2. Kapitel Paddy Kelly

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Lea war seine Reaktion nicht entgangen, skeptisch sah sie ihn an, während sie noch einen Schluck von ihrem Kakao nahm

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Lea war seine Reaktion nicht entgangen, skeptisch sah sie ihn an, während sie noch einen Schluck von ihrem Kakao nahm.
„Was ist los? Hast du ein Problem mit den Kellys?" „Nein...nicht direkt", antwortete er und war sich nicht sicher, ob er lachen oder weinen sollte. Hatte er sich doch gerade darüber gefreut, jemanden kennengelernt zu haben, der ihm auf Anhieb sympathisch war und ihn nicht wie ein Fan anhimmelte. Nun war er sich nicht mehr im Klaren darüber, ob sie nicht nur ein sehr kurzsichtiger Fan war. Ihre Neigung vor ihm auf dem Boden zu liegen, würde jedenfalls dafür sprechen.
Angelo hatte die beiden erreicht und klopfte ihm nun auf die Schulter. „Hey Brother, das verstehst du also unter ‚einen wichtigen Termin haben'?!"
Patrick räusperte sich. „Ähm ja..." und lächelte ertappt.
Leas Kinnlade fiel hinunter und ihr Blick wechselte rasend schnell zwischen den beiden Geschwistern hin und her. Endlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie schloss den Mund wieder, kniff ein Auge zu und hielt den Daumen in die Luft, um zu gucken, wie sein Gesicht ohne die derzeitige Frisur aussehen würde.
„Ja, könnte hinkommen", kicherte sie abschätzend und ließ die Hand zurück in ihren Schoß fallen.
„Hi, ich bin Angelo", stellte sich sein Bruder vor und streckte ihr die Hand entgegen.
„Ach, sach bloß..." Sie verdrehte die Augen, gab ihm ihre Hand und blickte dann vorwurfsvoll zu ihrem Begleiter hinüber.
„Du hättest ruhig mal was sagen können!" „Meinst du, ich bin scharf darauf, jedem auf die Nase zu binden, dass ich Paddy Kelly bin? Ich freue mich über jeden, dem das nicht gleich auffällt." „Nachvollziehbar", gab sie zu und schaute zu Angelo, der sich vor Lachen kaum halten konnte.
„Du hast sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hergelockt? Ist ja zum Schreien!", grölte er.
„Ich habe überhaupt nichts vorgespiegelt! Ich hab mich nur...sagen wir mal...dezent ausgedrückt", rief Paddy empört.
„Ja, ist klar, Paddy. Das kannste Maite erzählen, aber nicht mir!"
Paddy sah ihn grimmig an und winkte ihn mit dem Zeigefinger zu sicher herunter. „Merkst du gar nicht, dass du störst?!", flüsterte er, so leise er konnte.
Angelo sammelte sich, immer noch grinsend. „Ich muss sowieso weiter. Klebeband holen. Die Kabel liegen mitten auf dem Gang. Nicht dass sich da noch jemand den Hals bricht."
Paddy und Lea warfen sich schmunzelnd einen flüchtigen Blick zu, bevor sie das Wort erhob. „Wieso eigentlich du? Habt ihr keine Leute, die das machen?" „Der Praktikant in der Kirche hat gerade Mittagspause, also ist es an mir, für Sicherheit zu sorgen." „Na, dann mal los. Rette die Menschheit", lachte sie und winkte ebenfalls mit dem Zaunpfahl, dass er sich verziehen sollte. Mochte sie auch seine lustige Art noch so gern, zog sie es trotzdem deutlich vor, sich mit Patrick oder offenbar auch Paddy genannt, alleine zu unterhalten.
Angelo winkte noch einmal freundlich und zog von dannen.
Lea verschränkte die Arme und schaute Paddy an. Ihre Augen waren zu Schlitzen verengt und ihre Lippen geschürzt. „So so....Paddy Kelly." „Jaaa...", erwiderte er beinahe gequält und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Mit gerunzelter Stirn sah er sie beschämt von unten herauf an. „Bist du böse?" „Nein, Quatsch." Lea schüttelte lachend den Kopf und nahm einen Schluck von ihrem Kakao.
