren, kehrte der Schmerz des Fluches zurück in meinen Körper. Jeder Schritt wurde schwerfälliger. Das Gewicht des Mädchens veränderte sich augenblicklich. Ich taumelte zurück und fiel zu Boden. In letzter Sekunde hielt ich meine Arme fest um sie geschlungen und schützte sie mit meinem Körper. Als Steine und Dornen den Weg mit meiner Haut kreuzten, brannte und schmerzte es dumpf.

"Verdammt", brummte ich überrumpelt und blickte mit besorgter Miene zu Rue. Gähnend streckte sie sich und setzte sich auf. Müde rieb sie sich die Augen.

"Wo sind wir?", fragte sie irritiert. Sie blickte um sich und legte ihren Kopf schief. In ihrem Gesicht konnte ich mehrere Fragezeichen erkennen. Mit bebenden Lippen suchte ich nach Worten, um ihr die missliche Lage erklären zu können, doch der Gedanke an Xanta machte mich sprachlos. Eine Träne fand den Weg über meine Wange und landete auf die Stirn des Mädchens. Erschrocken wich ich von ihr und legte meine verfluchte Hand auf mein Gesicht. Ich weinte, ohne dass ich meine Emotionen kontrollieren konnte. Meine Hände zitterten.

"Ich verstehe", hauchte sie mir schwach zu und blickte benommen zu Boden, "schon wieder musste jemand meinetwegen leiden..."

Die Trauer übermannte uns beide und hüllte uns in düsteres Schweigen, das uns die Distanz zwischen uns spüren ließ. Die Schmerzen in meiner Brust hatten sich mit den oberflächlichen Wunden des Falls vermischt. Mein Körper fühlte sich schwer. Im Schlamm sitzend suhlte ich mich in Selbstmitleid. Ich war erneut machtlos gewesen. Dabei hatte ich mir geschworen jeden zu beschützen, der mit mir den Weg kreuzte. Wofür wurde ich ansonsten Tag ein, Tag aus, mit dem Leben verschont?

Plötzlich rührte sich etwas aus dem dunkelblauen Umhang, den Xanta Rue geschenkt hatte.

"Zieh ihn aus und geh hinter mich!", befahl ich ihr besorgt. Ich stellte mich in Angriffsposition und war bereit, sie bis zum Tode zu beschützen. Sie schüttelte widerspenstig den Kopf und griff in den Umhang hinein. Ehe ich sie ermahnen konnte, zog sie bereits den ungebetenen Gast hervor. Erschrocken blieb mir mein Mund offen stehen. Nach einer kurzen Zeit der Aufregung entspannten sich meine Muskeln. Mehrfach blinzelten wir bis Rue sich an unsere kleine Kreatur schmiegte. "Bin ich froh, dass es dir gut geht!"

Eine kleine Alraune hatte sich darin versteckt gehalten und wurde versehentlich von Zuhause entführt. Ich seufzte erleichtert und dennoch war ich gleichzeitig erzürnt über die Unvorsichtigkeit des Mädchens. Die Alraune sprang aus ihren Armen direkt auf meine Schulter und drückte sich an meinen Nacken.

Dadurch flog mir ein merkwürdiger Geruch in die Nase, die nicht zu einer Zauberpflanze wie diese passte. Normalerweise roch sie aromatisch, aber nur solange bis sie sich in großer Lebensgefahr befand. Dann verströmten sie eine Art Fäule, die mit einem Giftgemisch versetzt war. Somit waren die Schreie der Alraune nicht das einzige Merkmal, das sie als höchst gefährlich einstufte.

Dieses Exemplar roch nach einem feuchten Wald. Moos und Gras, das vom Regen nass war. Vom Äußeren wirkte sie wie eine Alraune mit ihrer gelbgrünen Beere als Kopf und ihren dunkelgrünen Blättern. Ihre gegabelte Gestalt erinnerte an die eines Menschen, auch wenn es gerade einmal zwanzig Zentimeter groß war. Doch auch wenn sie wie jede andere ihrer Art aussah, so sagte mir mein Instinkt, dass sie keine gewöhnliche Zauberpflanze war. Ich verdrehte die Augen und beäugte es skeptisch.

"Anstatt deine Herrin zu beschützen, hast du dich versteckt. Was für ein Feigling", murrte ich wutentbrannt. Es zuckte in sich zusammen und sah mich mit riesigen Augen an.

"Sei nicht so hart mit ihm", bat Rue, "er ist noch ein Baby. Zumal kann er sich sowieso nicht wirklich verteidigen und wäre nur gefundenes Fressen gewesen."

Was mir einst wichtig warWo Geschichten leben. Entdecke jetzt