17. Kapitel Pheromone

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„Du übertreibst." Doch irgendwie hüpfte Leas Herz dabei wieder ein wenig. Aber am langen Arm verhungern wollte sie auch nicht. Ihr Herz war inzwischen viel zu sehr dabei, als dass sie einfach noch nur Spaß hätte haben wollen.

Und doch war immer noch das Bedürfnis da, ihn anzufassen. Ach, sie verstand sich selbst nicht genau.

Sie lagen nicht mal einen halben Meter auseinander und Lea fühlte eine Spannung in der Luft, die kaum zu ertragen war. Am liebsten würde sie die ausblenden, sie machte es ihr fast unmöglich, klar zu denken, geschweige denn zu schlafen.

Sie hörte Paddy tief durchatmen. „Ich übertreibe nicht. Willst du dich nicht wenigstens ein bisschen an mich kuscheln?" „An dich kuscheln? Ist das ein neues Codewort?"

„Nein."

„Hm, okay. Ein bisschen wird mich sicher nicht umbringen."

Vielleicht würde das auch ein wenig das Bedürfnis befriedigen, ihm näherzukommen, ohne gleich zu viel in die Waagschale zu werfen.

„Das denke ich auch. Na, komm her."

Er legte seine Hand auf ihre Schulter und zog sie ein Stück näher zu sich heran. Sie selbst rückte noch ein wenig mehr zu ihm und schmiegte ihren Kopf an seine Brust, während er sie mit den Armen einschloss.

„Ja, so ist gut", seufzte er und streichelte ihr sanft über den Rücken.

„Ja, das ist es." Es war ihr entwischt, bevor sie es hatte verhindern können. Sie machte die Augen zu und sog genüsslich seinen Geruch in sich auf. Sie wusste nicht warum, aber sie fühlte sich zu ihm hingezogen, wie lange Zeit zu niemandem sonst. Sie empfand seine Nähe als unbeschreiblich angenehm.

Er hatte sein Gesicht an ihre Haare gekuschelt und atmete so gleichmäßig, dass sie beinahe gedacht hätte, er wäre eingeschlafen, wenn er nicht plötzlich zu reden begonnen hätte.

„Lea, darf ich dich was fragen?" „Natürlich." „Warum hast du das restliche Gras entsorgt?"

Überrascht schwieg er einen Augenblick. „Warum? Weil es mir schon zu viel kaputt gemacht hat. Ich habe viele Jahre meines Lebens dadurch verschlafen, habe quasi ein Doppelleben geführt, dadurch, dass meine Familie von nichts wusste. So bin ich vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten. Ich wurde zur Randfigur in meinem eigenen Leben! Als ich neulich Abend so Kreislaufprobleme hatte, wurde ich unsanft daran erinnert, was ich wirklich will. Nämlich nirgendwo mehr hinflüchten, an meinem Leben teilhaben, eine kristallklare Wirklichkeit wahrnehmen, nicht mehr wie durch Milchglasscheiben blickend alles an sich vorbeilaufen lassen! Es gibt Dinge, die möchte man nicht sehen, die will man am liebsten ausblenden, aber ob man versucht, sie zu ignorieren oder zu verdrängen, sie sind doch passiert. Und irgendwann ist man wieder nüchtern und fühlt alles noch schlimmer. Ich will das nicht mehr! Ich will mich dem gleich stellen. Mein Leben ist in letzter Zeit so gute Wege gegangen, ich will mir das jetzt nicht selber kaputt machen."

Sie konnte das Lächeln nicht sehen, das sich erleichtert auf seinem Gesicht ausgebreitet hatte, aber sie hörte es in seiner Stimme. 

„Du glaubst gar nicht, wie es mich freut, das zu hören. Ich hoffe, du bleibst standhaft. Es ist so schön, dass du gekommen bist", flüsterte er und seine Fingerspitzen spielten sanft in ihren Haaren.

„Das war nicht freiwillig...Wenn's nach mir gegangen wäre, wäre ich nicht zum Konzert gegangen, aber Sarah...Was hätte ich ihr denn sagen sollen? ‚Hach ne, Sarah, lass mal. Ich hab da gerade irgendwas, was ich auch nicht näher definieren kann, mit Paddy laufen, aber gestern sind wir im Unfrieden auseinander und deshalb geh mal lieber alleine hin'?? Kommt nicht so gut. Vor allem nicht, wenn man doch eigentlich diskret sein sollte, wenn man irgendwas mit einem Menschen hat, der in der Öffentlichkeit steht." „Ja, ich hab schon begriffen, dass du dem Kind einen Namen geben willst... So, aber statt ihr die Wahrheit zu sagen, bist du wieder irgendwo hingeflüchtet..." „Ähm, ja, sozusagen. Irgendwo direkt vor deine Füße." Verlegen schmunzelnd versuchte sie ihr Gesicht mehr oder minder erfolglos an seinem Oberkörper zu verstecken. Ihre Lippen berührten seine Haut und vollkommen automatisch küsste sie diese, hielt aber umgehend inne.

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