„Dann ist ja gut."
Sie schleckte sich den Milchschaum von der Oberlippe und schaute wieder zu ihm. „Und ihr habt ein Konzert in der Kirche hier?" „Ja, richtig. Wir hatten eigentlich eins in der Ostseehalle, aber weil die Karten so schnell ausverkauft waren, haben wir ein Zusatzkonzert angesetzt. Die Halle war aber zeitnah nicht erneut zu bekommen, darum war ich vor ein paar Wochen da und habe mir diese Kirche hier angesehen. Heute sind wir dabei, schon mal alles für das Konzert morgen vorzubereiten. Das Equipment ist in den hinteren Räumen verstaut und die meisten Kabel liegen bereits so, wie wir sie brauchen werden." „Ah okay. Verstehe." „Tja und dann kamst du." Er kicherte leicht höhnisch. „Machst du das eigentlich öfter?" „Was?" „Na, vor anderen Leuten auf dem Boden kriechen?" „Nein!", brummte sie, konnte sich aber nicht dagegen wehren, sein Lächeln zu erwidern.
Paddy räusperte sich. Seiner Meinung nach hatte er sie genug geärgert und wechselte das Thema. „Und du kennst meine Familie?" „'Türlich! Wer kennt die denn nicht?" „Aber du hast mich nicht erkannt. Zumindest nicht direkt."
Sie musterte ihn demonstrativ. „Du hast dich aber auch verändert!" „Ja, die neue Frisur, ich weiß...", stöhnte er.
„Neue Frisur? Ja, jetzt wo du das sagst...irgendwas ist mit deinen Haaren anders." „Sehr witzig." „Nein, eigentlich meinte ich so allgemein. Du bist eben nicht mehr so...ach ich will nichts Falsches sagen. Auf jeden Fall bist du älter geworden und die Klamotten sind auch moderner." „Moderner?", hakte er skeptisch nach.
„Naja, besser eben." „Ich weiß jetzt nicht, ob ich mich für dieses Kompliment bedanken soll." „Nimm es doch einfach so hin. Es ist ja auch schon eine ganze Weile her, dass ich mich zuletzt mit euch beschäftigt habe." „Du warst früher ein Fan?" „Ja, könnte man so sagen. Ist aber schon so einige Jahre her. Ich war früher begeistert von eurer Musik. Aus verschiedensten Gründen bin ich dann davon und von Musik im Allgemeinen abgekommen. Inzwischen höre ich wieder mehr, aber das ist eine lange Geschichte. Zumindest habe ich doch keine Ahnung gehabt, was aus euch geworden ist." „Eine lange Geschichte? Ich habe Zeit." „Also das wage ich zu bezweifeln."
Paddy sah unglücklich auf die Uhr. „Ja, leider hast du Recht. Ich muss los." „Hey, aber war toll, dass du ein bisschen deiner vermutlich kostbaren Zeit für mich abgezwackt hast." „Wie ich schon sagte, ich hatte doch was gut zu machen." „Stimmt."
Paddy stand auf und dachte kurz nach. „Was hältst du davon, wenn wir das wiederholen?"
Lea verzog das Gesicht. „Also ehrlich gesagt, habe ich keine Lust, mich noch ein drittes Mal vor dir auf die Schnauze zu packen!" „Den Part könnten wir von mir aus auch ruhig auslassen." Er schmunzelte. „Wobei...ich wurde ja schon auf die unterschiedlichsten Arten angebaggert, aber so einfallsreich, war bisher niemand. Und dann noch so zu tun, als ob du mich nicht erkennen würdest...tsss."
Lea hatte sich ebenfalls erhoben und stemmte nun aufgebracht die Hände in die Hüften. „Ich habe dich überhaupt nicht angebaggert! Und ich habe dich wirklich nicht erkannt!" „Und da ist sie auch noch stolz drauf...unglaublich", grinste er.
„Bin ich ja gar nicht!" „Aber dafür bist du ganz schön temperamentvoll. Na los, gib dir einen Ruck und triff dich noch einmal mit mir, bevor wir wieder abfahren."
