siebenundzwanzig

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Charlize

Stumm sehe ich sie an. Sie meinen es verdammt ernst. Meine Eltern, die mich eigentlich unterstützen müssten, für mich da sein müssten haben mir ein Ultimatum gestellt. Um das eigene Kind zu unterstützen müsste man sie wahrscheinlich lieben. Das fällt hier dann ja weg. Okay Charlie. Du bist Charlie fucking M. Du nimmst jetzt all deinen Mut zusammen und geigst ihnen die Meinung! Sie haben es verdammt nochmal verdient. Und du auch.
„Mutter, Vater. Ich wusste ja dass ihr mich nicht leiden könnt. Aber dass ihr soweit geht, hätte ich nie gedacht. Ich dachte immer, dass ihr mich wenigstens ein bisschen mögt, aber anscheinend habe ich mich da wohl getäuscht. Und wehe einer sagt jetzt, dass ich schuld bin. Ich habe mir über die Jahre meine eigene Persönlichkeit aufgebaut und einen verfluchten Charakter entwickelt. Nur ist dieser mehr schwarz und dunkel geworden, als alles andere, weil ich nie wusste, was Liebe ist. Weil ich nie welche bekommen habe. Von euch! Meinen Eltern! Ich habe nie Liebe bekommen von den Menschen, die dies am meisten tun müssten! Von euch, verdammt nochmal! Es ist erstaunlich, dass ich überhaupt welche geben kann, denn der einzige der mir früher gezeigt hat, was es heißt etwas wert zu sein, war Elion. Er war da, als ihr es eigentlich hättet sein müssen. Ihr! Nein, stattdessen war mein Bruder da, der damals auch noch ein Kind war! Und ihr habt ihn genauso in den Ruin getrieben, nur weil er mit Jenna zusammen war. Ja wow sie hat kein Geld, na und!? Was macht den Menschen aus!? Nicht sein verfluchtes Geld, sondern sein Charakter! Und was den Einzelhandel betrifft. Einzelhandel ist wichtig, dazu gehören nämlich auch die Läden, wo du alles einkaufst, Susann. Ich bin so ziemlich alleine aufgewachsen, weil ich keine Eltern hatte, die für mich da waren. Die mir liebe und Aufmerksamkeit geschenkt haben. Ihr habt mich behandelt wie Dreck und ich war immer das schwarze Schaf. Warum? Nur weil ich nicht eurem Idealbild von vornehmer Tochter entspreche? Weil ich einfach mal meine eigene Persönlichkeit habe!? Oder weil Elion von Anfang an das Lieblingskind war? Ich stand immer hinter ihm. Immer. Bei jeder nich so kleinen Kleinigkeit. Ich hatte immer Einsen auf meinen Zeugnissen, aber es hat euch nicht interessiert. Immer war Elion derjenige, der euch interessiert hat. Nie ich. Ihr wart immer für euren Goldjungen, euren Schatz, euren Liebling da. Immer stand Elion an erster Stelle, aber ich stand nicht mal an zweiter. Ihr wart nie für mich da. Nicht mal im Ansatz! Und das ist jetzt vorbei. Ich kann eure fake Familientüdelei bei irgendwelchen Essen nicht mehr ertragen! Ich kann es einfach nicht mehr! Und wenn ich ehrlich bin konnte ich es noch nie! Jetzt. Jetzt bin ich 18 und scheiße nochmal unabhängig von euch. Und jetzt, liebe Eltern, sage ich euch das, was ich euch am liebsten täglich gesagt hätte!", ich atme tief ein, bevor ich es ausspreche. Werde ich es bereuen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht, aber es muss jetzt raus, um mir endlich ein Stein von der Seele zu scheißen. „Ich hasse euch! Ihr seid scheiß Eltern und ich lebe lieber auf der Straße, als noch eine Nacht in diesem verkackten Dreckshaus!" – es ist raus. Bereue ich es? Nein. Kein bisschen. Es war genau richtig, dass jetzt zu sagen. Und ich fühle mich endlich mal besser. Seit langem. Die Beziehung mit Markus konnte gar nicht richtig funktionieren. Immerhin habe ich nie gezeigt bekommen, was es heißt Liebe zu geben. Und plötzlich ist er wieder präsent in meinem Kopf. Markus. Sollte ich vielleicht doch den ersten Schritt machen und mich melden? Ich meine- ach nichts meine ich! Ich habe keine Ahnung! Ich will doch einfach nur dieses Gefühl wieder haben, was er mir gegeben hat. Geborgenheit, Freude, Kribbeln, Herzklopfen, Aufregung, Erregung, Liebe.

Markus

„Ich schreibe ihr. Nicht irgendwann, heute. Es tut mir leid Elion. Ich wollte Charlie nie verletzten oder sie für irgendetwas ausnutzten. Ich bin nur- Ich hatte mir zu viel zugemutet", antworte ich ihm. „Sag das nicht mir, sondern ihr. Markus ich konnte dich immer gut leiden und als du dann immer wieder Charlie angesehen hast, hatte ich ein ungutes Gefühl. Aber ich habe schnell die Spannung zwischen euch gemerkt und je öfter du ihr hinterhergerannt bist oder mit ihr zeit verbracht hast, desto mehr habe ich gemerkt wie gut du ihr eigentlich tust. Sie hat viel mehr Lebensfreude gezeigt und hat viel mehr gelacht. Du tust ihr wirklich gut" – Elions Worte brennen auf meiner Haut. Ich tue Charlie gut. „Und sie tut mir gut", murmle ich, ehe ich mich kurz räuspere und mit fester Stimme weiter rede, „Ich mache den Laden heute Dicht. Den Kunden kann ich morgen abfertigen. Wegen Krankheit geschlossen, ganz einfach. Es ist immerhin meine Kiste. Deswegen würde ich dich jetzt auch rausschmeißen."
„Bin schon weg. Aber wehe du redest heute nicht mit ihr. Irgendwann haue ich dir wirklich noch eine rein!", knurrt er. Wir verabschieden uns, dann schließe ich alles zu und schreibe dem Kunden am Computer per Mail noch schnell, dass ich Krank bin und deswegen heute und morgen geschlossen ist. Ein Tag frei wird mir nach all dem gut tun.
Ich krame in meiner Hosentasche nach meinem Handy, doch finde es nicht. Als ich es auch auf der Werkbank und dem Schreibtisch nicht finde, fällt mir ein, dass ich es wahrscheinlich auf der Küchentheke liegen lassen habe. Egal. Ich wollte ja eh frei machen.

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3/3 der Lesenacht;)

𝑭𝒓𝒐𝒎 𝑻𝒉𝒆 𝑺𝒕𝒐𝒓𝒚 𝑶𝒇 𝑴𝑨𝑹𝑳𝑰𝑬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt