11. Kapitel Haithabu

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Auf dem Weg zum Auto wurden sie neugierig gemustert, doch die Blicke glitten über die Kleidung und trafen nicht ein einziges Mal Paddys Gesicht

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Auf dem Weg zum Auto wurden sie neugierig gemustert, doch die Blicke glitten über die Kleidung und trafen nicht ein einziges Mal Paddys Gesicht. „Ich glaube, das trage ich jetzt immer. Es scheint mich unsichtbar zu machen, obwohl mich alle ansehen."
Beschwingt folgte er Lea bis zum Ende der Straße, wo sie ihr Auto abgestellt hatte.
Ein kleiner blauer Geländewagen, der seine besten Tage wohl schon hinter sich hatte.
Sie schloss die Fahrertür auf und setzte sich hinein, bevor sie sich hinüberbeugte, um die Beifahrertür zu entriegeln.
„Hat der keine Zentralverriegelung?" „Nö." „Aber irgendwie ein cooles Ding." „Geht. Aber ich mags und mein Vater hat ihn mir überlassen, als er sich ein neues gekauft hatte."
Sie startete den Motor und begann aus der Parklücke zu manövrieren.
„Keine Servolenkung?"
Wieder schüttelte sie den Kopf. „Nö, auch nicht."

Als sie an dem Ort an der Schlei ankamen, war der Parkplatz gut gefüllt und die ersten fuhren sogar schon wieder ab.
„Also erzähl noch mal, was das hier auf sich hat", bat Paddy als sie aus dem Auto gestiegen waren und Lea ihm andeutete, in welche Richtung sie mussten.
„Ein kleines Stück ist es noch zu laufen. Ja, Haithabu ist eine ehemaliges Handelszentrum und der Warenumschlagplatz in Europa einem gewissen Zeitraum. Hier kreuzten sich mehrere Handelswege und dadurch wurde der Ort und seine Bedeutung immer größer. Inzwischen hat man ein paar Häuser der alten Siedlung wieder aufgebaut und hier finden regelmäßig Märkte statt, so wie heute. Dann werden handgemachte Waren zum Verkauf angeboten, wie schmiedeeiserne Sache, Holz- und Tongeschirr, Weidenkörbe, Wolle, Stoffe und Kleidung und andere Dinge, sowie authentische oder semiauthentische Speisen. Hach und es gibt Met. Lecker! Leider muss ich fahren. Für Kinder gibt es kleine Spiele."
„Ich bin gespannt. Was war Met doch gleich genau? Ich habs auf jeden Fall noch nie getrunken." „Honigwein. Zuckersüß und sehr lecker. Auch warm zu empfehlen bei Erkältung oder im Winter!"
Endlich deutete Lea auf eine Absperrung mit einem Kassenhäuschen daneben. „Wir sind da, wie man zweifellos an den Häusern dort hinten erkennen kann."
„Sieht cool aus. Hier hätte sich mein Vater sicher wohlgefühlt." „Du meinst der Vater, der euch ein Schloss gekauft hat?" „Ja, aber eigentlich liebte er auch das Urtümliche, das Echte. Er hat auch mal eine Weile mit Antiquitäten gehandelt."
„Na, die Sachen hier fallen nicht so direkt unter Antiquitäten im konventionellen Sinne. Aber ich glaube dir trotzdem, dass es ihm hier gefallen hätte." „Mit Sicherheit. Ich bin froh, dass er das damals nicht gesehen hat, der wäre glatt mir uns in eines der großen fensterlosen Häuser eingezogen!" Staunend sah er sich um. „Aber guck nur, wie cool die alle aussehen! Wie echte Wikinger!"
Lea ließ ihren Blick über ihn schweifen. Er war vielleicht nicht der authentischste der anwesenden Wikinger, aber dafür der bestaussehendste.
Er bemerkte, dass sie ihn musterte. „Was ist los?" „Du siehst auch sehr gut aus. Schade, dass wir dich so verstecken. Dir steht das Zeug. Es ist zwar nicht so authentisch wie die anderen Sachen." „Nein? Sieht doch ganz ähnlich aus." „Deines ist nach Originalfunden gemacht, aber maschinell. Die Sachen der Leute hier sind in der Regel handgenäht beziehungsweise handgefertigt. Oftmals sogar mit traditionellen Methoden der Herstellung und Verarbeitung."
„Bist du öfter hier?" „Nicht mehr, aber eigentlich würde ich gerne wieder mehr hier sein. Im Studium war ich ehrenamtlich häufig mit Jugendlichen vor allem aus sozialschwachen Familien hier. Sie einfach mal aus ihrem Alltag rausholen." „Das finde ich toll!" „Es hat mir auch großen Spaß gemacht. Ich stehe auch im Kontakt mit dem Verein, dass ich hier wieder mitmachen kann. Das Problem ist nur der Schichtdienst. Ich kann ja nicht sagen, dann ich jeden Sonntag einen Kurs zum Beispiel anbiete. Oder dass ich jeden Dienstag mit Jugendlichen herkomme. Das kann was werden, wenn ich irgendwann eine feste Station habe. Jetzt im Rotationssystem ist es schwierig." „Du hast Kurse gegeben?"
„Ja." Sie zuckte mit den Achseln.
„Was für Kurse?" „Nadelbinden zum Beispiel." „Was ist das denn?" „Das Ergebnis sieht ähnlich aus wie Gestricktes. Aber es funktioniert ganz anders. Beim Stricken hast du zwei oder auch fünf Nadeln und wenn du eine Laufmasche hast, haste verloren. Also bei einem fertigen Kleidungsstück vor allem. Beim Nadelbinden hast du rund zehn Zentimeter lange dicke Nadeln aus Horn, Knochen, Holz oder auch Metall. Und du hast auch nur die eine Nadel. Mit einer bestimmten Technik setzt man Knoten an Knoten und am Ende hat man ein Kleidungsstück und was auch immer. Der Vorteil ist, dass durch die Knotentechnik keine Laufmaschen entstehen können, es ist viel stabiler." „Und das wurde früher so gemacht vor dem Stricken?" „Ja. Teilweise wird es auch auf anderen Kontinenten immer noch praktiziert. Sogar um Tragehilfen für Kinder herzustellen, daran kann man gut sehen, wie belastbar die Technik ist." „Spannend!"
Dann deutete Lea auf eine Frau, die vor dem zweiten Haus auf einem Schemel saß und etwas in den Händen hielt. „Komm, gehen wir mal dort hinüber", schlug Lea vor und hakte sich bei ihm ein.
„Moin!", begrüßte sie die Frau, deren lange blonde Haare offen über ihre Schultern fielen.

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