„Meinst du, das hat so viel Sinn? Du bist dann doch eh wieder weg." „Darum geht es doch nicht. Ich würde mich einfach gerne noch einmal in Ruhe mit dir unterhalten. Heute sind wir ja irgendwie kaum dazu gekommen." „Also gut. Aber wann hast du denn Zeit?"
Er überlegte kurz. „Eigentlich ginge es gleich heute Abend. Oder ist dir das zu kurzfristig?" „Ne, das passt schon. Und wo?" „Wir könnten uns doch einfach wieder vor dem Kirchenportal treffen oder soll ich dich lieber von zu Hause abholen?" „Ähm, ne. Kirche klingt schon ganz gut. So gegen acht?" Routiniert zog sie ihren Mp3 Player aus der Tasche und löste sorgsam die darum gewickelten Kabel, während sie auf seine Antwort wartete.
„Klingt super. Was hörst du denn gerade? Ich finde es immer spannend, mit welchen Melodien die Menschen durch die Welt laufen."
Wie selbstverständlich griff er nach dem kleinen Gerät und steckte sich einen Stöpsel ins Ohr. Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er zog die Augenbrauen hoch. „Only our rivers run free?"
Lea kräuselte grinsend die Nase und zuckte mit den Schultern, erwiderte aber nichts dazu.
„Ich dachte, du hörst unsere Musik nicht mehr?" „Das habe ich so nicht gesagt. Nur, dass ich mich nicht mehr mit euch beschäftige. Ich meinte schon, dass ich wieder mehr Musik höre. Das beinhaltet auch eure. Aber keine Bange, ich bin trotzdem ganz normal...naja...eigentlich...okay, sagen wir mal, was deine Familie betrifft." „Da bin ich ja mal gespannt, was an dir nicht ganz normal ist. Einen Eindruck von deinem Temperament und deinen zwei linken Füßen habe ich ja bereits bekommen. Ich lass mich überraschen. Dann bis später." „Ja, bis später."
Unschlüssig standen beide voreinander, zögerten noch einen Moment und wandten sich schließlich in entgegengesetzte Richtungen.
Lea bewegte sich jedoch nicht von der Stelle, sondern lauschte, wie sich seine Schritte im Geräuschpegel des städtischen Lebens entfernten. Langsam drehte sie sich um und sah ihm nach. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, als auch er sich noch einmal umwandte und einen Blick auf sie warf. Lächelnd winkte er und ging wieder in die Kirche.

Beschwingt lief Lea nach Hause. Dort fütterte sie die Katzen, bevor sie den Rechner anwarf. Als er hoch fuhr, ging sie in die Küche, um abzuwaschen. Das heiße Wasser lief in die Spüle, während sie Alex Nummer wählte und sich den Hörer zwischen Kopf und Schulter klemmte.
Das monotone Freizeichen im Ohr, begann sie, einen Teller nach dem anderen ins warme Nass fallen zu lassen.
„Hey Lexi! Was machste?", begrüßte sie ihre Freundin munter.
„Oh, hi Lea. Was ich mache?! Ich schlafe. Guck doch mal auf die Uhr!", grummelte sie.
Obwohl Lea wusste, wie spät es war, huschten ihre Augen wie von alleine aufs Zifferblatt hinter ihr. Es war helllichter Nachmittag, gerade vier durch, und eigentlich kannte sie Alex Angewohnheit, sich, ebenso wie sie selbst, nach der Schule hinzulegen. Doch heute war Lea einfach zu aufgeregt und kein bisschen müde gewesen, gleichsam hatte sie von jedem sonst auf dieser Welt erwartet, dass es ihm nicht anders gehen würde.
Sich ihrer Fehlannahme bewusst, schwieg sie betreten.
„Was ist denn nun los? Ist was passiert?", stöhnte Alex müde. So schnell wie es gekommen war, verschwand Leas schlechtes Gewissen auch wieder und es sprudelte wie ein Wasserfall aus ihr hervor. „Ja, irgendwie schon. Ich hatte dir doch von dem Typen erzählt, den ich vor ein paar Wochen in der Kirche getroffen hatte, oder?" „Vor dem du auf die Schnauze gefallen bist." „Ja, genau. Zumindest war ich heute wieder in der gleichen Kirche- " „Und hast dich wieder abgepackt?", unterbrach Alex sie schmunzelnd.
„Ja", antwortete Lea zähneknirschend und fuhr fort. „Aber der Typ war auch wieder dort! Er hat mich auf 'nen Kakao eingeladen. Und weißt du, was sich dabei herausgestellt hat?" „Nun sag schon. Ich bin nicht in der Verfassung zu raten." „Das war Paddy Kelly!" „Doch nicht der Freak von dieser Dings Family?" „Japp, genau der!", rief Lea aufgedreht.
Zwischendurch hatte sie den Abwasch völlig vergessen und gestikulierte mit einem Teller in der Hand herum, so dass ihr um ein Haar das Telefon ins Wasser gefallen wäre.
„Urgh...", entfuhr es Alex entsetzt, als sie bestätigt wurde.
„Was urgh?" „Na, die Kelly Family. Und du klingst fast, als würdest du sie toll finden." „Naja, also ich habe nichts gegen die. Absolut nicht. Früher habe ich sie sogar regelrecht vergöttert." „Das hast du nicht wirklich? Diese langhaarigen Zigeuner?" „Ja! Aber die sind nicht mehr langhaarig. Jedenfalls nicht Paddy, also der, den ich heute kennengelernt habe." „Aber die haben doch immer so komische Sachen angehabt, die aussahen, als würden sie aus der Altkleidersammlung stammen." „Also er hatte ganz normale Sachen an. Er sah sogar ziemlich gut aus!" „Das kann ich mir kaum vorstellen...Und die Musik, die die gemacht haben. Entsetzlich!" „Das ist Geschmackssache, das gebe ich zu. Aber könntest du nun endlich mal aufhören, über die herzuziehen?! Für mich war das heute ein tolles Erlebnis und das hatte nichts damit zu tun, dass er ein Teil der Kelly Family ist." „Sorry. Du hast mich echt aus dem Tiefschlaf geholt. Ich vermute, meine Höflichkeit schläft noch." „Okay. Lassen wir es einfach. Schlaf du weiter. Wir können ja morgen reden. Mach's gut." „Ja, bis dann", verabschiedete sich auch Alex und legte auf, dankbar, sich wieder auf die andere Seite drehen zu dürfen.
Lea legte das Telefon auf den Küchentisch hinter sich und beschäftigte sich missmutig wieder mit ihrem Abwasch. Irgendwie hatte sie eine andere Reaktion von Alex erwartet, okay, eher erhofft.
Gedankenverloren schrubbte sie an einem Topf herum, als sie den Spülschwamm ungeduldig auf die Anrichte warf und ins Wohnzimmer lief, wo sie sich auf ihren Sessel vor den Computer lümmelte. Sie wischte sich die nassen Finger in der Hose ab und wandte sich an ihren besten Freund...Google.
Flink huschten ihre Finger über die Tastatur und tippten den Namen, der ihr schon seit Stunden im Kopf brannte – Paddy Kelly.
Tausende von Ergebnisse erschienen auf dem Monitor.
Puh, irgendwie hatte sie ja damit gerechnet, aber wo sollte sie anfangen? Sie überflog die Überschriften der ersten Einträge, zögerte jedoch auf eine zu klicken.
Gehörte es sich, jemandem so hinterher zu schnüffeln? Nein, eigentlich nicht. Es war zwar alles öffentlich, dennoch kam es ihr komisch vor.
So klickte sie auf die Bilderauswahl bei Google und schaute sich Paddy in verschiedenen Altersstufen an.
Ja, wenn man die Veränderung so schrittweise betrachtete, konnte sie sie nachvollziehen, aber so mit einem großen Zeitsprung vom Ende der Pubertät bis zu einem erwachsenen jungen Mann, wunderte es sie nicht, dass sie ihn nicht auf Anhieb erkannt hatte.

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